Marginalisierung?

Wie geht man heutzutage elegant mit Faschismusvorwürfen um? Man kokettiert mit ihnen. So wie es letztens die israelische Justizministerin gekonnt vorgeführt hat:

Sie tritt selbstherrlich auf: ein bisschen Sex Appeal, ein bisschen Vanity Fair. Faschismus? Der Befriff wird ad absurdum geführt. Der Begriff ist dehnbar geworden. Wenn es den eigenen völkisch-identitären politischen Interessen dient, ist es kein Faschismus mehr. Er ist wie ein Parfum, das etwas markant riecht. Man kann sich immer mit dem individuellen Geschmack rechtfertigen, ja diesen sogar besonders in Szene setzen. Man hat ja schließlich seit der Beendigung des letzten offiziell so genannten „Weltkrieges“ fast 65 Jahre Zeit gehabt an den Geruchsnuancen zu arbeiten.

Die Zeit ist reif, meine Damen und Herren! Der Weizen trennt sich wieder von der Spreu. Man sollte ab jetzt den Statements in seiner Umgebung aufmerksam Gehör schenken. Mir kommt es so vor, als würde ich nun genau das verspüren, was ich bisher nur aus Geschichtsbüchern kannte. So muss es wohl früher auch gewesen sein: Faschistische, rassistische, frauen- und queerfeindliche Statements werden verharmlost, meist von Menschen, die es gar nicht so böse meinen. Ganz im Gegenteil: es sind oft die, die sich ganz besonders um die Gesellschaft sorgen. Es sind die Sensibelchen, die lieben Menschen. Sie wollen nicht, dass es zu Schlagabtauschen kommt und nehmen übereifrig die regulierende Position ein.

Ja, sie empfinden sich als die liebenswürdigen Streitschlichter und wollen jeder Seite gleichermaßen entgegen kommen. Das führt dazu, dass sie krasse Aussagen – vor allem aus rechtskonservativen Kreisen – relativieren. Wie zum Beispiel letztens den dummen Karnevalswitz der Parteivorsitzenden der CDU (die hoffentlich bald in den Annalen der Partei versinken wird), in welchem sie unverhohlen transgenderfeindliche Äußerungen von sich gab. Es wäre gute alte Tradition, aktuelle Themen am politischen Aschermittwoch aufs Korn zu nehmen. Man dürfe sich da nicht so aufregen.

Es wird so getan, als handele es sich einfach nur um ein etwas komisch riechendes Parfum. Es ist auf keinen Fall Lebertran! Es ist eine Frage der persönlichen Präferenz. Es wäre geradezu antidemokratisch, diesen speziellen Humor nicht als solchen anzuerkennen und stattdessen eine politisch böswillige Aussage darin erkennen zu wollen.

Ausserdem:
„Das ist Tradition! Politischer Aschermittwoch! Hallo!“
„Also ich mag die ja auch nicht besonders, aber in diesem Falle, muss ich sie wirklich in Schutz nehmen.“
„Mit der Überbewertung solcher Lappalien, schadet man dem demokratischen Diskurs nur noch mehr.“
„Haben wir in diesem Land wirklich nicht ernstere Themen zu besprechen? Die Wirtschaft zum Beispiel.“

Kaum ist die Diskussion einigermaßen abgeebbt, bringt jedoch der Chef der Jungen Union genau die Verunglimpflichungen, die seine Parteichefin noch als ironischen Aschermittwochsscherz abgetan hat, bei einer Ansprache auf dem JU-Deutschlandtagb in Düsseldorf. Diesmal ist kein Karneval und es ist auch kein Scherz. Der Knabe meint das Bitterernst:

https://www.queer.de/detail.php?article_id=33214&fbclid=IwAR0xfzcxCoIN8DVE8kvovZ-wJlaoG-2n1s1I0kPBR_89H3H-XCF1nHDg6KI

Nein! Wir haben kein wichtigeres Thema! Rassismus, Faschismus, Marginalisierung von gesellschaftlichen Gruppen. Das sind die wichtigsten Themen weltweit! Und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Leider! Der Faschismus ist nicht nur ein Parfum, dass man ungeniert aufträgt. Wir impregnieren uns gerade damit. Er verhärtet unsere Hülle und macht sie undurchlässig. Wir verlieren unsere Offenheit und vor allem unsere Menschlichkeit. Deswegen „müssen“ wir uns Tag für Tag damit auseinandersetzen. Er kommt schleichend und heimtückisch. Mit jeder Ausnahme und Relativierung, ist er näher an uns dran. Die unwürdigste Art, den Kampf gegen ihn zu verlieren, ist das Eingelullt-Werden und danach von nichts gewusst haben, das Stille annehmen, obwohl man ja eigentlich gar nicht wollte und auch nie einer rechten Gesinnung angehörte, das „ja aber…“ sagen.

Viele wollen es nicht wahrhaben, aber die Zeit der offenen und ehrlichen Statements ist gekommen! Wir müssen den Kampf mit diesen Umtrieben entschlossen aufnehmen! Dürfen uns nicht nur im stillen Kämmerlein unseren Teil denken, sondern wir müssen uns äußern. Das ist nicht peinlich. Es ist auch nicht peinlich, detaillierte Fragen zu stellen, genauer hinzugucken, füreinander einzustehen.

Wenn wir das jetzt nicht machen, dann werden wir das bald bitter bereuen!

Keinen Fußbreit dem Faschismus!

Identitätsausfall

Früher war’s einfacher
Mann war wer
Frau war auch irgendwo
Andere waren Disco
High Energy

Ganz andere saßen in der Chrystallkugel und schauten hinaus
Sie waren auch Frauen, Männer und Kinder, aber dunkler
Sie erkannten nichts
Konisch gebrochene Reflektionen in drastischen Farbwechseln
Schwirrten an ihnen vorüber

Manche von diesen verwandelten sich dann plötzlich in verzerrte große Augen
Und fokussierten alles
Bedrohlich und christallklar
Bevor sie wieder im schwammigen Außen verschwanden grinsten sie noch
Zähnefletschend

Da blieb einem schon die Spucke weg
Und die Artikulation fiel einem natürlich auch schwer!
Kein Wunder…
Oder?

Jetzt ist alles anders
Die Kugel hat Risse
Die Augen sitzen in der Ferne mit ausgestreckten Zungen
Man sieht sie ganz genau

Sie grinsen nicht mehr und näher trauen sie sich auch nicht mehr
Irgendwie liegt zickige Humorlosigkeit in der Luft
Aber egal
Oder?