Entdecke den Clown in dir!

Also am unverständlichsten fand ich ja die Entrüstung in Italien, die gerade ihre Wogen schlägt. Da sagt der Steinbrück einmal in seinem Leben was sinnvolles, wenn nicht sogar sinnliches – und keiner weiss es zu schätzen:

Berlusconi und Grillo sollten mal zu ihrer Berufung stehen meiner Meinung nach. Der Beruf des Clowns ist doch wohl einer der wichtigsten und ehrenvollsten Lebensaufgaben, die einem Menschen vom Schicksal auferlegt werden können. Wenn wir uns den Beruf des Realpolitikers hingegen betrachten, was erblicken wir denn da? Meistens nur machtsüchtige, armselige Gestalten, die zugrunde gehen an ihrem Narzismus und ihrer Egomanie.
Steinbrücks Aussage trifft es meiner Meinung nach exakt auf den Punkt und nicht nur allgemein, sondern genau auf den Zeitpunkt bezogen: Beides sind Menschen, die gerade am Schnittpunkt, sozusagen am Übergang stehen, nämlich von dem einen Zustand in den anderen. Grillo war Komiker, Clown und würde zum Realpolitiker mutieren, bei Berlusconi geht die Reise hingegen nun endgültig in die andere Richtung.
Beide sollten zu ihrer ehemaligen und zukünftigen Aufgabe stehen. Es ist eine Ablöse, wie sie im Bilderbuche steht. Und wenn Steinbrück Kanzler wird, dann hat er vielleicht auch mal die Gelegenheit dazu, seinen inneren Clown zu entdecken. Wir wissen ihn schon lange als solchen zu schätzen. Im Grunde gibt es da doch nichts zu nölen, denn im Wesen eines jeden Menschen schlummert (Gott sei dank) „der Clown“.

Rösler, du hast es nicht anders verdient…

Liebes deutsches Volk

Du wählst nicht die FDP? Ja klar, kann ich schon verstehen. Deren Parteivorsitzender hat ja Schlitzaugen. nix gegen Schlitzaugen, aber… das ist übrigens mein liebstes Stereotypzitat aus der deutschen Gebrauchssprache: „nix gegen….., aber…..“

Jetzt hab ich jedoch gestern noch ein viel schöneres Zitat entdeckt: „ich weiss ja nicht, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren“ (Zitat FDP-Funktionär Jörg-Uwe Hahn – seines Zeichens Integrationsminister in Hessen!!!!!!) .

Ja sakradi! Das hat der wirklich gesagt! Integrationsminister des Landes Hessen! Der Hammer! Welch Zitat-schmankerl? So nach dem Motto: einen homosexuellen Aussenminister zu stellen ist schon grenzwertig genug und jetzt müssen wir dieser Gesellschaft auch noch einen asiatisch-stämmigen Parteivorsitzenden zumuten.
Ja so eine feine Gesellschaft, oder?!

Also ich bin ja so sehr leidenschaftlicher Hazardeur aus voller Überzeugung, dass ich, alleine aus reinem Protest, nur um’s diesem Jörg-Uwe Hahn zu zeigen, die FDP bei den nächsten Wahlen nicht nur gewählt, sondern auch noch Propaganda für Rösler gemacht hätte. Ja ich wäre jeden Tag mit Schnauzbart und FDP-Bikini durch das Münchner Schwulen-Szene-Viertel gelaufen……wäre da nicht diese komische Reaktion von Rösler auf den Hirnschiss seines Parteigenossen gewesen! Ich hätt‘ ja gesagt: der Jörg-Uwe kriegt jetzt ne Kopfnuss und einen tritt in die Eier, aber was hat der Rösler stattdessen gleich nochmal geantwortet?

Zitat Rösler:
„Jörg-Uwe Hahn hat als Integrationsminister in Hessen in den vergangenen Jahren erfolgreich gewirkt. Das zeigen auch die positiven Stellungnahmen aus den Verbänden der Menschen mit Migrationshintergrund. Jörg-Uwe Hahn ist über jeden Verdacht des Rassismus erhaben.“

…….. ??????

Was soll denn das jetzt heissen, Rösler Mann? Du bist ja so ein Opfer, das alles zu spät ist, alter! Echt ich sag’s dir: du hast hirmit einen deiner grössten Wahlkampfhelfer verloren. Schwör! ich geh‘ zu den Salafisten.

Yeah – Bericht aus der Türkischen Republik – Anfang 2013

So richtig Rock’n Roll sind se immer noch nicht die Türken. Irgendwie lustig, aber irgendwie auch gut angespannt. Allenthalben wird viel und laut geredet und auf den Tisch geklopft. Man sieht viel Waffen und Geballer – im Fernsehen, aber leider nicht nur inszeniert in Fernsehfilmen, sondern live in den Nachrichten (was nicht heissen muss, dass das nicht inszeniert ist, aber anders halt..ihr wisst, was ich mein). Politik wird auf der Straße gemacht. Und im Parlament hört es sich auch an, wie auf der Straße. Es gibt viele ungeklärte politische Morde und Vergewaltigungen an 13-jährigen Mädchen durch Männer im Alter ihrer Opas, die wiederum wegen guter Führung oder durch das strafmindernde Argument, es wäre „mit der Einwilligung des Mädchens passiert“ (!!!!!!!) früher aus dem Knast kommen. Verhaftungen am laufenden Band: Journalisten, Generäle, Anwälte, oder einfach nur Bürger, die sich getraut haben auf offener Straße dem Herrn Erdogan mal die Meinung zu sagen. Der widerum regiert hier nach Gutsherren Art und wird von den konservativ-islamistischen Massen (über 50 Prozent bei den letzten Wahlen) gefeiert. Also richtig spassig isses nicht.
Die wirtschafltiche Lage ist hingegen enorm spassig. Wenn ich hier Bauunternehmer wäre, dann hätte ich wohl auch mal richtig gute Laune. Die aberwitzigsten Luxusbauprojekte spriessen nur so aus dem Boden. Hier wird der Bosporus, dort Venedig im Kleinmaßstab nachgebaut. Ellenlange Werbespots im Fernsehen, in denen Päärchen glückselig über Monopolyfelder hüpfen zeugen von der Potenz der Bauherren (und das sind mit Sicherheit alles Herren – da ist keine Frau dabei, würd ich meinen).
Erfreulich ist, dass die Minderheiten immer ungenierter ihre Stimmen erheben und auch in den Medien zu Worte kommen. Kurden, Aleviten, Armenier. Letztlich wurde eine „Geschiche der kurdischen Kultur“ im Fernsehen beworben. So etwas kam früher kaum vor. Die konservativen Kemalisten meinen, dass das eine Strategie der neoliberalen konservativen Islamisten wäre, um die republikanischen Wurzeln des Staates und somit ihre eigene Machtbasis zu zersetzen. Womit sie auch sicher recht haben, aber sie hätten ja mal selber auf die Idee kommen können über die letzten Jahrzehnte, anstatt das halbe Volk zu martern und zu quälen, ganze Siedlungsgebiete im Osten zu zerstören und die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen, oder Kinder in Gefängnissen zu foltern.
Die Antwort beider Fraktionen auf jegliche Kritik, wie ich sie gerade bringe, ist immer dieselbe: „Der türkische Staat macht so etwas nicht. Das sind alles Provokationen der feindlichen ausländischen Mächte“. Welche genau, das wird nie benannt, denn im Grunde steht man ja im freundschaftlichen Verhältnis zu allen. Aber der gesellschaftliche Konsens in diesem Punkt wird auf eine erschreckende Form in den Medien festgelegt. Es fällt besonders auf, wie sich das politisch korrekte Vokabular von Tag zu Tag ändert. Werden soeben noch korrupte jüdische Geschäftsleute von rechtschaffenen nationalistischen jungen Männern per selbstjustiz in Kriminalserien im öffentlichen und privaten Fernsehen gelyncht und die Täter von bedauernden Polizeibeamten abgeführt, kann das im nächsten Jahr schon ein Ding der Unmöglichkeit sein. Das massive Kundtun von abstrusen Gerichtsurteilen in den monopolisierten Medien, wie zum Beispiel die Inhaftierung einer 21-jährigen Türkin aus Frankreich, weil sie das Konzert einer linksoppositionellen Musikgruppe besuchte und ihre Verurteilung zu fast 20 Jahren, gibt auch genaue Auskunft über die generelle Stimmung im Lande und dient als Drohung: „Mach kein Scheiss, sonst bist auch du dran und du weisst, dass die Justiz uns gehört! Also nimm dich in acht, wenn du einer Minderheit, der Opposition, oder einfach nur dem ’schwachen‘ Geschlecht angehörst!“
Um solche Normen durchsetzen zu können, sind gesellschaftliche Codes enorm wichtig, geschickt implementierte Codes und Vorgaben, nach denen sich die Mehrheit im Lande willfährig richtet – das fängt bei der Frisur an, setzt sich fort in Klamotten, korrekten Redewendungen, Humor, Formulierung der eigenen Historie etc. und setzt sich bis ins unendliche Fort – eine streng genormte Kommunikation, gut getarnt hinter einer angestrengten Gute-Laune-Präsentation, im Alltag, sowie in den Medien. Wer aus dem Rahmen fällt braucht ein dickes Fell, viel Vitamin B., oder hat irgend ein besonderes Talent. Am besten ist er oder sie Musiker, Sänger. Dann kann er sich alles erlauben. Darf aber nicht oppositionell politisch werden und somit seine Publikumswirksamkeit missbrauchen. Sonst landet er schnell im Off und wird gesellschaftlich isoliert. Und das ist in einem solchen Land das allerschlimmste.
Also im Grunde ist es fast so, wie in der DDR, bloß mit schickeren Autos und mehr scharfe Sosse! Deswegen würde dem Land eine gute Portion amtlicher Punk Rock mal richtig gut tun. So à la Toy Dolls oder Sex Pistols – vielleicht sogar mit Takva Bärten und auftätowierten Koransuren, oder im Stile der transsexuellen Diva Bülent Ersoy, nur mit etwas krasserem Sound: https://www.youtube.com/watch?v=HvaF4LVa4Os
Aber lasst euch nicht von mir zuschwallen, überzeugt euch selbst. Es gibt natürlich auch positive Aspekte: Sonne, Mond und Sterne… (wie Claudia Roth das vor ein paar Jahren so schön formuliert hat). Alles in allem trotzdem ein sehr schönes Land. A bissi fehlt halt der Punk Rock!

Mit dem Dolmuş nach Bostancı

Der Taxim Platz in Istanbul - so um die 40'er rum

Der Taxim Platz in Istanbul - so um die 40'er rum

Januar – Die Nacht in Istanbul ist feuchtkalt. Richtig eklig. Der zentraleuropäische Orientromantiker stellt sich das ja ganz anders vor, vom Klima her. Dem ist aber nicht so. Der Winter hier kann richtig unangenehm werden. Die typisch Istanbuler Nostalgiestimmung passt wunderbar zum Feuchtigkeistnebel und der Dunkelheit – das gibt dann diese ganz spezielle Mischung, die mich immer so fasziniert. Ich laufe auf der Istiklal Strasse im Stadtkern umher – hier gibt es immer absurde Szenen zu bewundern. So zum Beispiel diesen Typen mit Supermankostüm und grüngefärbten Haaren und Gesicht. Eine Mischung zwischen Hulk Hogen und Superman. Nur, dass auf seiner Brust der Schriftzug SUPER FAKIR prangt. Das Wort Fakir kann im türkischen aber sowohl den indischen Fakir bezeichnen, den man auch im deutschen so kennt, ebenso aber auuch das Adjektiv „arm“ bedeuten. Also entweder ist der Typ einer der vielen Werbeträger für irgendein – für mich unbekanntes – Produkt, oder er ist politischer Aktivist.
Grund zum Aktivismus gäbe es hier ja reichlich.
Wir gehen stattdessen erstmal gut essen und Rakitrinken. Und zwar in ein empfohlenes Fleischrestaurant namens Pala am Rande des Ausgehviertels Beyoglu. Treffe mich mit guten Freunden. Sie erzählen mir von den großen Bauvorhaben am Taximplatz und dass die Regierung dort eine weitere repräsentative Moschee bauen will und natürlich ein Einkaufszentrum. Der ganze Platz soll eine Fußgängerzone werden, was wohl eine der wenigen positiven Aspekte des ganzen Bauvorhabens ist. Momentan wird die Innenstadt von weiträumigen Absperrungen und Baustellenabgrenzungen dominiert und viele Menschen sind sichtlich genervt von dem ganzen.
Einer meiner Freunde erzählt mir eine Anekdote: Der Taksim Gezi Park, der im Zuge dieser Umbaumassnahmen total überbaut werden soll, war früher einmal ein armenischer Friedhof. Bis zum Ende des 19. Jhd’s war dieses Gebiet kaum attraktiv, weil es sich ausserhalb der damaligen Stadt befand. Die osmanische Stadtverwaltung hatte die armenische Gemeinde dazu überredet ihre Ansprüche an dem Grundstück zugunsten eines Kasernenbaus aufzugeben. Nun nach etlichen Jahren, nachdem das Kasernengebäude abgerissen wurde und das Areal jahrelang als öffentlicher Park diente, ist es dort stockdunkel, die Strassenbeleuchtungen sind von der elektrischen Versorgung abgeschnitten, in der Nacht laufen schnüffelnde Strassenjungen und obdachlose Kleinkriminelle herum und betteln die Passanten an, denn für diejenigen, die in der Gegend ums Șişli-Viertel im Norden leben, ist der Weg durch den Park der einzig mögliche, um in die Innenstadt zu gelangen. Deswegen sind wohl auch Sondereinheiten der Polizei mit Maschinengewehren dort stationiert, um die Sicherheit zu wahren.
Ein Freund von uns – Antonio Cosentino (armenisch-italienischstämmiger Künstler aus Istanbul) ist vernarrt in den Park. Er lädt seine Freunde seit Jahren in den wärmeren Monaten regelmässig ein, dort zu Picknicken und im Gras dem müßiggang zu frönen. Dabei ermuntert er sie alle mit der Aufforderung: „Kommt freunde, das hier ist unser Land – hier liegen meine Vorfahren seit Jahren herum. Macht es euch auch gemütlich, bitteschön“.
Na ja – irgendwann um 3 Uhr morgens wandern wir dann unseren Routineweg vom Peyote (meinem Lieblingsclub) zum Sammeltaxistand am Taximplatz, denn ich muss noch auf die anatolische Seite nacht Bostancı, wo meine Familie eine kleine Wohnung hat. Die Fahrt dauert im normalfall tagsüber midenstens eine Stunde, meistens aber immer länger, wegen Staus etc. Nun in der Nacht, dauert es keine 15 Minuten, diese gigantische Stadt einmal zu durchqueren – über den Bosporus in Lichtgeschwindigkeit – durch die feuchtkalte Istanbuler Nacht. Das Großstadtleuchten um uns herum, die geräumige Urbanität, die Allgegenwärtigkeit ihrer turbulenten Geschichte schließlich und endlich das Gefühl, wahrlich zu existieren, in einer wahrhaftigen, lebendigen Stadt überwältigt uns. Der Raki auch. Kurz bevor wir einschlafen, sind wir in Bostanci angekommen.

Das Produkt im postneoliberalen Funktionssystem und seine Wirkung auf den Eigenwert des menschlichen Wesensprinzips

Das Produkt ist ja ein Begriff, der mit dem Beginn der industriellen Wirtschaft geprägt wurde und bezeichnet die manuelle oder serielle Herstellung eines Gegenstandes, der im Idealfalle einem Verbraucher bei der Bewältigung eines privaten oder beruflichen Vorganges dienlich ist. Das Produkt wird also vom Käufer im Austausch gegen einen monetären Betrag X bezogen und benutzt, nicht wahr? So einfach ist das.
Nun kam aber schon sehr früh das Produktdesign ins Spiel, das aus alltäglichen Gebrauchsgegenständen eigenständige Organismen macht und deren Gebräuchlichkeit immer mehr zu Gunsten einer überproportionierten Suggestion von Sinn und Wert in den Hintergrund rückt. Stattdessen entfaltet das Produkt mithilfe von Design und Marketing sein eigenes Universum, in das wir eintauchen können. Im Grunde haben wir aber die Option dazu schon lange nicht mehr, denn jede Generation wird mittlerweile in eine eigene Ära von Produktwelten geboren. Wobei man natürlich auf der einen Seite auch die Leistung des Produktdesigns dankbar anerkennen muss, denn sie hat Kulte erschaffen und viel Leben in den tristen Kapitalismus gebracht.
„Produkt“ ist ein sehr entscheidender Begriff im Leben eines postmodern verwurzelten Lebewesens. Ich sage ganz bewusst nicht „Mensch“, sondern „Lebewesen“, denn die Auswirkungen dieses Phänomens machen sich nicht nur im menschlichen Leben bemerkbar.
Der Mensch macht nämlich u. a. andere Lebewesen zu Produkten – im Wesentlichen schreckt er auch nicht davor zurück, sich selbst zum Produkt zu machen, während er genau das Gegenteil behauptet. Das göttliche in seinem Wesen wird somit einem marktorientierten Gedanken geopfert und gewinnt an normativen Wertzumessungen, je mehr es sich den Vorgaben des Marktes fügt.
Vermeintlich gibt es ja ein Funktionsprinzip „Markt“, der auch nach vermeintlich naturgesetzähnlichen Grundlagen funktioniert. Solange man ihn frei walten lässt – so die allgemeine Auffassung in der politischen und wirtschaftlichen Fachwelt – kann man sich auf die selbstregulierenden Prinzipien des Marktes verlassen, denn er ist ja ein weltweit freier. Also im Grunde könnte ja theoretisch und prinzipiell jeder Weltenbürger seine Produkte ohne Einschränkungen überall anbieten und auch einkaufen, wo er mag. Dies ist im Wesentlichen das neoliberale Prinzip, das man spätestens dann verinnerlicht hat, wenn man im Einkaufswagen der Mamma sitzend an der Kasse im Supermarkt nach dem Überraschungsei schreit. Dieses Prinzip bestimmt – mehr als je zuvor –die Entwicklung des menschlich dominierten Universums.
Soweit so gut. Die Realität sieht aber anders aus. Im Grunde ist das neoliberale Prinzip nämlich völlig für‘n Arsch (mal salopp ausgedrückt). Es lebt nämlich faktisch davon, dass eine Masse an Menschen versucht, zu der Minderheit zu gehören, die die anderen so dermaßen verhanepipelt, dass alles zu spät ist. Und darin liegt eben der entscheidende Knackpunkt: Eine Masse bedeutungsloser Versager versucht – rund um die Uhr überall auf der Welt -sich in die Minderheit der gewieften Superchecker zu hieven (was rein mathematisch zur Zufriedenheit aller Teilnehmenden schwierig durchzuführen sein sollte). Sehr viele nehmen dafür jedoch viel in Kauf: Essen schlechtes Essen, nehmen ungesunde Arzneimittel und sonstige Substanzen, lassen sich schlagen, missbrauchen, demütigen, bevormunden, psychisch und körperlich versklaven, benutzen und und und…
Wir alle kennen das – das muss man ja hier nicht detailliert ausführen, nicht wahr? Darum geht es mir auch gar nicht. Mir geht es um etwas ganz anderes. Ich behaupte, dass die Menschen die selbstlose Akzeptanz von all diesem Leid nur auf sich nehmen, weil sie im Eifer, ein dominanter Teil dieses Verarschungssystems zu werden, so menschliche Werte wie Verstand und Würde völlig über Bord werfen. Als Brandbeschleuniger naht auch schon die nächste Illusion – nämlich die, dass sich eben dieses Sklavenleben im Kreise der wenigen Gewinner besser ertragen lässt. Dies ist meiner Meinung nach ein fataler Irrtum! Ich bin mir z.B. sicher, dass Alfons Schuhbeck eine depressive Heulsuse ist (zumindest schmeckt das Essen in seinem Theatro danach).
Wie kann man es sonst erklären, dass Menschen vor I-Stores in China Ausschreitungen begehen, nur weil der Verkaufsstart des neuesten I-Phones verschoben wurde? Oder Kunden in den USA sich um den ersten käuflich erwerblichen neuen Nike Air Jordan prügeln? Instinktiv will man doch dem Produkt und damit den Gewinnern im System so nahe kommen wie möglich. Genauso wie Fans ihrem Popidol immer so nahe wie möglich sein wollen. Das erklärt auch den Grund, warum all diese (vor allem weibliche) Fans von Popstars so herzzerreißend weinen: sie sind ihnen zum Anfassen nahe und wissen gleichzeitig ganz genau, dass sie in der nächsten Sekunde wieder in der Vergessenheit versinken werden. Eigentlich weinen da Millionen Egos um den verlorenen Triumph. Jedoch werden sie in diesen Momenten auch ein Stück weit Erwachsen, aber gleichzeitig verdient ihr geliebter Star und seine Agentur in diesem Moment auch das meiste Geld mit der Verzweiflung. Der Popstar ist genauso ein Produkt wie jedes andere auch. Das Produkt ist somit kein gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand, oder ein Vehikel zum Erfolg, sondern viel mehr: Es ist das Symbol des entmenschlichten Triumphes, nämlich des Triumphes eines ganzen Funktionssystems, in dem der Mensch nur noch als benutzbares Objekt Sinn macht. Der menschliche Sinn, oder die Sinne stehen dabei in zweiter Reihe bereit – als Marketingfaktoren, zu Diensten des eben genannten Prinzips (benennen wir es einfach mal als „postneoliberales System“), dass nicht mehr für die Menschen und schon gar nicht für die Menschlichkeit arbeitet, sondern – wenn die Menschen erst mal ihre Existenz an Androiden abgegeben haben – ohne sie genauso gut, wenn nicht sogar viel besser funktioniert.
Darauf läuft es doch hinaus. Im Endeffekt dient also das Produkt nicht dem Menschen, sondern der Mensch dem Produkt. Aus basta! Is ja auch nicht so wild – man muss es ja nur klar formulieren, weisste?

Erschienen in der 14. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (Januar 2013)
www.gaudiblatt.de

Das Produkt als Lebenstraum

Wenn er nicht vor einem Jahr verstorben wäre, dann wäre Steve Jobs jetzt irgendwann mit einer riesigen spezialangefertigten Edelyacht namens „Venus“ auf eine Weltreise um die Welt gestartet. Es handele sich dabei um eine I-Yacht, die von I-Macs gesteuert würde und zudem wäre es designed vom Stardesigner Philippe Starck, so munkelt man. Ein irres Ding. Sieht aber nicht sehr venusmässig aus – ich weiss nicht, ob ich mit meiner Frau, tausenden I-Macs und ewig viel Personal monatelang alleine sein wollen würde da drauf. Aber wenn so ein CEO sich mal mit seiner Firma identifiziert, dann kann sowas schonmal passieren – auf jeden Fall hart designed vom Philippe.
Na ja – Firmen und ihre Produkte sind eh die Rockstars der heutigen zeit. Ich mein, wie oft hört man bitte von Massenschlägerein vor einem Applestore in China, oder beim Verkaufsstart vom neuen Air Jordan? Irre nicht? Prügeln sich Leute um einen Turnschuh! – vor allem nicht, weil es ihn so selten gibt. Ganz im Gegenteil. Er wird ja millionenfach in Serie hergestellt. Man prügelt sich lediglich um die ersten, die zum Verkauf stehen.
So schaut’s aus: die Firmen prügeln sich um die Kunden – die Kunden um die Produkte. Marketing ist brutal heutzutage. Der Markt ist hart umkämpft! Und warum macht man den ganzen Käse? Damit es einem gut geht und man sich ab und zu was Gutes gönnnen kann – einmal mit einer coolen Privatyacht um die Welt fahren zum Beispiel!

Danke Markus!

Markus Lanz, Tom Hanks, Wetten dass...?

Tom Hanks macht sich lustig über Wetten dass...? mit Markus Lanz - Ja, was wundert ihr euch denn? Irgendeiner muss es ja mal machen!

Deutschland ist ein interessantes Land!
So allmählich begreife ich es endlich. Ich begreife Deutschland!
In Schüben ereignen sich in mir grosse innere Schritte im Verständis für das Wesen der hiesigen Kultur. Das hat aber mit Integration oder so nix zu tun Leute, wirklich! Relaxt euch mal! Der Begriff ist für mich eh völlig überholt und war auch nie der richtige gewesen nicht. Es geht vielmehr um ein tiefes Verständnis innerer Seelenwelten.
Nehmen wir zum Beispiel Markus Lanz. Er hat mit seinem über 3-stündigen „Wetten Dass…?!“-Marathon ein ganz klares Bild deutscher Lebens- und Empfindungswelt zum Vorschein gebracht. Ein enormer Typ – wirklich! Unbeirrbar konzeptgebunden bis in die letzte Pore seiner Persönlichkeit – ein vom Menschen mutiertes Medienkonzept, aber auch konzeptgewordene kollektive Volksseele. Interessant ist jedoch, was sich während so einer Fernsehsendung – in der sich vorgefertigte feste Muster und Rahmen aneinanderreihen und verselbständigen, ja sogar humoristische Einlagen minutiös durchstrukturiert erscheinen – trotzdem so alles offenbart.
Wißt ihr was die Schlüsselszene für mich war? Natürlich die Katzenmütze auf Tom Hanks‘ Kopf! Sie steht für alles: Sie steht für die Verluste im Russlandfeldzug und Hanns Martin Schleyer, sie steht für die Uneinbarkeit des Landes, für die Fehler von Helmut Kohl und die unerträgliche Leichtigkeit Helmut Schmidt’s.
Die Unbeirrbarkeit mit der Markus Lanz dann noch im Sack um Hanks herumhüpft erinnert mich stark an die stur-verlogene Zusammenarbeit des BND mit kriminellen nationalsozialistischen Zellen. Denn sie besagt doch nur eines: Man ist ja nicht blöd! – Auch Markus weiss in dem Moment, dass das einfach nicht geht, was er macht, aber die Absurdität der Situation gibt ihm die Kraft, die Autosuggestion einer legitimen Pflichterfüllung weit über das normalsterblich-menschliche hinaus zu steigern. Und wenn es peinlich wird, dann eh nur für die Öffentlichkeit, aber nicht für ihn, denn er hat mehr als alles gegeben. Er mußte es tun. Das ist sein Lebensmotor! So wie beim Führer damals halt auch.

Ja – das alles wurde mir klar, als ich in meiner Neugierde über all den Medienrummel mal im Internet „Wetten Dass..?!“ nachgeguckt habe. Ich muss sagen: Es war eine Offenbarung!

Danke Markus!

Erschienen in der 14. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (Januar 2013)
www.gaudiblatt.de

Rechtsextremer Schornsteinfeger verliert seinen Kehrbezirk

Rechtsextremer Schornsteinfeger verliert seinen Kehrbezirk

Vokuhila alleine reicht halt noch lange nicht!

Die Schlagzeile in Zusammenhang mit diesem Bild ist ja schon ein Bonbon der Alltagskomik. Für diejenigen unter euch, die sich mal richtig amüsieren wollen, gibt es aber auch noch diesen Artikel:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/urteil-rechtsextremer-schornsteinfeger-verliert-seinen-kehrbezirk-a-865937.html

New York, London, Paris, Munich…

Pop Pop Pop Müsik

Pop Music von Robin Scott alias „M“ – Das Video könnte glatt als Werbung für die Münchner Stadtwerke durchgehen.

Als ich klein war gab es einen Charthit, der hieß: „Pop Music“. Ich wußte nie von welchem Interpreten. War mir auch Wurst. Ich mochte den Song. Jetzt, während ich den Artikel hier schreibe, bin ich meiner Neugierde erlegen und hab‘ nachgesehen: Die Band hieß „M“ und kam aus England: „Pop pop pop music, everybody’s talkin‘ bout pop music“. Vor allem die Tatsache, dass der Name meiner Heimatstadt München prominent in einer Textzeile auftauchte hatte mich begeistert: „New York, London, Paris, Munich – everybody’s talkin’bout Pop Music – Talk about: Pop Music – Talk about: Pop Music – dum dadadaaadaaaaa dumm dadadaaaadaaaaa….“
Die 70’er habe ich leider nicht so ganz bewusst erlebt, dafür war ich zu klein. Aber es muss großartig gewesen sein. Freddy Mercury im Glockenbachviertel, Giorgio Moroder im Musicland Studio, Mick Jagger und Keith Richards besuchen Uschi Obermeier in Schwabing, Livemusikjazzwahnsinn in der Occamstrasse und solch‘ne Sachen.. Gott wie gerne hätte ich diese Luft mitgeschnuppert.
Dabei war ich einer derer, die dieses Paradies mit ihrem Massengeschmack bald austrocknen sollten: Ich war fanatischer Hip Hop Fan der ersten Stunde und hätte zusammen mit meinen pupertären Genossen fast einen Laden in der Occamstrasse auseinandergenommen, als „Grandmaster Flash and the Furious 5“ kurzfristig ein Konzert absagten und die unsäglichen „Münchner Freiheit“ als Ersatzact auftreten sollten mit eckigen E-Gitarren, blonden Glamrockmatten auf‘m Kopf und bunten Aerobic-Hosen am Arsch! Ging halt gar nicht.
Dennoch kann sogar ich als Old School Breakdancer von einer Textpassage in dem Hit „Planet Rock“ von Africa Bambaataa & The Soulsonic Force berichten. Da wurde wieder einmal neben den bekanntesten Weltmetropolen auch München aufgezählt, und zwar in der legendären Passage: „Munich rocks the Planet Rock“. Da machte das Electric-Boogie-Zappeln spaß! Aber dann kamen die 90’er und haben uns schnell zu verstehen gegeben, dass es nun wirklich zu Ende war mit der Musikmetropole München (ohne Dj Hell jetzt zu nahe treten zu wollen…).
Es gibt jedoch noch Relikte von Authentizismus aus der guten alten Zeit, die in den trockenen Jahrzehnten die Freakflagge unbeirrt hochgehalten haben, aber man muss schon genauer hinsehen, um sie wahrzunehmen. Kennt ihr z.B. diesen dürren, älteren, bebrillten Mann mit den strähnigen, leicht verfetteten und schon graumelierten Haaren – in der einen Hand die obligatorische Jutetüte, aus der er unaufhaltsam seit Jahren seine selbstgebastelten A4-Plakate zieht und an die Wände klebt? Oft hat er nicht genug Tesafilm dabei und hängt seine Konzertwerbemittel einfach an einem Eck unterhalb eines anderen Plakates dazu, den Rest des “fremden“ Tesastreifens verwendend. Die Plakate, die er entwirft sind im multiplen Fotokopierverfahren entworfen, mit Zeitungsausschnitten, Fotos von MusikerInnen und dem unverwechselbaren Schriftzug eines Bandnamens versehen: „Embryo“.
Der unscheinbare Mann heißt Christian Burchard und steht seit Jahrzehnten hinter dem Vibraphon und wackelt hippiemässig mit dem Kopf, während er die komplexesten Melodien spielt, die er aus dem afghanischen, pakistanischen, indischen, oder türkischen Musikraum rezitiert und mit seinem eigenen Krautjazzformat mischt. Die Band funktioniert im Grunde wie ein natürliches Biotop. Myriaden von talentierten MusikerInnen kommen und gehen. Die Besetzung verändert sich ständig und ist immer wieder gespickt mit Gästen aus aller Herren Länder, darunter Jazzgrößen wie Mal Waldron und Charlie Mariano, oder junge Pophelden wie Nick Mc Carthy von Franz Ferdinand u.v.m.
Seit 1969 existiert die Band und ist seit je her mit demselben Eifer unterwegs, in Europa, Asien und Afrika, gibt seit Jahren ihr Wissen an musikinteressierte Menschen weiter und hat vor kurzem erst eine Antologie zum 40’sten Bandbestehen auf Trikont herausgebracht, die übrigens erstklassig geworden ist, wie so ziemlich alles, was ich bisher an Produktionen von Embryo bezogen habe (http://www.embryo.de).
Aber wozu erzähle ich das alles denn? Im Grunde, weiß ich doch, was jetzt die Mehrheit von euch denkt: „Embryo? Willst du uns jetzt was über die alten Hippies erzählen?“. Mit Verlaub ja – weil ich diese Phase der deutschen Musikgeschichte besonders interessant finde. Vor allem, wenn man sich mal ansieht, welche Rolle München in ihr spielte. Bands wie Ammon Düül und Embryo sorgten regelmäßig für Bewegung. München galt neben Köln und Berlin als eine Hochburg des sogenannten Krautrock.
So vergingen und vergehen die Jahre und Millionen von Stunden in den Übungsräumen und Studios dieser Stadt. Viele von uns, kennen solche Typen, die seit Jahren tagein tagaus sich nur mit Musik beschäftigen, sich freuen über jeden kleinen Gig, an dem sie ihr Können präsentieren können und zufrieden sind mit ein paar Groschen für ihr Lebenswerk. Diese Menschen will ich an dieser Stelle mal würdigen, denn sie sind die Antriebsmotoren für das, was meiner Meinung nach zu den wichtigsten Gütern einer modernen Kulturmetropole zählt (abgesehen davon, ob man München als eine solche sehen will, oder nicht), nämlich die Livemusikkultur.
Um eine solche angemessen gedeihen zu lassen, bedarf es meiner Meinung nach nicht nur der Bühnen und Übungsräume, sondern auch einer lebendigen Szene. Eine solche braucht Orte, an denen sie sich zuhause fühlt. Eine Umgebung, in der die Akteure nicht nur als Mieter, Darbieter und Dienstleister ihr Dasein fristen, sondern als ein wesentlicher Bestandteil einer ureigenen Stadtkultur, als Teil eines lebendigen Organismus glänzen können – eines Organismus, der ständig wächst, wuchert, neue Triebe entwickelt. Orte, an denen man einfach mal sein kann, wer und was man ist.
Ohne das gibt’s eben keinen Planet Rock!

Erschienen in der 13. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (September 2012)
www.gaudiblatt.de