Die Flucht vor dem eigenen Glück

Steht man im hier und jetzt, dann ist man rücksichtslos.
Denkt man ständig an seine Zukunft, dann lebt man nicht wirklich.
Beschäftigt man sich mit Geschichte, dann ist man zu nichts nütze.
Versucht man alles ganzheitlich zu sehen, dann ist man überfordert.
Denkt man an nichts von alledem, ist man oberflächlich.

Vielleicht hilft es ja, wenn man mal so und mal so lebt – also all die Perspektiven nacheinander, statt nur eine von ihnen, oder alle auf einmal? Wäre das nicht schlauer? Aber dann wird einem sicher eine mangelnde politische Haltung vorgeworfen?

Irgendwo lauert immer ein Defizit.
Man lebt ja so oder so… „trotz“, oder sogar „erst recht“ mit Defizit. Auf formeller Ebene natürlich nicht. Auf der Oberfläche sieht es bei den meisten oft tip top aus, aber in unserem Inneren? Da kanns schonmal zugehen, wie in einem Steinbruch. Ich wage zu behaupten: je mehr man sich um seine Oberfläche bemüht, umso schlimmer sieht es innen aus. Das ist im privaten kaum verkraftbar. In der Businesswelt zum Beispiel, da kann alleine der Gedanke an ein Defizit verheerende Auswirkungen haben – in Dimensionen, die das Egokonstrukt des*der Einzelnen ums zigfache übersteigt. Ein sprürbares, geschweige denn ein sichtbares Defizit kann in kürzester Zeit das gesellschaftliche Gleichgewicht kippen! Und Schwupps sitzen wieder die falschen Leute im Europaparlament.

Deswegen: geht bitte wählen! Lasst uns die wenigen Möglichkeiten, die wir als Europäer*innen haben, unsere Privilegien sinnvoll zu nutzen, nicht an uns vorüber ziehen. Geht europawählen! Das ist der einzige Weg, Nazis das Maul zu stopfen: indem man wählen geht.

Es herrschen wieder einmal viele Kriege in der Welt. In Gaza werden Flüchtlingscamps gebombt. Die Menschen sterben jeden Tag wie die Fliegen. Hier ein statistischer Überblick:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegen-israel/

Für alle Whataoboutist*innen: die Statistik beinhaltet „alle“ Opfer.

Es ereignet sich dort ein militärischer Einsatz gegen eine hochgefährliche terroristische Organisation, die man jedoch seit Jahrzehnten mit Hilfe von Subventionen aus Katar hochgepäppelt hat mit der illusorischen Vorstellung, sie gegen eine demokratische politische Entwicklung in den palästinensischen Gebieten nutzen zu können. Wie schon so oft in der Menschheitsgeschichte geschehen, wendet sich das heiße Eisen nun gegen einen selber. Für einen rücksichtslosen Machtpolitiker wie Netanyahu ist das die einmalige Gelegenheit, sich über die Einwände der Opposition im eigenen Land hinweg zu setzen und sie Mundtot zu machen – auch um schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen zu entgehen. Genau so funktioniert Machtpolitik seit jeher. Nichts hat sich geändert. Julius Cäsar hatte es damals in Gallien nicht anders gemacht. Der daraus resultierende Krieg wird nun ohne Rücksicht auf die Bevölkerung auf beiden Seiten geführt. Die eh schon strukturell schwache palästinensische Bevölkerung leidet jedoch in einem kathastrophalen Ausmaß. Sie ist dem Bombenhagel komplett ohne Schutz ausgeliefert. Über 36.000 Menschen sind dort gestorben. Man stelle sich vor, das würde hier in Zentraleuropa innerhalb einer so kurzen Zeit passieren! Was wäre da wohl los?

Es ist unwirklich.

Nun erklären einige europäische Staaten, sie wären dazu bereit eine Zweistaatenlösung mit einem unanbhängigen Palästina zu akzeptieren. Im Shitstorm dagegen fallen Argumente wie: „Soll man die jetzt auch noch belohnen für ihren gewaltsamen terroristischen Übergriff?“. Nein! Man belohnt sie nicht, denn die Hamas ist ebenfalls gegen eine Zweistaatenlösung. Die Hamas ist eine antisemitische radikale terroristische organisation, die Israel abschaffen will. Nun meine Frage: wie konnte man mit solchen Leuten über Jahrzente kooperieren? Das alles ist möglich, wenn man rein machtstrategisch vorgeht. Und diesen Vorwurf muss sich die israelische Regierung seit dem Tod Itzak Rabins leider gefallen lassen.

Es führt mich wieder zurück zum Titel dieses Blogeintrages: das Glück. Wieder einmal zeigt sich, dass weder die großen Weltreligionen noch die auf Nationen basierende Weltordnung uns helfen, unser Zusammenleben zu regeln, denn sie fokussieren sich weniger auf das kollektive Glück, als viel mehr auf die kollektive Angst und vor allem auf die Schuld. Die Religionen mögen meinetwegen Menschen auf individueller Basis helfen, mit ihrem Dasein im Universum klar zu kommen. Aber darüber hinaus bieten sie wenig Visionen und Lösungsansätze für gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen der Menschheit. Im Gegenzug okkupieren sie aber enormes materielles und ideelles Potenzial.

Wir benötigen ein völlig neues Identifikationsmodell, dass sich löst vom althergebrachten Machtkampf zwischen den abrahamitischen monotheistischen Lehren und den nationalidentitären Konstrukten. Stattdessen müssen wir uns zunächst einmal auf unser kollektives philosophisches Selbsverständnis als Menschen zurückbesinnen, das uns spätestens seit Ende des 19. Jhd’s vollkommen abhandengekommen ist. Dieses menschliche Selbstverständnis muss über allem stehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die historische kontextualisierung, die gerade streng verteufelt wird. Es ist anscheinend respektlos und unangemessen, die politischen Vorgänge der letzten Jahrzehnte – nicht nur im Nahen Osten – in einen historischen Kontext zu setzen. Das passt einigen Leuten und das betrifft nicht nur die aktuellen Konfliktparteien. Denn wenn man den histirischen Kontext sucht, dann erklären sich womöglich Konflikte eigentlich von selbst, deren Entstehung immer noch sehr diffus wirken. Die dominierenden politischen Kräfte inklusive die Nachfolger der damaligen Achsenmächte und Alliierten des 1. Weltkrieges müssten dann zu ihrer politischen Verantwortung stehen, denn im 1. Weltkrieg wurde nämlich so einiges verbockt, was uns jetzt weltpolitisch auf unsere empfindlichen humanistisch-westlichen Füßchen fällt. Da will man natürlich nicht groß auffallen, denn das würde schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen – auch wirtschaftlich. Wesentlich einfacher ist es dann doch, weiter bomben zu lassen. In anbetracht dessen wiegt aus machtpolitischer Warte der Tod von über 36.000 Menschen fast federleicht – vor allem, wenn es sich um die Bevölkerung des Gazastreifens handelt, denn ob man es akzeptieren will oder nicht: aus der rassistischen Perspektive, die leider in den meisten Köpfen in Europa herrscht, ist ein Menschenleben dort wesentlich weniger Wert, als eines in der sogenannten „westlichen Welt“. Let’s face it!

Dessen sollte man sich bewußt sein. Jeden Tag!

Mein Herz ist schwer. Auch wenn ich es mir nicht ansehen lasse. Ich denke, da geht es vielen so gerade. Das geistreiche Schreiben fällt mir deswegen schwer. Nehmt es mir also nicht übel, wenn meine Blogeinträge seltener geworden sind in letzter Zeit.