münchen spezial: postmigräne und dialog mit biodeutschland

hello

liebe vertreterInnen des/r kulturreferats, freien theaterszene, kammerspiele, residenztheaters, volkstheaters, presse und meine lieben kulturschaffenden mit postmigräne etc.

ich bitte sie darum, diese mail weiterzuleiten an „whomever it may concern“:

ich glaube, dass man – wenn man wirklich aufrichtig interessiert ist an besagter thematik (s. u. einladung zur gesprächsrunde am 2. november in den kammerspielen) – diese loslösen muss vom projekt niemandsland. im grunde hat mein aufruf nicht konkret mit dem inhalt dieses stückes zu tun, sondern mit einer gewissen haltung, einer perspektive, mit der ich und meinesgleichen schon lange konfrontiert sind und die mir jetzt allmählich zu indifferenziert und zu dominant erscheint. früher fand ich’s noch erduldbar, aber mir macht sie jetzt gar keinen spass mehr.

ich bedanke mich für die einladung zum diskurs zu besagtem stück und dem anschliessenden gespräch zu postmigrantik am 2. november in den kammerspielen, aber selber werde ich ganz bewusst nicht teilnehmen. auch habe ich schon einen flug nach istanbul gebucht, den ich nicht mehr rückgängig machen kann. wer mir desinteresse vorwerfen will, der sollte sich bitte die mühe machen und diese mail bis zum ende durchlesen.

1. zur einladung: ich bin so ziemlich einer der wenigen menschen mit migrationshintergrund, die direkt eine einladung per mail erhalten haben. ziemlich unpersönlich und mit der bitte, diese mail „an mein umfeld“ weiterzuleiten. auch die einladung von christoph schwarz offenbart nur deutschstämmige namen mit „förderhintergrund“.

2. zu niemandsland:
ich habe mir die online-dokumentation, die videos angesehen und kenne mitlerweile auch das vorgängerprojekt von adelheid roosen. für mich persönlich ist die rangehensweise nicht interessant. das soll die künstlerische legitimation des stückes jedoch in keiner weise in frage stellen. es ist nur nicht meins.

ausserdem muss ich gestehen, dass sowohl die einblicke ins konzept, als auch mein kurzes, aber knackiges gespräch mit dem dramaturgen des stückes im zündfunk vor ein paar tagen, mich in meiner annahme bestätigt haben, dass die gängige perspektive bedient wird und die hat in diesem falle etwas postkolonialistisches. bitte nicht böse sein – ich klage nicht an. ich sage lediglich, dass ich diese perspektive gewohnt bin und sie für mich nicht interessant ist.

nun kommt es mir jedoch auch so vor, dass man ob der harschen reaktionen eigentlich nur irritiert ist, im dunklen tappt und nun hastig nach einer möglichkeit sucht, den erfolg des stückes zu gewährleisten und gleichzeitig im anschluss einen „postmigrantischen diskurs“ anzufachen. man macht also nun die not zur tugend und würde auch noch gerne zwei fliegen mit einer klappe schlagen und das im eigenen haus – schön hermetisch auf sicherem terrain.

aber warum denn jetzt hudeln, meine lieben…?

das treffen am 2. november wird sicher gemütlich und ich habe auch nichts dagegen, wenn man hingeht, aber ich würde mich gerne auf einen etwas breiter gefassten rahmen vorbereiten. dazu werde ich weiter unten noch terminvorschläge zu einer veranstaltung auf neutralem boden machen.

zunächst sollten wir uns aber mal etwas mehr zeit nehmen. es geht schliesslich um dinge, die eigentlich einer wesentlich grösseren öffentlichkeit bedürfen:

die kulturelite dieser gesellschaft ist nicht in der lage, ihre – von einer einseitigen perspektive geprägte – haltung abzuschütteln und braucht einen objektiven blick auf sich selbst. den können ihr aber nur menschen bieten, die nicht in ihrem wahrnehmungsfeld sind und dadurch in der lage sind, ihnen das offene feedback des betrachters zu bieten. wer könnte das besser, als diejenigen, die vermeintlich im kulturellen off leben, die in der distanz stehen, die seit jahrzehnten fern weg zu sein scheinen, obwohl sie ja so nahe sind?

im kern der selbstauffassung eines jeden leitkulturwesens liegt stets der hohe anspruch verborgen, immer in der lage zu sein, mit einem nüchternen blick auf sich selbst, die situation objektiv durchleuchten zu können, seine perspektive auf die dinge allseits hinterfragen zu können – dank seiner intelligenz und nüchternheit.

hinter dieser haltung verbirgt sich das gespenst der hybris.
auch wenn er oder sie noch so aufgeklärt, noch so gebildet, so kulturaffin, offen und tolerant zu sein scheinen…den tiefen glauben an die eigene kulturelle überlegenheit sind leitkulturgeprägte menschen schwerlich in der lage abzulegen. dies führt dazu, dass sie sich immer um ihre eigene achse drehen.

dies ist übrigens – entgegen des hierzulande vielerseits bemühten prägenden bildes – nicht nur eine eigenheit der deutschen im speziellen, oder der „vertreter der westlichen kulturen“ im generellen. stattdessen ist es ein fakt, dass diese form der selbstüberzeichnung jeder menschlichen selbstbetrachtung anlastet, die sich zu sehr im spiegel seiner selbstgefälligen überkultur in sicherheit wägt.

diese haltung wird hierzulande im allgemeinen hochkultur genannt, aber ich kann ihnen sagen, dass es nichts besonderes ist. man findet diese in allen engen kulturellen gefässen, überall auf der welt: türkei, israel, amerika, russland, malaysia, griechenland, und und und…

überall gibt es diese grundhaltung und sie bewohnt insbesondere das unterbewusstsein derjeniger, die am aufdringlichsten vorgeben, diese hinterfragen und kritisch betrachten zu wollen.

doch die laufrichtung dieser perspektive ist immer dieselbe. sie ist fast zwanghaft auf sich selbst gerichtet, auch wenn sie vorgibt, das vermeintlich andere begreifen zu wollen. das andere wird zunächst als solches klar bezeichnet, ohne gefragt zu werden, ob es sich so empfinden will. es wird betrachtet und analysiert, aber im grunde dient es als attribut der eigenen selbstbetrachtung und dieser prozess wird dann als offener blick verkauft. so wurde ich zum beispiel als vertreter der migrantischen kulturszene münchens bezeichnet – ich habe bisher nicht einmal ansatzweise an eine solche funktion meiner person gedacht. mein ganzes leben lang noch nicht (unglaublich oder? – wär doch mal ein cooler job – so ne art ehrenkonsul der migranten). ich bin also konfrontiert mit einer einordnung von aussen, wie so oft in meinem leben geschehen. jetzt kann ich mich mal wieder zurücklehnen und mir diesen begriff auf der zunge zergehen lassen.

ich betone dies, weil ich diesen prozess nur allzugut kenne – mindestens von zwei kulturellen gefässen, in denen ich mich aufhalte (türkei und deutschland).

ich formuliere es einmal so: man gönnt sich als vertreter der „weissen“ hochkultur (was in diesem kontext nichts mit hautfarbe zu tun hat) ständig diesen luxus, sich mit seinen psychosen, seinen inneren perspektiven, seinem blick auf die dinge zu beschäftigen und kommt sich auch grossartig vor dabei, denn man unternimmt ja grosse schritte in der selbstwahrnehmung und -hinterfragung.

nur bin ich der meinung, dass „ich“ genau „diesen“ luxus „auch“ mal geniessen dürfen muss, als ein vertreter „anderer“ gruppen in dieser heterogenen gesellschaft. auch ich muss in einem grossen stadt- oder staatstheater meinen blick auf vermeintlich andere richten können, oder mich diesem blick offen verweigern können – je nachdem. auch ich muss in der lage sein dürfen, zu transformieren, zu betrachten, zu analysieren und zu inszenieren, zumal ich und meinesgleichen diese kultur-kiste schliesslich seit jahrzehnten mit unseren steuergeldern nicht unerheblich mitfinanzieren. jedoch: wir finden uns dort (zumindest hier in bayern) einfach nicht wieder!

das heisst im klartext: die biodeutschen psychosen interessieren mich sehr wohl! mit denen habe ich mich schon lange auseinandergesetzt, mit der geschichte, nazideutschland, weimarer republik, karl dem grossen, mit der kultur, mallorca, mit der musik, tony marschall, gitte, wetten dass…?, weihnachten, tatort, ostern, jesus christus, eurovision, ethik, evangelen, katholiken, latein, altgriechisch, klassisches altertum, arbeitslosenzahlen, wirtschaftsprognosen, regierungskoalitionen, philosophie, griechische mythologie, schiller, goethe, german angst, raf, 68’er, freie liebe, techno, krautrock, anne will, wettervorhersage, fasching, wiesn trallallaaa. damit habe ich mich beschäftigt.


ich habe meine hausaufgaben gemacht und ich bin bei weitem nicht der einzige. es ist jetzt nur die frage, wie weit die deutsche hochkultur ist mit ihren hausaufgaben?

ich interessiere mich für all dies, aber ich bin vor allem egoist. deswegen interessiere ich mich in diesem zuge auch für „meine“ blickrichtung, für „meine“ art(en) all dies zu sehen, für meinen blick auf meine „identität(en)“. ich interessiere mich also auch – genauso wie alle – für meinen blick auf mich selbst, für den ich auch einen resonanzkörper brauche. sprich: ich brauche platz, leute! tuuut tuuuut! und geld brauch ich auch. baaaaap baaaaaap!

all das ist auch mein recht, nicht nur eures.

darum geht es mir. und ich wiederhole: „ich bin bei weitem nicht der einzige“. ich hoffe, man versteht meine formulierung?

insofern würden meine zwitteridentitätigen multi-kulti freundInnen und ich uns freuen, mit kompetenten und interessierten Menschen über solche dinge reden zu können. völlig losgelöst von der diskussion um das stück von dries verhoeven – dieses ist in diesem kontext nämlich zweitrangig – es geht nicht um den erfolg oder den misserfolg dieses stückes. es hat auch keine kontroversen hervorgerufen. es war lediglich ein willkommener aufhänger für eine kulturstrategische massnahme meinerseits. „diese“ hat wiederum durchaus kontorversen hervorgerufen und hohe wellen geschlagen – zumindest bei den münchner kammerspielen. und das ist auch genau richtig so.

aber es geht hier um wichtigeres: nämlich unsere „gemeinsame“ kulturelle zukunft.

verstehen sie mich nicht falsch ladies and gentlemen – wer will, der kann ja zu diesem gespräch am 2. nov. gehen (s. einladung unten), das wird sicher auch interessant, aber ich glaube, dass der rahmen zu eng ist, ehrlich gesagt.

deswegen schlage ich vor, wir führen den hier hoffentlich beginnenden dialog, anfang dezember an einem unabhängigen ort fort – zum beispiel im milla in der holzstrasse – und laden vertreterInnen des residenztheaters, des volkstheaters und der freien theater (pathos, monopol, schwere reiter, i-camp, etc.) gleich mit ein, damit’s kuscheliger wird.

ich habe schon im milla angefragt – dies sind die möglichen termine:

1.12. / 9.12. / 10.12

meine lieben kulturliebhabenden deutsch-multi-kulti-freundInnen und ich würden uns freuen, wenn das klappt.
am 2. nov. bin ich wie gesagt nicht dabei. mit 10 leuten und einem häuflein presse kann man das thema nur anteasen, finde ich. zumal befinde ich mich – wie gesagt – zu dem zeitpunkt auf einem wohlverdienten 2-wöchigen aufenthalt in istanbul.

gruss

triptonious coltrane

p.s.: bitte sehen sie diesen beitrag nicht als angriff, sondern eher als eine berechtigte und notwendige reflexion.


hier der aufruf zur gesprächsrunde vom kulturreferat der landeshauptstadt münchen und den kammerspielen:

> Betreff: Stadtraumprojekt 2014 „Niemandsland“ der Münchner Kammerspiele – Einladung zu einer Gesprächsrunde am Samstag, 02.11.2013, 11.00 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Theaterschaffende,

auf seinem Blog triptown. de und im Münchner Merkur hat Tuncay Acar vor Kurzem eine Diskussion angestoßen zum Umgang mit Interkulturalität im Theater: http://www.merkur-online.de/lokales/muenchen/stadt-muenchen/genervt-migranten-safari-3154095.html

Die Münchner Kammerspiele möchten gerne ins Gespräch kommen über das geplante Stück „Niemandsland“, das der Auslöser hierfür war. Am Samstag soll – zunächst in einer kleineren Runde – über das Projekt informiert werden. Ziel wäre auch, gemeinsam geeignete (öffentliche) Veranstaltungsformate zu finden, um einen echten Austausch zum Thema „Interkulturalität & Theater“ zu ermöglichen.

Sie sind ganz herzlich eingeladen, sich am kommenden Samstag an den Vorüberlegungen zu beteiligen. Gerne können Sie diese Einladung auch weitergeben. Nachfolgend finden Sie alle weiteren Infos der Kammerspiele und die Bitte des Produktionsleiters Philip Decker um Anmeldung:

„Die Münchner Kammerspiele möchten alle interessierten Münchner Kulturschaffenden zu einem Treffen mit Dries Verhoeven, dem Regisseur des Stadtraumprojekts 2014 „NIEMANDSLAND“, einladen. Das Anschreiben zur Suche nach Performern für das Projekt hat vor allem in der migrantischen Kulturszene hohe Wellen geschlagen und dieser wichtigen Diskussion möchten sich die Kammerspiele in direkter Kommunikation stellen. So wird es im Anschluß an die Präsentation des Projekts NIEMANDSLAND eine Gesprächsrunde mit Dries Verhoeven, dem Kammerspiele-Dramaturgen Koen Tachelet, dem Produktionsleiter Philip Decker und der Chefdramaturgin Julia Lochte geben. Ziel des Gesprächs soll sein, die Themen & Möglichkeiten eines, von beiden Seiten gewünschten, öffentlichen Diskurses zu besprechen. Der Treffpunkt für das Gespräch ist am Samstag, 02.11. um 11 Uhr an der Bühnenpforte der Münchner Kammerspiele, Falckenbergstraße 2, 80539 München. Über eine kurze Rück- bzw. Anmeldung an philip.decker@gmx.de würde ich mich freuen, damit wir genügend Stühle und Verpflegung bereitstellen können“.

Mit besten Grüßen

Letztens meinte einer doch tatsächlich…

Ist der Tuncay wieder Türke geworden?

Anscheinend fühlte sich da einer provoziert durch meine Anti-Pseudo-Hochkultur-Kampagne, in der ich zu einem Perspektivwechsel in den bayerischen Theateranstalten hinsichtlich dem Umgang mit der „Migrationsthematik“ aufrief. Ich bekannte mich zu meinem Migränevordergrund und positionierte mich ganz bewußt mit einer meiner kulturellen Identitäten – nämlich der deutschländer-migränischen – und stellte Forderungen auf.

Viele verstanden, was ich meinte, einige jedoch nicht. Bisweilen gab es sogar welche, die meinem Standpunkt einen rassistischen Hintergrund unterstellten. Mich haben diese Resonanzen sehr gefreut, denn ich habe gemerkt, dass da etwas in der deutschen Volksseele schlummert, das geneckt werden will. Und das will ich hiermit gerne weiterführen:

Denn mit deutscher Volksseele meine ich nicht nur die derjenigen, die sich sofort angesprochen fühlen, sondern auch die, die sich nicht angesprochen fühlen: die Moslems, Araber, Jugos, Griechen, Afghanen, Pakistanis etc. (ich wähle hier ganz bewußt politisch inkorrekte stereotype Identitätsbezeichnungen). Denn jeder, der hier sozialisiert ist, gehört meiner Meinung nach zum hiesigen Volk. Und um die Frage des jungen Herrn oben zu beantworten: Ich bin Schwarzmeermensch, Pontiko, Georgier, Kurde, Armenier, Mediteraner, ich bin aber auch Münchner, Bayer, Yoruba, Sioux, Katalane, Indio, etc. . Ich bin Teil einer jeden regionalen Kultur, der ich mich in irgendeiner Form intensiv genähert habe. Ich glaube nicht, dass ich ein Identitätsproblem habe, sondern eher diejenigen, die ihre kulturelle Zugehörigkeit an eine Religion oder eine Nation koppeln. Denn das begrenzt ihre mentale Freiheit und ich bin der Meinung das gewisse Machtpole genau das von uns wollen.
Im Gegensatz dazu finde ich, man sollte sich in erster Linie als Mensch identifizieren und dann kann man loslegen mit regionalen kulturellen Zugehörigkeiten. In der Dringlichkeitsabfolge liegen die nationale und die religiöse Zugehörigkeit für mich gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz weit unten und interessieren mich auch sehr wenig, bis gar nicht. Ich bin auch kein Moslem, kein Monotheist, kein Atheist – eher Polytheist, der jeden Tag neue Gottheiten erkennt und zu seiner Glaubensphilosophie hinzufügt, wie’s ihm grade passt.

Für alle, die meinen, ich mache es mir aber ganz schön einfach, hier meine Antwort: „Nein, eher noch viel schwerer“. Ihr wollt, dass ich es euch einfacher mache, mich einzuordnen – so schaut’s aus. Aber dazu muss ich sagen: so einfach ist der Mensch eben nicht einzuordnen. Also lasst es sein! Es gibt keine Integration und keine Migration. Das sind rassistische und unsinnige Begriffe, die viel zu leicht mit gefährlichen Bildern der Leitkulturpolitik unterlegt werden können und deswegen nur der politischen Polemik dienen. Es gibt nur den Wandel und den muß man mitgestalten, wenn man nicht in der Schublade verstauben will.

Bussi Bussi Trallallaaa!

Die Lösung: Geld verbrennen im Theater?

Wem gehört die Stadt?
Wem gehört das Theater?
Wer verhindert den guten Geschmack postmoderner Architekten?
Wer gebietet über den schlechten Geschmack von Intendanten der öffenlich-rechtlichen Sender?
Warum muß ich für beides teuer bezahlen?
Wem gehört das wahre Gut auf Erden?
Wer muss sich stattdessen mit Nullen und Einsen auf seinem digitalen Girokonto begnügen?
Wem gehört die Kultur?
Wer hat das Recht sie zu erfahren?
Wer muss draussen bleiben und jämmerlich vor den Toren der hochsituierten Zivilisation ersaufen?
Welche Rolle spielst du?
Wer hat das Recht, sich über eine neue Form der Jugendkultur in den Armenvierteln Südafrikas zu empören, in der sich die Kids, die gar nichts haben über sündhaft Teure Klamotten definieren, für die sie fast Ihr Leben geben?
Welches Geld hat materiellen Gegenwert?
Kann Geld auch ideellen Gegenwert besitzen?
Wer kann eines von beiden belegen?
Hast du schon mal daran gedacht, Geld zu verbrennen?
Siehe hier: http://www.indiepedia.de/index.php?title=The_KLF_verbrennen_eine_Million_Pfund

Offener Brief an das bayerischen Hochkultur

guten tag

mein name ist triptonious coltrane

meines zeichens musiker, künstler, kulturschaffender in münchen.

ich habe gerade diesen wirklich spannenden artikel gelesen:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/intendant-kusej-fuer-mehr-migranten-im-theater-leiden-und-lernen-1.1315414

dieser berührt ein thema, dass mir schon seit langem auf der seele brennt (vor allem als münchner), deswegen schreibe ich diese email. ich hoffe sie erreicht auch herrn kusej!

ich selber bin zwar kein theatermensch, aber ich kenne sehr viele – vor allem mit migrationsvordergrund

letztens habe ich mich zu einer anfrage für ein stadtprojekt der münchner kammerspiele öffentlich auf meinem blog (www.triptown.de) und über meinen newsletter geäussert, der immerhin knapp 700 leute fasst und auch meine über die jahre gesammelten pressekontakte beinhaltet

ich habe mich sehr impulsiv und auch rücksichtslos geäussert und damit auch sicher einige menschen verärgert, aber ich denke, es ist an der zeit, da mal was zu unternehmen. der ignoranz, der ich mich bisher besonders im deutschen kulturbetrieb ausgesetzt gefühlt habe, entgegne ich nun nach jahren der bescheidenen zurückhaltung auch einmal mit harschen worten. aber glauben sie mir: es ist nur gut gemeint. gut für uns alle. denn wenn keiner keinem weh tut, dann passiert nix und ich sags ganz ehrlich: mir machts gerade richtig spass!

ich kann mir nicht mehr mit ansehen, wie „bioeuropäische“ theatermacher ein stadtprojekt nach dem anderen im münchner bahnhofsviertel durchführen, sich ein stück nach dem anderen vom grossen förderkuchen im namen der integration und der brisanz der migrationsthematik abholen und diese projekte immer nur in zirkeln der hermetischen hochkultur kursieren und auch dort entwickelt werden. der fokus bleibt auf die perspektive dieser kreise gerichtet und dreht sich dort im kreis. die sicht aus der perspektive der „anderen“ kulturellen segmente der gesellschaft, die das stück ja eigentlich thematisiert, bleibt notgedrungen im hintertreffen.

auch empfinde ich immer dieses ungute gefühl des ewig fremden beobachters, wenn ich in münchen im theater sitze. ich habe nie das gefühl, ich bin ein teil dieser wundervollen kultur. genauso regt es mich auf, wenn biodeutsche mit der verhaltenheit des fremden durch das bahnhofsviertel laufen und eine gastfreundliche anleitung erwarten – so als ob sie hier nicht in ihrem eigenen land wären.

dieses gefühl des fremdseins kann man nur überwinden, wenn vertreter der jeweils „anderen“ kulturwelt platz im vermeintlich „unseren“ findet: als deutscher/e im bahnhofsviertel, oder als migrantischstämmiger im theater, in positionen von regisseurInnen, schauspielerInnen, dramatourgInnen und auch intendantInnen.

mir ist klar, dass man das nicht einfach so erwarten kann. ich will auch keine quote. ich und meinesgleichen wollen und müssen sich diese positionen erkämpfen, für all die talentierten menschen, die jetzt nur darauf warten, dass sie endlich mal auf grossen bühnen und mit odentlichem budget loslegen können, ohne ihre nachnamen elegant dem generellen kulturellen hochwohlempfinden anpassen zu müssen. diese diskussion wird auf uns alle zukommen und ist wichtiger denn je!

wir fordern deswegen wiederholt eine reihe von öffentlichen veranstaltungen, podiumsdiskussionen, theaterprojekten etc., in denen die vorhandenen kommunikationsmauern mal gesprengt werden und wir uns endlich frei von überheblichkeitsbarrieren und auf augenhöhe miteinander auseinandersetzen.

hier die links zu meinem blog, die dieses thema behandeln (bitte auch die kommentare lesen) :

http://blog.triptown.de/?p=566
http://blog.triptown.de/?p=582

den worten müssen nun taten folgen

wir – eine gruppe von münchner künstlern, regisseuren, schauspielern, philosophen etc. – arbeiten gerade an einem stadtprojekt.

mit dabei sind (nach dem aktuellen stand der dinge):
karnik gregorian
bülent kullukcu
emre akal
berivan kaya
tunay önder
sebahat ünal
kuros yalpani
simone egger
tuncay acar
federico sanchez

wir wollen eine öffentliche podiumsdiskussion zu der thematik, an der vertreter der grossen theaterhäuser in münchen teilnehmen und wir unser projekt vorstellen können, für das wir noch eine förderung suchen.

wir hoffen diese message erreicht diejenigen, die sie erreichen soll! deswegen: gerne weiterreichen!

gruss

triptonious