Offener Brief an das bayerischen Hochkultur

guten tag

mein name ist triptonious coltrane

meines zeichens musiker, künstler, kulturschaffender in münchen.

ich habe gerade diesen wirklich spannenden artikel gelesen:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/intendant-kusej-fuer-mehr-migranten-im-theater-leiden-und-lernen-1.1315414

dieser berührt ein thema, dass mir schon seit langem auf der seele brennt (vor allem als münchner), deswegen schreibe ich diese email. ich hoffe sie erreicht auch herrn kusej!

ich selber bin zwar kein theatermensch, aber ich kenne sehr viele – vor allem mit migrationsvordergrund

letztens habe ich mich zu einer anfrage für ein stadtprojekt der münchner kammerspiele öffentlich auf meinem blog (www.triptown.de) und über meinen newsletter geäussert, der immerhin knapp 700 leute fasst und auch meine über die jahre gesammelten pressekontakte beinhaltet

ich habe mich sehr impulsiv und auch rücksichtslos geäussert und damit auch sicher einige menschen verärgert, aber ich denke, es ist an der zeit, da mal was zu unternehmen. der ignoranz, der ich mich bisher besonders im deutschen kulturbetrieb ausgesetzt gefühlt habe, entgegne ich nun nach jahren der bescheidenen zurückhaltung auch einmal mit harschen worten. aber glauben sie mir: es ist nur gut gemeint. gut für uns alle. denn wenn keiner keinem weh tut, dann passiert nix und ich sags ganz ehrlich: mir machts gerade richtig spass!

ich kann mir nicht mehr mit ansehen, wie „bioeuropäische“ theatermacher ein stadtprojekt nach dem anderen im münchner bahnhofsviertel durchführen, sich ein stück nach dem anderen vom grossen förderkuchen im namen der integration und der brisanz der migrationsthematik abholen und diese projekte immer nur in zirkeln der hermetischen hochkultur kursieren und auch dort entwickelt werden. der fokus bleibt auf die perspektive dieser kreise gerichtet und dreht sich dort im kreis. die sicht aus der perspektive der „anderen“ kulturellen segmente der gesellschaft, die das stück ja eigentlich thematisiert, bleibt notgedrungen im hintertreffen.

auch empfinde ich immer dieses ungute gefühl des ewig fremden beobachters, wenn ich in münchen im theater sitze. ich habe nie das gefühl, ich bin ein teil dieser wundervollen kultur. genauso regt es mich auf, wenn biodeutsche mit der verhaltenheit des fremden durch das bahnhofsviertel laufen und eine gastfreundliche anleitung erwarten – so als ob sie hier nicht in ihrem eigenen land wären.

dieses gefühl des fremdseins kann man nur überwinden, wenn vertreter der jeweils „anderen“ kulturwelt platz im vermeintlich „unseren“ findet: als deutscher/e im bahnhofsviertel, oder als migrantischstämmiger im theater, in positionen von regisseurInnen, schauspielerInnen, dramatourgInnen und auch intendantInnen.

mir ist klar, dass man das nicht einfach so erwarten kann. ich will auch keine quote. ich und meinesgleichen wollen und müssen sich diese positionen erkämpfen, für all die talentierten menschen, die jetzt nur darauf warten, dass sie endlich mal auf grossen bühnen und mit odentlichem budget loslegen können, ohne ihre nachnamen elegant dem generellen kulturellen hochwohlempfinden anpassen zu müssen. diese diskussion wird auf uns alle zukommen und ist wichtiger denn je!

wir fordern deswegen wiederholt eine reihe von öffentlichen veranstaltungen, podiumsdiskussionen, theaterprojekten etc., in denen die vorhandenen kommunikationsmauern mal gesprengt werden und wir uns endlich frei von überheblichkeitsbarrieren und auf augenhöhe miteinander auseinandersetzen.

hier die links zu meinem blog, die dieses thema behandeln (bitte auch die kommentare lesen) :

http://blog.triptown.de/?p=566
http://blog.triptown.de/?p=582

den worten müssen nun taten folgen

wir – eine gruppe von münchner künstlern, regisseuren, schauspielern, philosophen etc. – arbeiten gerade an einem stadtprojekt.

mit dabei sind (nach dem aktuellen stand der dinge):
karnik gregorian
bülent kullukcu
emre akal
berivan kaya
tunay önder
sebahat ünal
kuros yalpani
simone egger
tuncay acar
federico sanchez

wir wollen eine öffentliche podiumsdiskussion zu der thematik, an der vertreter der grossen theaterhäuser in münchen teilnehmen und wir unser projekt vorstellen können, für das wir noch eine förderung suchen.

wir hoffen diese message erreicht diejenigen, die sie erreichen soll! deswegen: gerne weiterreichen!

gruss

triptonious

Die Suche nach dem Taqwacore

Es melden sich ja so einige Menschen bei mir tagtäglich mit betimmten Anliegen. Entweder fragen sie nach Tips für ihren nächsten Istanbulurlaub, nach einem Interview zum Thema urbane Freiräume und Zwischennutzungen, oder nach türkei- und islamspezifischen Fragen.

Dabei habe ich von Islam keine Ahnung. Der Islam interessiert mich im Grunde genausowenig, wie alle anderen monotheistischen Religionen. Ich bin eher polytheistisch veranlagt. Das rührt wohl von meinem Archäologiestudium her und meiner Begeisterung für die griechische Mythologie. Spiritualistische Naturreligionen haben es mir eher angetan.

Zu den anderen genannten Themen weiss ich dann schon eher was. Zum Beispiel habe ich eine Vorliebe für türkische Musik aller Arten. Arabesk mag ich gerne, türkische Klassik, türkische Kunstmusik, Volksmusik und natürlich türkischen Pop, Punk, Rock, etc. auch.

Die witzigste Anfrage hatte ich auch zu diesem Thema. Da rief mal eine Jounalistin von ARTE an, die die Empfehlung wohl von irgendwem erhalten hat. Sie fragte mich, ob ich ihr von einem musikalischen Phänomen aus Istanbul namens „Taqwacore“ erzählen könne. Ich war verwundert. Diesen Begriff hatte ich noch nie gehört und fragte zurück, ob sie sich sicher wäre, dass es sowas in der Türkei überhaupt gibt? Sie war sich ziemlich sicher, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass das woanders entstehen hätte können.

Daraufhin wollte ich wissen, was das überhaupt sei und sie antwortete, dass das eine Art radikalislamistischer Straight Edge Hardcore wäre.

Ich war baff! Konnte es möglich sein ,dass so eine Szene in Istanbul existiert und ich nichts darüber weiss? Für einen kleinen Moment war ich verunsichert, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so etwas in der Türkei existiert. Die konservativ sunnitische Gesinnung sieht unter Punk und Hardcore eher eine satanistische Grundlage verborgen. Unter diesen Umständen konnte ich mir so eine Musikform in der Istanbuler Islamistenszene nicht vorstellen. Aber ich hatte da einen Verdacht: die einzigen, die so bescheuert sein können, sind die Konvertiten. Und mein Instinkt sollte recht behalten. Also hier die Aufklärung. Taqwacore kommt aus dem Westen. Die angelsächsische Kultur ist anscheinend ein idealer Nährboden für kreativen Fundamentalismus:

http://www.taqwacore.com/
http://www.taz.de/!106360/

Antwort von Philip Decker…

Der Fairness halber poste ich hier mal die Antwort von Philip Decker auf meine fordernde Attacke. Er hat mit diesem Text meinen Post kommentiert. Damit der Kommentar nicht untergeht poste ich ihn hier noch einmal:

Philip Decker sagte am :

Hallo Tuncay!

Ich kann Deinen Ärger über den Umgang der deutschen Kulturpolitik mit dem Thema Migration absolut nachvollziehen und hoffe meinen Teil dazu beitragen zu können, dass es zu dieser Deiner geforderten Diskussion und Auseinandersetzung kommt.

Klar fühle ich mich gerade etwas zu prominent in dieser Angelegenheit angesprochen, denn ich habe in dem Moment in dem ich meinen Aufruf geschrieben habe, zu aller erst an meinen Auftrag und nicht an die kulturpolitische Tragweite des sogenannten “Migrationstheaters” gedacht.

Da könnte man gleich noch eine weitere Diskussion über Lebens- und Arbeitsbedingungen im sogenannten Kulturprekariat dranhängen, aber dafür bin ich wohl zu jung oder dumm, habe zu viel Lust für und im Theater zu arbeiten und davon zu leben und bin somit noch nicht an meiner Frustrationsgrenze angelangt. Die ist bei Dir und vielen anderen offensichtlich erreicht.

Morgen leite ich Deinen Aufruf an die Münchner Kammerspiele weiter und ich hoffe, dass sich daraus ein wirklicher Diskurs zu diesem Thema ergibt, der dann auch seine Konsequenzen in der Kulturpolitik findet.

Trotzdem möchte ich das Projekt “Niemandsland” an dieser Stelle noch kurz verteidigen, denn es geht darin tatsächlich vielmehr um die Hinterfragung der Perspektive des Zuschauers auf das Thema Migration als um eine Zurschaustellung der Migranten. Damit zielt das Stück genau auf das ab, was sich ändern muss, damit diese Diskussion die Du führen willst fruchtbar ist: Unsere Sicht auf uns selbst und nicht die Sicht auf andere.

Freundschaftliche Grüße,

Philip

Neues Stadtprojekt der Kammerspiele in München: Osteuropäische Schwarzarbeiter besuchen neureiche Versicherungsmanager in Bogenhausen

Liebe FreundInnen, die meinen Blog und meine Emails schätzen. Liebe interessierte LeserInnen, die nicht wissen, was sie davon halten sollen, aber auch nicht mutig genug sind, ihn abzubestellen. Liebe stummen Zaungäste.

Ich wende mich an euch alle, denn so allmählich geht es mir ordentlich auf den Keks, dass….

…der deutsche Kulturbetrieb (und damit meine ich auch den, der sich gerne mal auf der Gegenseite des Establishments sieht, wie zum Beispiel die Münchner Kammerspiele), immer noch nicht in der Lage ist, von seiner dämlichen Überheblichkeit herunterzukommen.
Wie ich darauf komme? Weil ich gerade eine Rundmail erhalten habe von meinem Freund Philip Decker, der gerade als Produktionsleiter ein Theaterprojekt des niederländischen Regisseurs Dries Verhoeven namens „Niemandsland“ betreut, wofür migrantische Mitspieler gesucht werden. Alles schön und gut, nur wird der/die MigrantIn wieder einmal dazu aufgefordert, einigen „bio-europäischen“ Gästen sein migrantisches Leben in seinem „migrantisch geprägten“ Viertel zu erklären.

Ich bin mir sicher, das ist ein toll durchdachtes Konzept von dem Dries Verhoeven, aber dieserlei Projekte gab es doch schon zu Hauf. Hört doch auf damit, verdammt! Der Stoff ist durch Leute! Ausserdem finde ich es so dermassen peinlich, immer nur aus der bequemen Rolle des neugierigen Voyeurs auf das vermeintlich „Fremdartige“ zu blicken. Begreift es endlich Schnuckis: „IHR SEID DIE MIGRANTEN, IHR SEID DIE ALIENS“ und nicht umgekehrt. Ihr begreift nicht, dass ihr schon längst eingetürkt seid, genauso sehr wie ich eingedeutscht bin!

Ihr wollt es nicht wahrhaben, aber bin ich derjenige, der lecker Döner frisst bei jeder Gelegenheit und der Branche zu reissendem Umsatz verhilft? Nein! ICH MAG NÄMLICH KEINEN DÖNER.

GUTEN APPETIT – ICH HABE DAMIT NIX ZU TUN UND ICH WERDE EINEN TEUFEL TUN UND EUCH ZUM DREITAUSENFÜNFHUNDERTSTEN MAL „MEIN MIGRANTISCHES BAHNHOFSVIERTEL“ ERKLÄREN! BIN ICH KASPERLE ODER WAS? DAS IST AUCH EUER VIERTEL VERDAMMT. GUCKT ES EUCH HALT AN. IST DOCH AUCH EUER LAND, EURE STADT, EURE GESCHICHTE, ODER NICHT?

Lasst uns doch lieber mal den Spiess umdrehen und einen neureichen Versicherungsmakler, Banker, oder Immobilienhai eine Stadtführung durch das Bogenhausener Villenviertel durchführen, der bulgarischen Schwarzarbeitern sein Leben und sein Viertel zeigt.

Das macht in der jetzigen Situation, in der wir uns alle befinden, wesentlich mehr Sinn!

Ich fordere von den Kammerspielen München eine Aussprache, über dieses Thema und zwar öffentlich!
Daran können sich dann Vertreter des Volkstheaters und des Residenztheaters auch beteiligen!

Und da können wir uns gerne auch mal über das Thema unterhalten, warum sich fast 99,9 Prozent der migrantisch-stämmigen Kulturschaffenden, KulturarbeiterInnen, Regisseure, Intendanten, SchauspielerInnen einen wohlklingenden „weissen“ nachnamen aneignen müssen, wenn sie in diesem Land Karriere machen wollen?

wie z.B.

Shermin Langhoff
Tim Seyfi
Ersan Mondtag

und und und…

Glaubt es mir, mir hängts zum Halse raus.

Bitte liebe Freunde und Freundinnen von der deutschen „Leidkultur“. Versteht mich nicht falsch. Ich habe euch echt gerne und ich weiss, ihr meint es nur gut mit uns. Aber ihr müsst eines endlich begreifen:

WIR MEINEN ES AUCH GUT MIT EUCH!

Unten die besagte Email. Ich fordere alle migrantischstämmigen Menschen auf, dieses Projekt zu boykottieren!

Gruss

Tuncay
Anhang:

Aquisitionsmail der Kammerspiele auf der Suche nach Mitspielern bei dem Stadtprojekt Niemandsland von Dries Verhoeven:

Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Philip Decker, ich bin seit der Spielzeit 13/14 künstlerischer Produktionsleiter der Münchner Kammerspiele, einem der renommiertesten deutschen Stadttheater und Gewinner der Auszeichnung „Theater des Jahres 2013“. Ich wende mich mit folgendem Anliegen an Sie: Im Sommer 2014 werden wir die Theaterproduktion „Niemandsland“ des niederländischen Regisseurs Dries Verhoeven zu Gast in München haben. Es handelt sich hierbei um einen Stadtspaziergang, bei dem jeweils ein Mensch mit Migrationshintergrund einen Theaterzuschauer durch ein migrantisch geprägtes Viertel (in München das südliche Bahnhofsviertel) führt, wobei dieser per Kopfhörer viele mögliche Geschichten der „Migration“ hört. Ziel ist es die Perspektive des Zuschauers auf ihren Wegweiser und das Thema Migration insgesamt zu thematisieren. Hierfür sind wir auf der Suche nach insgesamt 12 Spielern, die Lust haben Ihre Perspektive auf das Thema Migration in München mitzuteilen und darzustellen. Anbei schicke ich Ihnen unsere Suchanzeige, es wäre sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie diese an Interessierte weiterleiten und vielleicht sogar aushängen könnten. Ich danke Ihnen für die Mithilfe und stehe Ihnen bei Fragen selbstverständlich zur Verfügung,

Mit freundlichen Grüßen, Philip Decker

Baumrecht statt Baurecht (Rede vom 10.07.13)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Münchnerinnen und Münchner,

So ein paar Bäume…

sind schnell mal abgerissen
Ja klar!

Jahrtausendelang waren Bäume, Blumen, Felder, Obst, Gemüse, Natur, Landschaft, Flora, Fauna für den Menschen als ein selbstverständlicher Bestandteil seines Lebensraumes in Hülle und Fülle vorhanden. Die Natur war eine schier endlose Ressource, die nur der Allmächtige allein zu zerstören in der Lage zu sein schien.

Die Betonung muss nun jedoch leider auf das Wörtchen „war“ gelegt werden. Denn wir befinden uns in einer Phase der Erdgeschichte, in der diese besagte Selbstverständlichkeit nicht mehr gegeben ist. Der Mensch selber befindet sich jedoch scheinbar immer noch in der Euphorie des beginnenden Industriezeitalters und kann sich davon nicht lösen.
Wie sollte er auch? Diese paradiesische Epoche, in der der Mensch gottgleich über das Universum zu herrschen scheint und sämtliche Ressourcen der Erde ihm grenzenlos zur Verfügung zu stehen scheinen dauert ja nun gerade mal ein wenig länger als ein Jahrhundert an. Was ist das schon, gemessen an den Jahrmillionen, in denen er unter den widrigsten Bedingungen ohne Fastfood, mobile Kommunikation, Datenclouds, Zweitfahrzeug- und Drittfahrzeug, 3-D-Drucker, Luxusimmobilien, Clubbing-Kreuzfahrten und ähnlichem dahinvegetieren musste. Wieso sollte man sich jetzt freiwillig von all dem Luxus lösen wollen, solange man nicht dazu unter Todesdrohungen genötigt wird? Welcher gesunde Mensch macht das denn?

Diese Frage bringt uns jedoch sogleich zur nächsten: was verstehen wir unter einem gesunden Menschen? Meine zweite Heimat ist die Türkei und im Türkischen gibt es eine Sprichwort, das sich ungefähr so übersetzen liesse:
ES GÄBE KEINEN STAAT AUF ERDEN, VERGLEICHBAR MIT DEM WERT EINES HAUCHES  REINER GESUNDHEIT.

Doch was braucht der Mensch, um gesund zu sein?

– Gesunde Ernährung ohne Schadstoffe
– Gesundes, frisches, lebendiges und vor allem frei verfügbares Wasser
– Frische, reine Luft zum Atmen
– Einen intakten Körper
– Medizinische Verpflegung
– Regelmässige Aufenthalte in der Natur
– Sportmöglichkeiten

Doch da gibt es eine Komponente, die bei solchen Fragen meist erst zu allerletzt auf die Liste kommt:

Der gesunde Geist und das Seelenleben. Der Mensch ist ein Herdentier. Er braucht eine intakte Gemeinschaft, in der er sich wohl fühlt und als deren Teil er sich begreift. Sie spendet ihm Identität, gibt ihm ein Zugehörigkeitsgefühl, sie edelt ihn und mach ihn erst zum wahren Menschen .

Zum gesunden Menschen gehört eine gesunde Gesellschaft und es gibt keine gesunde Gesellschaft, ohne gesunde, zufriedene, erfüllte Menschen, die sich als ein Teil eben dieser begreifen. Menschen, die sich offen entgegenstehen, die sich gegenseitig akzeptieren, neues zulassen, altes bewahren, Menschen die teilen können. All dies gehört zur menschlichen Kultur und im Großen und Ganzen funktioniert dies – mit einigen kleinen Detailunterschieden – überall auf der Welt gleich.

Nun bringt es jedoch die menschliche Kultur mit sich, dass sie eben wie jede andere Kultur im Universum auch (nehmen wir z.B. Bakterienkulturen, Pflanzenkulturen, Insektenkulturen, etc.) immer besser gedeiht, wenn sie langfristig, über Generationen hinweg einen fruchtbaren Ort findet an dem durchgehend ideale Voraussetzungen für ihre Entwicklung bestehen.

Erst dann verselbständigen Sich einzelne Elemente, gedeihen weiter und entwickeln auch neue Triebe– im Falle der Menschen wären das:
– Das Verständnis unter den MitbürberInnenn
– Der Bildungsstandard
– Die Kunst- Kultur- und die Musikszene
– Die gesellschaftliche Gleichberechtigung (von einzelnen Bevölkerungsgruppen, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Schichten und Gruppierungen der Gesellschaft, den Generationen…).
– Das gleichberechtigte Leben von Menschen, Pflanzen und Tieren
– Der Wohlstand (der leider in seiner Grundbedeutung im jetzigen Stadium der menschlichen Entwicklung auf unendlichem Wachstum und somit auf Unersättlichkeit angelegt ist – ich meine Wohlstand jedoch eher im Sinne einer privaten Zufriedenheit, die auf einer allgemeinen Zufriedenheit basiert).

etc. etc. etc.

Es gäbe einige Faktoren, die man so aufzählen könnte.

Was wir jedoch dafür benötigen, sind gewachsene Strukturen, deren Wert unschätzbar hoch ist, nicht nur für die lokale Stadtgesellschaft in München, sondern auch für die globale Gesellschaft, denn wie wir alle wissen, hängen diese beiden eng zusammen und wirken aufeinander ein, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Gewachsene Strukturen sind nichts anderes als Wurzelwerk – genauso wie das Wurzelwerk dieser Bäume hier, die im Zuge eines Luxusbauvorhabens, das an dieser Stelle gegenüber von uns nun aus dem Boden wachsen soll, zerstört werden. Man zerstört mit dem Bauvorhaben nicht nur die Bäume, sondern schadet damit auch unserer Gemeinschaft. Denn genauso wie diese Bäume, werden mit übertriebenen Mietpreisen und der Ansiedlung von internationalem Geldadel ins Glockenbachviertel, die einheimischen natürlichen und sozialen Strukturen zerstört.

Zwar sollen als Ersatz für diese Bäume an anderer Stelle frische Setzlinge gepflanzt werden, aber ein Setzling an einer anderen Stelle kann einen altehrwürdigen Baum an dieser Stelle nicht so leicht ersetzen. Neupflanzungen sind wichtig! Keine Frage! Neubauten sind auch wichtig, um neuen Wohnraum für die neuen Bedürfnisse der Bevölkerung zu schaffen. Neue Impulse in der soziokulturellen Landschaft sind ebenfalls wichtig. Das sehen wir alles ein. Nur eines stört uns: „Die Neuerungen, die in dieser Form erfolgen, wie bei diesem Bauvorhaben gegenüber, berücksichtigen die gesunde soziokulturelle Gesellschaft nicht. Sie dienen hauptsächlich der Bereicherung von Großverdienern und dem Komfort von Menschen, die sich eh keine Sorgen um ihre restliche – zumindest materielle – Existenz mehr machen müssen.
Uns – nämlich der eigentlichen Bevölkerung dieser Stadt – bringen diese Bauvorhaben, wie sie an dieser Stelle, im Seven, im alten Arbeitsamt in der Thalkirchnerstrasse, auf dem Rodenstockgelände erfolgen sollen und teilweise erfolgt sind – rein gar nichts.

Sie nehmen uns nur die Luft zum Atmen und den Platz zum Leben. Stattdessen versuchte man noch vor kurzem mit einem eher mittelgroßen Sozialbauprojekt in der Müllerstr. 6 das eh schon extrem eingeengte Nutzungsareal der Glockenbachwerkstatt noch mehr einzugrenzen.

Dank der Unterstützung unserer äußerst engagierten FreundInnen und UnterstützerInnen – vor allem der Eltern unserer Kindergarten- und Hortkinder – konnten wir das bis jetzt verhindern. Aber das letzte Wort ist immer noch nicht gesprochen.

Wir sitzen jedoch jetzt schon mal mit am Tisch und werden als Gesprächspartner wahrgenommen. Das ist schonmal ein wichtiger Schritt! Wir wissen jedoch ganz genau, dass es nicht ausreicht, nur seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das hat uns die langjährige Erfahrung gelehrt. Man muss eher immer das große Ganze im Auge behalten und darf den Gesamtüberblick nicht verlieren. Man muss sich bürgerlich solidarisieren und darf – bei aller Wohlgesonnenheit und auch besonnenen Haltung der Lokalpolitik gegenüber, die kritische Haltung nie aufgeben. Dies begreifen wir als eine gesellschaftliche Aufgabe – deswegen bin ich heute Abend hier und vertrete offiziell den Vorstand des Glockenbachwerkstatt e.V.

Zu guter letzt möchte ich an die Vorkommnisse erinnern, die gerade seit über einem Monat am Taksim Platz in Istanbul, um genauer zu sein im dortigen Gezi Park und drumherum stattfinden. Der bürgerliche Unmut hatte sich dort entzündet an der Entwurzelung von fast 40-50 Jahre alten Bäumen.

Die Staatsmacht reagierte auf diesen Impuls der Proteste mit Unverständnis: Es ginge doch hier nur um ein Paar Bäume. Aber der weitere Verlauf der Ereignisse hat gezeigt, dass Bäume mehr sind als nur Bäume. Sie sind nicht nur Symbol für, sondern ihr Wurzelwerk hängt auch sehr eng zusammen mit den gewachsenen sozialen und soziokulturellen Strukturen in einer menschlichen Gemeinschaft.

In dieser schwierigen Zeit, in der Millionen Menschen weltweit auf den Straßen sind – in dieser Unruhigen Zeit, zählt der gesellschaftliche Zusammenhalt mehr denn je! Wir sind Bestandteil einer globalen Welt. Ich finde, wir können uns diesen Pseudo-Luxus, der hier entstehen soll und den Verlust von wahrem Luxus, nämlich dem Luxus von schönem alten Wurzelwerk in der Natur, sowie im übertragenen Sinne in der Gesellschaft, nicht mehr leisten.

Dankeschön

ho ho ho – spannend

…Na sitzt ihr immer noch Woche für Woche vor der Röhre, hofft endlich mal auf einen guten Tatort und ertappt euch wieder beim einnicken?

Hier kommt ein richtig guter Plott für euch, direkt aus dem Leben entnommen – pom pom pom:
Ein Mann sitzt seit Jahren nachweislich zu Unrecht im Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie, weil seine Aussagen einen Finanzskandal sonder Gleichen aufdecken könnten. Der Richter, der ihn verurteilt hat, ist der beste Freund und ehemalige Handballtrainer von dem neuen Typen seiner Ehefrau (zu dem Zeitpunkt erfolgreiche Bankerin bei der Hypo Vereinsbank), die nachweislich mit seinem Vermögen Schwarzgeldgeschäfte durchführte und richtig viel dreckiges Geld für große Hypokunden mit dem Ferrari ihres Mannes in die Schweiz schipperte und ihren Mann anzeigte, nachdem er sie wegen Steuerhinterziehung angezeigt hatte und und und…. ?

DU GUCKST IMMER NOCH TATORT?

Es muß nicht unbedingt einen Mord geben, damit ein Krimi spannend wird.

Das ganze wird nämlich gedeckt von der bayerischen Justizministerin BEATE MERK persönlich. Besagte Ehefrau hingegen hat sich aus dem Bankgeschäft mitlerweile zurückgezogen und verdingt sich als Geistheilerin. Hokus Pokus…Der Mann sitzt immer noch, obwohl er kaum geistig umnachtet zu sein scheint! Man versucht einfach nur, ihn solange wie möglich Mundtot zu halten.

Wo man den Krimi zu sehen kriegt? Na da wo die Realität immer spannender ist, als die Phantasie – im ersten::
http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage-dokumentation/15028746_die-story-im-ersten-der-fall-mollath

GERECHTIGKEIT FÜR GUSTL MOLLATH!
http://www.gustl-for-help.de/aufruf.html

Fussball und Politik

Interessant ist ja auch die Tatsache, dass neben den Persönlichkeiten aus Kunst- und Kultur, auch die Anhänger der großen Fussballmannschaften Istanbuls eine grosse Rolle bei den Gezipark-Protesten spielten. Nicht nur bei der Mobilisierung der Massen, waren sie von Relevanz, sondern auch bei der Entwicklung von effektiven Strategien und Abwehrmechanismen gegen den Polizeiterror. Als ich dieses Video sah, in welchem die besonders hervorzuhebende Carsi-Gruppe, der Anhänger von Besiktas Istanbul (http://en.wikipedia.org/wiki/%C3%87ar%C5%9F%C4%B1_%28supporter_group%29) – quasi in ihrem eigenen Viertel – ein Straßenbaugerät kaperten, und damit auf gepanzerte Wasserwerferfahrzeuge der Polizei losgingen, wurde mir schnell klar, dass nur diese Menschen in der Lage sind, der plumpen Grausamkeit der türkischen Polizei Kontra zu bieten (http://www.youtube.com/watch?v=P_anC8_s_08).
Denn wenn türkische Fussballfans etwas können, dann ist es das öffentlichkeitswirksame Auftreten. Sie verkörpern auch eine gewisse Volksautorität, denn Fussball hat in diesem Land einen besonders hohen Stellenwert. Fast jeder Türke und jede Türkin ist in irgendeiner Form AnhängerIn einer Fussballmannschaft. Dort wo das Individuum sehr wenig Platz zur Entfaltung in der Gesellschaft findet, erfüllte Fussball schon immer als soziales Phänomen, als Katalysator, als Spielplatz und Austragungsort von kollektiven Aggressionen und Expressionsbedürfnissen eine wichtige Funktion. Dies wurde verstärkt durch die Tatsache, dass man ja sonst als junges heranwachsendes Mitglied der Gesellschaft sich nur sehr begrenzt äussern kann. Überall lauern Schnauzbärtige grosse Brüder und Onkel, Väter und besserwissende Mütter und Tanten, die auf ihre traditionsgegebene Autorität pochen und die Jugendlichen allzuschnell in die Schranken weisen. Vom allgegenwärtigen misstrauischen Staatsapparat ganz zu schweigen.
Also suchte sich die junge türkische Gesellschaft einen anderen Schauplatz für ihre überbordenden Energien: Das Fussballstadion. Dort durfte man ungehindert Fluchen, lauthals schreien und seinen Unmut verkünden, die gegnerischen Fans auf den Arm nehmen, provozieren und sich verbal bekriegen. Türkische Fussballfans sind gewieft in Demoralisierungstaktiken, die sie Blitzschnell entwickeln und mittels eigens verfasster Spontanreime via Fanchöre von sich geben. Die Strasse ist ihr zweites Zuhause. Sie kennen sich aus in der Stadt und haben über die Jahrzehnte die Logistik im Chaos dieser Millionenstadt perfektioniert.
Von wegen Brot und Spiele als übersättigendes Mittel gegen eine selbständig denkende Gesellschaft: In diesem Falle bot der Fussball ein schwer unterschätztes und deswegen über Jahrzehnte relativ gering kontrolliertes Trainigsareal für zivilen Ungehorsam.

Abdullah Cömert, Sirri Süreyya Önder und Gezipark Philharmonic

…na wer hätte das gedacht? in istanbul fliegen die fetzen. der souverän verhält sich ziemlich patzig und despotisch. das volk demonstriert herzhaft und bestimmt, verhält sich dabei jedoch relativ weise und weitsichtig. ein dickes bigup an meine leute in der türkei. in istanbul, ankara, izmir, balikesir, van, antakya, hatay und in vielen vielen städten mehr. es gab einige verletzte und leider auch einige tote schon. unter ihnen dieser junge mann hier:

Abdullah Cömert

Adullah Cömert

sein name ist abdullah cömert (cömert bedeutet übrigens: „grossherzig“, „grosszügig“) . er war gerade mal 22 und hatte sich an den protesten in hatay (nahe der syrischen grenze) beteiligt. seine autopsie besagt, dass er in der nacht des 3. juni 2013 keiner schussverletzung, sondern zwei gezielten schlägen gegen seinen kopf mit einem grossen, schweren gegenstand erlegen ist. die letzte sms, die er vor seinem tod noch sendete lautet wie folgt:

„die letzten 3 tage habe ich vielleicht 5 stunden geschlafen. unzählige male habe ich tränengasattacken überwunden. 3 mal bin ich direkt dem tod entkommen und wisst ihr, was die leute sagen: komm lass es sein! willst du das land alleine retten? ich sage: ja, und wenn nicht, dann werden wir dabei sterben.
ich bin körperlich am ende. 7 energy drinks und 9 schmerztabletten halten mich seit 3 tagen auf den beinen. meine stimme ist weg. aber heute war ich wieder um 6 uhr morgens auf der strasse. alles nur für unsere revolution!“

die menschen im ganzen land sind im aufruhr, denn der psychische, materielle und physische druck der letzten jahre entlädt sich nun in einer grossen eruption, und diese war eigentlich (so überraschend sie auch zu kommen schien) für halbwegs intelligente menschen schon lange vorauszuahnen. tayyip erdogan sollte eigentlich intelligent genug sein, aber anscheinend schafft er es nicht, diese kurve zu kriegen. dies wird sein baldiges aus bedeuten, denn er hat auch für seine kapitalistischen befürworter seine halbwertzeit schon längst erfüllt.

mal sehen, was sich jetzt als alternative entwickelt. mein wunsch wäre, die entstehung einer neuen ideologienübergreifenden partei, die die menschen eint und die gunst der stunde nutzt, um das land in richtung demokratie zu hieven. obwohl mein lieblingspolitiker vor ort ja immer noch sirri süreyya önder ist. der mann, der sich hier mutig den abrissmaschinen stellt und die polizei auf sehr bestimmte und intelligente art bloßstellt. ein künstler und filmregisseur, der sich der politik zuwandte, weil ihm nichts anderes übrigblieb. er wäre mein wunschkandidat:
https://www.youtube.com/watch?v=nrCssVsGVcQ

und als schmankerl noch ein wunderschöner konzertmitschnitt vom gezipark
https://www.youtube.com/watch?v=Pwj-seRPe30

konnte mir bei allen dreien die tränen nicht verkneifen!

Frage an die Redaktion: Ab wann wird man zum Diktator?

Wir überlesen es meisst und dadurch akzeptieren wir es automatisch. Das ist wie, wenn man beim Onlinekauf die AGB’s einfach ohne durchzulesen als akzeptiert wegklickt:

Bashar al Assad wurde früher in den Medien als Staatschef bezeichnet. Mitlerweile nur noch als Diktator. Ich bezweifle jedoch, dass sich seine politische Haltung in der Zwischenzeit wesentlich geändert hätte. Und wenn ja: wer vermag das zu beurteilen?

Weshalb also gerade jetzt eine andere Titulierung?

Extreme Persönlichkeitsmutation?

Der Stolz ist doch auch nur eine chemische Reaktion

Ich muß ja sagen, dass ich das Geheule der Deutschen ziemlich leid bin. Ja, ich kann schon konkreter werden: ich meine das Geheule um diese nationale Identität und den ganzen Schmo. Und wie sie alle darunter leiden, dass sie „vermeintlich“ nicht stolz sein dürfen, da ihnen jegliche Äußerung als Faschismusbekenntnis angerechnet wird. Deswegen stürmen sie in Scharen Konzerte von Ex-Nazibands, deren Bandleader sich ständig rechtfertigen für das, was sie tun und immer wieder beteuern, dass sie keine Nazis mehr sind, aber sich ihr natürliches Recht zum Nationalstolz nicht nehmen lassen wollen. Früher waren es die Böhsen Onkelz, jetzt ist es Freiwild. Die sind aus Südtirol wohlgemerkt, wo man wohl etwas lockerer mit Nationalismen umgeht. Sie importieren ihren Nationalstolz nach Deutschland und machen das große Geschäft, denn hier scheint es immer noch ein sehr großes Vakuum zu geben in der Hinsicht.
Also ich, als jemand, dessen Eltern aus einem Land kommen, in dem der bedingungslose Nationalstolz und der Faschismus so normal sind, wie die Marmelade zum Frühstück, muß sagen: Leute seid doch froh! Die Deutschen sind eines der wenigen Völker auf der Welt, deren Stolz eine sinnvolle Selbstzensur erhält. Das war wohl neben der Autobahn und dem Volkswagen eines der wenigen sinnvollen Resultate von Hitlerdeutschland.
Vor allem – Ihr könnt ja stolz sein. Ihr müßt nur erkennen, für was es sich lohnt. Ich geb euch mal nen Tipp: Wusstet ihr eigentlich, dass der einzige Vertrag zwischen Indianern und Weissen, der auch wirklich (bis zum heutigen Tag!) eingehalten wurde, von einem gewissen Freiherrn Otfried Hans von Meusebach unterzeichnet wurde? Diese Menschen sind mitte des 19. Jhd’s von ihren eigenen adeligen Landleuten beschissen worden, die ihnen Land, Betreuung und logistische Hilfe bei der Umsiedlung nach Amerika versprachen, haben sich mühevoll mit Kind und Kegel durch unwirtliche Prärie gekämpft und sich mit den Südstaaten-Rangers angelegt, weil sie nicht für die Erhaltung der Sklaverei kämpfen wollten. Sie haben sich in Friedricksburg/Texas mit den Commanchen arrangiert und feiern diesen erstaunlichen Vertrag immer noch jährlich mit einem Volksfest.

Auf solche Menschen bin ich zum Beispiel mal ordentlich stolz!

Info unter:
http://www.zeit.de/reisen/2012-05/fredericksburg-texas
https://www.youtube.com/watch?v=4oVNF8qQXiE