Zur Lage der Nation

Immer, wenn des Teufels Advokat wieder auf Erden weilt, um den Markt zu regulieren, dann sorgt das für Entspannung an der Wall Street.

Es könnte aber sein, dass bald der Messias antanzt, uns allen reinen Wein einschenkt und wir danach die Dinge glasklar sehen.

Manche von uns werden dann sagen, sie hätten nur Befehle ausgeführt und könnten nichts dafür, außerdem hätten ja sonst die Kommunisten gewonnen.

Dabei hatten die Kommunisten schon immer viel mehr Ahnung vom Märkte regulieren, aber der liebe Gott wird schon wissen, warum das so sein mußte.

Und dann gibt es ja so Schlaumeier, die mir jetzt allen Ernstes erzählen wollen, dass „eben diese Kommunisten, zusammen mit den Satanisten die Welt regieren“. Ja guten Morgen! Das hab‘ ich doch schon vor 2 Jahrzehnten gepredigt, nur hat mir nie einer zugehört!

Damals haben diese Schnappsnasen noch beim Frühschoppen zu Jürgen Drews herumgeschunkelt! Dabei hätte man da noch etwas unternehmen können.

Jetzt sind sie in ihren 60’ern zu Billo-Politaktivisten herangereift, sitzen mit ihren verkalkten Ärschen in dicken SUV’s und veranstalten Anti-Corona-Kinderfasching-Corsos in der Innenstadt.

Na schön! Danke Merkel! Aber das bringt’s jetzt auch nicht mehr. Die digitale Impf-ID ist im Anmarsch und diese Armleuchter werden ihn sich einer nach dem anderen noch holen, wenn’s dazu nen Amazon Gutschein und ein Netflix-Abo für umme gibt.

Gestern ging’s noch um den Kampf um’s Bargeld. Heute steh‘ ich an der Kasse und kann nur noch kontaktlos zahlen. Du weißt nicht, was das ist? Dann geh‘ in’n Edeka und frag‘ die Kassenkraft, die kann dir das erläutern.

Ich bin erstmal raus. Gleich kommt „Höhle der Löwen“ im Fernseh. Da haben zwei pfiffige Jungs einen pinken Handschuh für die Frauenwelt entworfen, mit dem man benutzte Menstruationsutensilien entsorgen kann, ohne sich „die Hände schmutzig zu machen“. Was für eine Geschäftsidee! Entworfen von sensiblen Männern, für rücksichtsvolle Frauen.

Das macht einem wenigstens ein bißchen Hoffnung…nachdem uns ja sowohl ein bayerischer Kanzler, als auch auch ein Ende der schwarz-roten Koalition noch zumindest ein paar Jahre verwehrt bleiben werden.

Aber ich sehe gerade, dass einem nicht mal pinke Handschuhe vergönnt werden: https://pinkygloves.de/.

Die Empörung über die Empörung

Meistens gewinnen die, die sich am lautesten empören – vorausgesetzt, sie haben eine politische Lobby hinter sich, oder schaffen es, durch ihre Empörung eine politische Lobby zu schaffen, die ihre Deutungshoheit innerhalb des Diskurses zementiert – Klickzahlen und Kapitalstärke schaden dabei nicht. Zur Behauptung einer Position bedarf es aktuell einer Masse an Followern, die zwar noch lange keinen Anteil an dem materiellen Gewinn haben, den fast jeder meinungsstrategische Wurf mit sich bringt, aber sich in irgendeiner Form mit der Haltung einer dominanten Lobby identifizieren. Zum Beispiel glaube Ich, dass es nur so gelingen konnte, inmitten der schwersten Phase der 3. Welle der Pandemie es zu schaffen, die Reisewarnung für Mallorca aufheben zu lassen, während in einem Geflüchtetencamp in Korinth in Griechenland das Komplettchaos ausbricht, notdürftige Behausungen in Flammen aufgehen und Menschen Selbstmord begehen, weil sie ohne medizinische Versorgung und ohne funktionierende Infrastruktur in einer Art Massenkäfig des Horrors gehalten werden.
Wenn man sich laut empört, ohne den Rückhalt einer starken politischen Lobby, oder zumindest der aktiven und passiven Unterstützung eines großen Teiles der Bevölkerung, dann hat man es schwer. Jedes Argument wird dann zerpflückt und auseinandergenommen, zigfach gewendet und so lange ad absurdum geführt, bis es – eingehüllt in einer Panade der Diskreditierung – im Strahlenschutzkessel der öffentlichen Irrelevanz endet. Dort kann das Thema dann bis in alle Ewigkeit versauern, oder aber, es wird nach Jahrzehnten (häufig viel zu spät) herausgekramt, in einer Marinade der politischen Vereinnahmung gewendet und auf die tagespolitische Agenda gehauen, wie ein Stück Grillfleisch aus dem Tiefkühlfach auf den vorgeheizten Grill. Als Beispiel wären da diverse Aspekte des Umweltschutzes, der Nuklearausstieg, der Klimaschutz, die gesellschaftliche Inklusion oder die nachhaltige Ökonomie zu nennen.
Das sind alles Standardthemen jetzt, um die im Wahlkampf erbittert gekämpft wird. Über Jahrzehnte mussten aber eine Armada von Aktivist*innen dafür Häme, Spott und auch politische Verfolgung durch Geheimdienste und Verfassungsschutz hinnehmen, bis ihnen diese Themen von einem Tag auf den anderen von mürrisch-beleidigten politischen Gegnern neidvoll aus den Händen gerissen wurden. Sie hatten schließlich in mühevollem Überzeugungskampf das Stinktierthema zum politischen Diamanten geschliffen. Und jetzt waren sie selber nicht mehr gut genug für das Schmuckstück, diesem Garanten für den nächsten Wahlsieg. Das selbe steht wohl Greta Thunberg mit den wirtschaftsliberalen Parteigranden dieser Welt auch bevor, von denen sie jetzt noch aufs übelste erniedrigt und beschimpft wird.
In einem solchen politischen Winkelzug wird das eigentliche Thema zum Etikett, zu einem zählbaren Mehrwert, einem politischen, aber auch reellen Kapitalmultiplikator: Umweltthemen bringen schon lange viel Geld ein und auch nachhaltige Geldanlageformen gewinnen nach wie vor immer mehr an Wert. Das Blatt hat sich gewendet und wendet sich unaufhaltbar weiter und weiter.
Auf der einen Seite – so denkt man – ist das eigentlich eine gute Sache. Nur baut sich jetzt um diese Themen herum die selbe Wirtschaftsphilosophie auf, die bisher auch schon in die falsche Richtung lief: in den permanenten materiellen Wachstum, der keine Alternativen kennt.
E-Autos suggerieren eine nahezu perfekte Illusion der größtmöglichen Umweltverträglichkeit, aber im Endeffekt sind sie die selben übergewichtigen Statussymbole, wie ihre fossilenergieschluckenden Vorgänger. Die Reduktion und somit die Eindämmung der Überproduktion kommt nicht in Frage. Wir müssen mehr Autos produzieren, damit die Wirtschaft läuft. Wo diese Autos dann fahren, ist im Grunde egal. Vielleicht bald auf dem Mars? Wenn nötig, dann müssen die Wege und Möglichkeiten dafür geschaffen werden. Jetzt würden einige von euch gerne lauthals loslachen…aber das Marsbesiedelungsprogramm Elon Musks lauert zu bedrohlich nahe am Horizont.
Eines der schlimmsten Tatsachen in diesem Kontext ist die Situation der bisher munter vor sich hin vegetierenden „Volksmasse“, die, sorgsam umwoben von einem Cocon aus sozialen Sicherheiten, Krankenversicherungspflicht, stabiler Wirtschaftslage und Jobaussichten im Paradies der deutschen Sozialwirtschaft für jegliche Schieflage gerüstet schien. Ein ganzes kollektives Selbstbild basierte im sogenannten Westen auf diesem „Glauben“ an das eigene Privileg. Sogar der/die unterdurschnittlichste Verdiener*in konnte sich zumindest einen Flachbildschirm, Bier, Chips und ab und an ’nen Ballermannurlaub leisten. Politische Beteiligung war schon immer zu anstrengend und äußerte sich höchstens mal in dem einen oder anderen unkorrekten Witz.
Jetzt aber kommt diese besagte „Masse“ an ihre Grenzen, weil ihr nahegelegt wird, nicht mehr Z-Schnitzel zu sagen, dunkelhäutige nonbinäre Menschen von ihnen verlangen, dass sie gendern sollen, sich mit einer dritten Klotür anfreunden, etc.. Als ob das nicht reichte, wird das sogenannte Volk nun auch noch wegen einem „vermeintlichen“ Virus vom eigenen Staat in seinen „Bürgerrechten“ beeinträchtigt und am freien Willen „zu sterben“ gehindert. Da wird man schnell mal vom verwöhnten Wirtschaftsboombürger zum Opfer des Neoliberalismus gemacht. So leicht kann das gehen!
Das sorgt natürlich für Empörung und diese führt dann sogar soweit, dass es in einem Land wie Deutschland aktuell wohl mehr Antikapitalist*innen und Globalisierungsgegner gibt, als je zuvor in seiner Geschichte (ein sehr prägnantes Beispiel für oben genannte „politische Vereinnahmung“ vormals unpopulärer Ideen).
Was kann man dagegen nun tun? Klar: Man schickt „die Masse“ im Frühjahr auf „Malle“, wo sie im Gegensatz zu den dortigen Einheimischen in Ruhe Urlaub machen kann und gönnt ihr die Aussicht auf eine grandiose Weltmeisterschaft 2022 in Katar – einem Land in dem für weltweite Hooliganträume ca. 6500 Arbeitsmigranten unter schwersten Arbeitsbedingungen ihr Leben lassen mussten.
Wo fehlt es da? Irgendwo muß es doch ein Verständnis- und auch ein Selbstverständnisproblem geben? Ja, klar macht der Kapitalismus spaß bis zu einem gewissen Punkt – den Kapitalist*innen allemal. Der Markt reguliert sich selbst, heisst es, aber alles was wir erleben ist, dass die Gewinner den Deal unter sich regeln, indem „sie“ nämlich den Markt regulieren. Die Nationalstaaten dienen mit dem hart erarbeiteten Staatsbudget als Knautschzone für die waghalsigen Experimente des Finanzmarktes.
Alles, was sonst auf dieser Erde läuft sind Kollateralschäden und das ist diese Pandemie auch. Wieviele Menschen dabei sterben ist natürlich für uns als Menschheit wichtig, aber entscheidend ist, wie die Wirtschaft aus der Sache herauskommt. Und die Diskrepanz in der Relevanz dieser beiden Begriffe ist enorm: wichtig sind Menschenrechte, der Kampf gegen ökonomische Ungerechtigkeit, gegen die Gewalt an Frauen und und und… Aber „entscheidend“ ist etwas anderes!
Mein Problem ist nur, dass all diese Gedanken von genau den Querschädeln vor sich her getragen werden, gegen die ich mich wende. Deswegen geht mir die Inflation des Antikapitalismus gerade ziemlich auf den Keks, wie immer, wenn sinnvolle politische Phänomene im weit aufgesperrten Rachen des politischen Mittelmasses landen, das immer in die Fläche expandiert, aber nie in die Tiefe. Die verkrustete Ränder drumherum bilden dann die Einöde, die man Populismus schimpft und diese reichen momentan leider sehr weit in die verfluchte sogenannte Mitte der Gesellschaft hinein. Letzteren Begriff hat eh der Teufel geschaffen.