Baumrecht statt Baurecht (Rede vom 10.07.13)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Münchnerinnen und Münchner,

So ein paar Bäume…

sind schnell mal abgerissen
Ja klar!

Jahrtausendelang waren Bäume, Blumen, Felder, Obst, Gemüse, Natur, Landschaft, Flora, Fauna für den Menschen als ein selbstverständlicher Bestandteil seines Lebensraumes in Hülle und Fülle vorhanden. Die Natur war eine schier endlose Ressource, die nur der Allmächtige allein zu zerstören in der Lage zu sein schien.

Die Betonung muss nun jedoch leider auf das Wörtchen „war“ gelegt werden. Denn wir befinden uns in einer Phase der Erdgeschichte, in der diese besagte Selbstverständlichkeit nicht mehr gegeben ist. Der Mensch selber befindet sich jedoch scheinbar immer noch in der Euphorie des beginnenden Industriezeitalters und kann sich davon nicht lösen.
Wie sollte er auch? Diese paradiesische Epoche, in der der Mensch gottgleich über das Universum zu herrschen scheint und sämtliche Ressourcen der Erde ihm grenzenlos zur Verfügung zu stehen scheinen dauert ja nun gerade mal ein wenig länger als ein Jahrhundert an. Was ist das schon, gemessen an den Jahrmillionen, in denen er unter den widrigsten Bedingungen ohne Fastfood, mobile Kommunikation, Datenclouds, Zweitfahrzeug- und Drittfahrzeug, 3-D-Drucker, Luxusimmobilien, Clubbing-Kreuzfahrten und ähnlichem dahinvegetieren musste. Wieso sollte man sich jetzt freiwillig von all dem Luxus lösen wollen, solange man nicht dazu unter Todesdrohungen genötigt wird? Welcher gesunde Mensch macht das denn?

Diese Frage bringt uns jedoch sogleich zur nächsten: was verstehen wir unter einem gesunden Menschen? Meine zweite Heimat ist die Türkei und im Türkischen gibt es eine Sprichwort, das sich ungefähr so übersetzen liesse:
ES GÄBE KEINEN STAAT AUF ERDEN, VERGLEICHBAR MIT DEM WERT EINES HAUCHES  REINER GESUNDHEIT.

Doch was braucht der Mensch, um gesund zu sein?

– Gesunde Ernährung ohne Schadstoffe
– Gesundes, frisches, lebendiges und vor allem frei verfügbares Wasser
– Frische, reine Luft zum Atmen
– Einen intakten Körper
– Medizinische Verpflegung
– Regelmässige Aufenthalte in der Natur
– Sportmöglichkeiten

Doch da gibt es eine Komponente, die bei solchen Fragen meist erst zu allerletzt auf die Liste kommt:

Der gesunde Geist und das Seelenleben. Der Mensch ist ein Herdentier. Er braucht eine intakte Gemeinschaft, in der er sich wohl fühlt und als deren Teil er sich begreift. Sie spendet ihm Identität, gibt ihm ein Zugehörigkeitsgefühl, sie edelt ihn und mach ihn erst zum wahren Menschen .

Zum gesunden Menschen gehört eine gesunde Gesellschaft und es gibt keine gesunde Gesellschaft, ohne gesunde, zufriedene, erfüllte Menschen, die sich als ein Teil eben dieser begreifen. Menschen, die sich offen entgegenstehen, die sich gegenseitig akzeptieren, neues zulassen, altes bewahren, Menschen die teilen können. All dies gehört zur menschlichen Kultur und im Großen und Ganzen funktioniert dies – mit einigen kleinen Detailunterschieden – überall auf der Welt gleich.

Nun bringt es jedoch die menschliche Kultur mit sich, dass sie eben wie jede andere Kultur im Universum auch (nehmen wir z.B. Bakterienkulturen, Pflanzenkulturen, Insektenkulturen, etc.) immer besser gedeiht, wenn sie langfristig, über Generationen hinweg einen fruchtbaren Ort findet an dem durchgehend ideale Voraussetzungen für ihre Entwicklung bestehen.

Erst dann verselbständigen Sich einzelne Elemente, gedeihen weiter und entwickeln auch neue Triebe– im Falle der Menschen wären das:
– Das Verständnis unter den MitbürberInnenn
– Der Bildungsstandard
– Die Kunst- Kultur- und die Musikszene
– Die gesellschaftliche Gleichberechtigung (von einzelnen Bevölkerungsgruppen, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Schichten und Gruppierungen der Gesellschaft, den Generationen…).
– Das gleichberechtigte Leben von Menschen, Pflanzen und Tieren
– Der Wohlstand (der leider in seiner Grundbedeutung im jetzigen Stadium der menschlichen Entwicklung auf unendlichem Wachstum und somit auf Unersättlichkeit angelegt ist – ich meine Wohlstand jedoch eher im Sinne einer privaten Zufriedenheit, die auf einer allgemeinen Zufriedenheit basiert).

etc. etc. etc.

Es gäbe einige Faktoren, die man so aufzählen könnte.

Was wir jedoch dafür benötigen, sind gewachsene Strukturen, deren Wert unschätzbar hoch ist, nicht nur für die lokale Stadtgesellschaft in München, sondern auch für die globale Gesellschaft, denn wie wir alle wissen, hängen diese beiden eng zusammen und wirken aufeinander ein, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Gewachsene Strukturen sind nichts anderes als Wurzelwerk – genauso wie das Wurzelwerk dieser Bäume hier, die im Zuge eines Luxusbauvorhabens, das an dieser Stelle gegenüber von uns nun aus dem Boden wachsen soll, zerstört werden. Man zerstört mit dem Bauvorhaben nicht nur die Bäume, sondern schadet damit auch unserer Gemeinschaft. Denn genauso wie diese Bäume, werden mit übertriebenen Mietpreisen und der Ansiedlung von internationalem Geldadel ins Glockenbachviertel, die einheimischen natürlichen und sozialen Strukturen zerstört.

Zwar sollen als Ersatz für diese Bäume an anderer Stelle frische Setzlinge gepflanzt werden, aber ein Setzling an einer anderen Stelle kann einen altehrwürdigen Baum an dieser Stelle nicht so leicht ersetzen. Neupflanzungen sind wichtig! Keine Frage! Neubauten sind auch wichtig, um neuen Wohnraum für die neuen Bedürfnisse der Bevölkerung zu schaffen. Neue Impulse in der soziokulturellen Landschaft sind ebenfalls wichtig. Das sehen wir alles ein. Nur eines stört uns: „Die Neuerungen, die in dieser Form erfolgen, wie bei diesem Bauvorhaben gegenüber, berücksichtigen die gesunde soziokulturelle Gesellschaft nicht. Sie dienen hauptsächlich der Bereicherung von Großverdienern und dem Komfort von Menschen, die sich eh keine Sorgen um ihre restliche – zumindest materielle – Existenz mehr machen müssen.
Uns – nämlich der eigentlichen Bevölkerung dieser Stadt – bringen diese Bauvorhaben, wie sie an dieser Stelle, im Seven, im alten Arbeitsamt in der Thalkirchnerstrasse, auf dem Rodenstockgelände erfolgen sollen und teilweise erfolgt sind – rein gar nichts.

Sie nehmen uns nur die Luft zum Atmen und den Platz zum Leben. Stattdessen versuchte man noch vor kurzem mit einem eher mittelgroßen Sozialbauprojekt in der Müllerstr. 6 das eh schon extrem eingeengte Nutzungsareal der Glockenbachwerkstatt noch mehr einzugrenzen.

Dank der Unterstützung unserer äußerst engagierten FreundInnen und UnterstützerInnen – vor allem der Eltern unserer Kindergarten- und Hortkinder – konnten wir das bis jetzt verhindern. Aber das letzte Wort ist immer noch nicht gesprochen.

Wir sitzen jedoch jetzt schon mal mit am Tisch und werden als Gesprächspartner wahrgenommen. Das ist schonmal ein wichtiger Schritt! Wir wissen jedoch ganz genau, dass es nicht ausreicht, nur seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das hat uns die langjährige Erfahrung gelehrt. Man muss eher immer das große Ganze im Auge behalten und darf den Gesamtüberblick nicht verlieren. Man muss sich bürgerlich solidarisieren und darf – bei aller Wohlgesonnenheit und auch besonnenen Haltung der Lokalpolitik gegenüber, die kritische Haltung nie aufgeben. Dies begreifen wir als eine gesellschaftliche Aufgabe – deswegen bin ich heute Abend hier und vertrete offiziell den Vorstand des Glockenbachwerkstatt e.V.

Zu guter letzt möchte ich an die Vorkommnisse erinnern, die gerade seit über einem Monat am Taksim Platz in Istanbul, um genauer zu sein im dortigen Gezi Park und drumherum stattfinden. Der bürgerliche Unmut hatte sich dort entzündet an der Entwurzelung von fast 40-50 Jahre alten Bäumen.

Die Staatsmacht reagierte auf diesen Impuls der Proteste mit Unverständnis: Es ginge doch hier nur um ein Paar Bäume. Aber der weitere Verlauf der Ereignisse hat gezeigt, dass Bäume mehr sind als nur Bäume. Sie sind nicht nur Symbol für, sondern ihr Wurzelwerk hängt auch sehr eng zusammen mit den gewachsenen sozialen und soziokulturellen Strukturen in einer menschlichen Gemeinschaft.

In dieser schwierigen Zeit, in der Millionen Menschen weltweit auf den Straßen sind – in dieser Unruhigen Zeit, zählt der gesellschaftliche Zusammenhalt mehr denn je! Wir sind Bestandteil einer globalen Welt. Ich finde, wir können uns diesen Pseudo-Luxus, der hier entstehen soll und den Verlust von wahrem Luxus, nämlich dem Luxus von schönem alten Wurzelwerk in der Natur, sowie im übertragenen Sinne in der Gesellschaft, nicht mehr leisten.

Dankeschön

ho ho ho – spannend

…Na sitzt ihr immer noch Woche für Woche vor der Röhre, hofft endlich mal auf einen guten Tatort und ertappt euch wieder beim einnicken?

Hier kommt ein richtig guter Plott für euch, direkt aus dem Leben entnommen – pom pom pom:
Ein Mann sitzt seit Jahren nachweislich zu Unrecht im Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie, weil seine Aussagen einen Finanzskandal sonder Gleichen aufdecken könnten. Der Richter, der ihn verurteilt hat, ist der beste Freund und ehemalige Handballtrainer von dem neuen Typen seiner Ehefrau (zu dem Zeitpunkt erfolgreiche Bankerin bei der Hypo Vereinsbank), die nachweislich mit seinem Vermögen Schwarzgeldgeschäfte durchführte und richtig viel dreckiges Geld für große Hypokunden mit dem Ferrari ihres Mannes in die Schweiz schipperte und ihren Mann anzeigte, nachdem er sie wegen Steuerhinterziehung angezeigt hatte und und und…. ?

DU GUCKST IMMER NOCH TATORT?

Es muß nicht unbedingt einen Mord geben, damit ein Krimi spannend wird.

Das ganze wird nämlich gedeckt von der bayerischen Justizministerin BEATE MERK persönlich. Besagte Ehefrau hingegen hat sich aus dem Bankgeschäft mitlerweile zurückgezogen und verdingt sich als Geistheilerin. Hokus Pokus…Der Mann sitzt immer noch, obwohl er kaum geistig umnachtet zu sein scheint! Man versucht einfach nur, ihn solange wie möglich Mundtot zu halten.

Wo man den Krimi zu sehen kriegt? Na da wo die Realität immer spannender ist, als die Phantasie – im ersten::
http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage-dokumentation/15028746_die-story-im-ersten-der-fall-mollath

GERECHTIGKEIT FÜR GUSTL MOLLATH!
http://www.gustl-for-help.de/aufruf.html

Fussball und Politik

Interessant ist ja auch die Tatsache, dass neben den Persönlichkeiten aus Kunst- und Kultur, auch die Anhänger der großen Fussballmannschaften Istanbuls eine grosse Rolle bei den Gezipark-Protesten spielten. Nicht nur bei der Mobilisierung der Massen, waren sie von Relevanz, sondern auch bei der Entwicklung von effektiven Strategien und Abwehrmechanismen gegen den Polizeiterror. Als ich dieses Video sah, in welchem die besonders hervorzuhebende Carsi-Gruppe, der Anhänger von Besiktas Istanbul (http://en.wikipedia.org/wiki/%C3%87ar%C5%9F%C4%B1_%28supporter_group%29) – quasi in ihrem eigenen Viertel – ein Straßenbaugerät kaperten, und damit auf gepanzerte Wasserwerferfahrzeuge der Polizei losgingen, wurde mir schnell klar, dass nur diese Menschen in der Lage sind, der plumpen Grausamkeit der türkischen Polizei Kontra zu bieten (http://www.youtube.com/watch?v=P_anC8_s_08).
Denn wenn türkische Fussballfans etwas können, dann ist es das öffentlichkeitswirksame Auftreten. Sie verkörpern auch eine gewisse Volksautorität, denn Fussball hat in diesem Land einen besonders hohen Stellenwert. Fast jeder Türke und jede Türkin ist in irgendeiner Form AnhängerIn einer Fussballmannschaft. Dort wo das Individuum sehr wenig Platz zur Entfaltung in der Gesellschaft findet, erfüllte Fussball schon immer als soziales Phänomen, als Katalysator, als Spielplatz und Austragungsort von kollektiven Aggressionen und Expressionsbedürfnissen eine wichtige Funktion. Dies wurde verstärkt durch die Tatsache, dass man ja sonst als junges heranwachsendes Mitglied der Gesellschaft sich nur sehr begrenzt äussern kann. Überall lauern Schnauzbärtige grosse Brüder und Onkel, Väter und besserwissende Mütter und Tanten, die auf ihre traditionsgegebene Autorität pochen und die Jugendlichen allzuschnell in die Schranken weisen. Vom allgegenwärtigen misstrauischen Staatsapparat ganz zu schweigen.
Also suchte sich die junge türkische Gesellschaft einen anderen Schauplatz für ihre überbordenden Energien: Das Fussballstadion. Dort durfte man ungehindert Fluchen, lauthals schreien und seinen Unmut verkünden, die gegnerischen Fans auf den Arm nehmen, provozieren und sich verbal bekriegen. Türkische Fussballfans sind gewieft in Demoralisierungstaktiken, die sie Blitzschnell entwickeln und mittels eigens verfasster Spontanreime via Fanchöre von sich geben. Die Strasse ist ihr zweites Zuhause. Sie kennen sich aus in der Stadt und haben über die Jahrzehnte die Logistik im Chaos dieser Millionenstadt perfektioniert.
Von wegen Brot und Spiele als übersättigendes Mittel gegen eine selbständig denkende Gesellschaft: In diesem Falle bot der Fussball ein schwer unterschätztes und deswegen über Jahrzehnte relativ gering kontrolliertes Trainigsareal für zivilen Ungehorsam.