Ich befinde mich gerade in einer meiner beiden Heimaten. Der Türkei. Meine Eltern stammen von der Schwarzmeerküste, ca. 150 Km östlich von Istanbul – ein Ort namens Karasu, direkt an der Mündung des Flusses Sakarya (antiker Name „Sangaryos“) in der gleichnamigen Provinz gelegen.
Wen es interessiert, der kann ja auf Goolge Maps mal suchen. Eine recht konservative Kleinstadt direkt am Meer. In Karasu und in dem in der Nähe gelegenen kleinen Fischerdorf Melenaǧzıverbrachte ich die ersten vier Jahre meines Lebens. Damals gab es hier noch keine Elektrizität und kein fliessend Wasser. Ich kann mich noch genau erinnern, wie meine Oma mich zu Bett brachte mit einer Öllampe in der Hand, im Ohr habe ich immer noch das Schürfen ihrer leichtfüßigen Schritte auf dem groben Dielenboden und das stetige Rauschen des Meeres. Meine Familie hat georgische Abstammung und zu dieser Zeit war georgisch noch die dominante Alltagssprache in manchen Vierteln und Dörfern der Region. So habe ich als Kind georgisch verstehen gelernt – zumindest den groben Dialekt, der in meiner Großfamilie gesprochen wurde. Sprechen kann ich es leider nicht.
Meine Mutter hat mir dann in München während meiner Kindergarten- und Grundschulzeit zuhause türkisch beigebracht und natürlich auch – wie es sich so in einer türkischen Familie gehörte – mir den mythischen türkischen Nationalhelden Kemal Atatürk, den ich dann Jahrelang mit verklärtem Blick verehrte. Mein Vater war damals noch Sozialist und in Identitätsfragen nicht so aufdringlich und konkret wie meine Mutter. Er hatte jedoch damals noch eine gewisse gesunde Distanz zu den ideologischen Fragen des Lebens, womit sich immer wieder Ernüchterung einschlich in meine, sich neu formierende Weltsicht.
Er machte sich schon immer über die Hodschas und die Muezzine lustig und war auch der erste, der mir eine kritische Haltung gegenüber Atatürk mit auf den Weg gab. Schließlich war jener es, der schon damals die Linken im Lande verfolgen ließ.
Atatürk war aber auch kein Freund der Hodschas, also des islamischen Klerus. Er tat sein bestes, um die Macht der religiösen Kräfte im Lande zu schmälern. Dazu muß gesagt werden, daß es zu dieser Zeit – nach der Abschaffung des Kalifats durch eben denselben Atatürk und seiner Reformen – im Islam keine zentrale leitende Instanz gegeben hat, wie zum Beispiel im Katholizismus der Papst, oder im orthodoxen Christentum den Patriarchen.
Auch waren die Scharen der Gläubigen schon lange vor der Abschaffung des Kalifen, unterteilt in Zugehörigkeiten zu bestimmten Orden, Bruderschaften, Konfessionen etc. etc. etc.. Man kann sich natürlich vorstellen, wie diese Organisationen nach der Schwächung und dem Wegfall der osmanischen Führungsriege in den ersten 2 Jahrzehnten des 20. Jhd’s versuchten, das dadurch entstandene Vakuum zu füllen.
Diese stetige Unruhe in den religiösen Zirkeln und auch die umtriebigen Aktivitäten der Linken waren einem disziplinierten Heeresleiter wie Atatürk natürlich ein Dorn im Auge. Deswegen wurden diese Kräfte mit der Macht, die ihm seine Triumphe als Offizier der osmanischen Armee bei Gallipoli 1916 und während des Befreiungskrieges von 1919 – 1922 einbrachten, einfach weggefegt, ins Exil getrieben, eliminiert etc. und auch diese innenpolitischen Triumphe gegen die „Spalter“ und die „Verräter“ in den eigenen Reihen wurden von nun an zu einem wesentlichen Teil seiner Staatspropaganda. Die grausame Zerschlagung des Kurdenaufstandes von Dersim 1936 und die Beschneidung der Minderheitenrechte in den 30’er Jahren können ebenfalls als unglückliche Beispiele einer seitdem üblichen Despotie in diesem Lande gesehen werden. Vergessen darf man allerdings nicht, dass die Alternative dazu – im Falle eines Einknickens und einer Schwächung des Systems – die Kolonisierung oder die unbedingte Abhängigkeit des Landes war. Dieses Risiko war Atatürk nach all dem Einsatz, den er für die Unabhängigkeit des Landes geleistet hatte, natürlich nicht bereit einzugehen.
Nun holt die Tragik der Geschichte die türkische Republik jedoch auf eine bestürzende Weise wieder ein. Denn Atatürk ist jetzt mal ordentlich „Out“ und sämtliche Errungenschaften der damals jungen, jetzt nicht mehr so jungen, aber immer noch genauso unbeholfenen Demokratie in diesem Lande werden nun, nachdem Tayyip Erdoǧan und seine Kader seit nunmehr fast 10 Jahren am Ruder sind, alle Stück für Stück demontiert. In Europa hat man ja eher genau den entgegengesetzten Eindruck: Das Land boomt und entwickelt sich immer mehr zum Stabilisator in der Region, die Demokratie gewinnt an Boden durch Reformen in der Verfassung und die Rückhaltlose Verfolgung politischer Straftäter und und und.
wenn man sich die Entwicklungen jedoch von der Nähe ansieht und auch interne Ansichten ab und an bemüht, bietet sich da ein anderes Bild. Erdoǧan und sein Kabinett holen sich ihre Stimmanteile in der Bevölkerung durch eine teilweise sehr gefährliche bauernschlaue Polemik, die immer auf einer sehr religiös-konservativen Basis fußt. Für einen gesunden Diskurs bleibt dabei hinter der allseits dominanten täglichen Demagogie und den marktschreierischen Reden der Politiker nicht viel Raum. Da werden in Sonderkommissionen im Parlament über Bildungsspezifische Fragen abgestimmt und dabei die stimmberechtigten Abgeordneten der Oppositionsparteien mit körpelicher Gewalt an der Stimmabgabe gehindert; Verfassungsänderungen in Pauschalpakete gepackt, in denen sich Gesetzesmodulierungen verstecken, die fast die ganze Jurikative des Landes in die Hände der Regierung stellt und noch so einiges, was hinterfragungswürdig wäre. Hinterfragt darf aber grundsätzlich genausowenig werden, wie vor der AKP-Regierung. Hinterfragen ist sowieso eher etwas für Weicheier. Wenn, dann wird gleich Sturm geblasen. Mit Vorliebe gegen Atatürk. Der fungiert jetzt als Blitzableiter, auf den man alles abwältzen kann. Er, der große Nationalheld war schon immer viel zu visionär und zu weitblickend, als dass man ihn hätte mal so stehen lassen können. Stattdessen wurde er durch hässliche Denkmäler, Büste, Masken, Fahnen, durch verklärte Publikationen und kritiklose Huldigung seit Jahrzehnten systematisch sinnentleert und somit eigentlich seiner eigenen Inhalte beraubt. So konnte seine omnipräsente Fratze – eines despotischen Dämons gleich – als reines Machtsymbol einer skrupellosen Militärdiktatur mit scheindemokratischem Anstrich benutzt werden. Jetzt wendet sich das Blatt zwar scheinbar, aber im Gunde bleibt der Despotismus bestehen.
Sämtliche Institutionen im Lande werden nun unterwandert von Bürokraten, die dem islamistischen Kapital nahestehen. Die Lautsprecher der Muezzine werden lauter gestellt und Bräuche aus vorrepublikanischer Zeit wieder aufgenommen. Auf dem Land werden Todesmeldungen, die vor Urzeiten eben auch durch die Muezzine vom Minarett ausgerufen wurden und von der der Salá Sure aus dem Koran eingeleitet werden jedesmal vorgenommen, wenn jemand in der Kleinstadt stirbt. Man stelle sich vor: bei einer etwas höheren Population erschallt durchschnittlich pro Tag eine Todesmeldung – Psychoterror!
Der steigende Stimmenanteil, den Erdogans Partei von mal zu mal einheimst, führt dazu, dass die Regierung immer mehr Bereiche der Legislative dominieren kann, Gesetze ändern kann und immer freizügiger schalten und walten kann. So hat die Regierung die wichtigsten Gremien der Jurikative in der Hand und kann somit ungeheuren Druck auf oppositionelle Politiker, Medien und auch einzelne Journalisten ausüben. Momentan sitzen mehr Journalisten im Gefängnis, als je zuvor. Teilweise mit scheinheiligen Begründungen und auch gerne mal über zwei Jahre lang in Untersuchungshaft ohne irgendeine Klageschrift.
Zwar werden die größten Übeltäter des Landes, nämlich die hochrangigen Offiziere und Generäle des Militärs, die die letzten großen Putschvorgänge und auch den militärischen Terror im Lande zu verantworten haben, vor Gericht gezerrt und für ihre Untaten belangt, aber trotzdem bleibt ein flaues Gefühl im Magen, denn man kann sich sicher sein, daß dies nicht nur aus Liebe zur Gerechtigkeit geschieht, sondern vielmehr, um eine machtpolitische Regulierung zugunsten einer anderen despotischen Macht im Lande einzuleiten: dem konservativen Islam.
Täglich werden Frauen von ihren eifersüchtigen Männern ermordet, junge Mädchen von ihren vermeintlichen Ehemännern missbraucht und misshandelt, ohne dass die Tätet eine große Strafe zu erwarten hätten. Denn der Mann hat hierzulande immer noch ein dominantes Vorrecht in Geschlechterfragen.
Das die unabhängige Justiz immer noch ein ferner Traum ist, zeigen die Prozesse um den internationalen Schwindelverein „Deniz Feneri e.V.“, über den – unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit für moslimische Glaubensbrüder und -schwestern – in Deutschland Spenden für Erdoǧans Wahlkampf im Jahr 2007 gesammelt wurden. Die deutschen Behörden haben den Fall aufgedeckt und haben die Gerichtsakten schon lange an die türkischen Justizbehörden weitergereicht, aber nun werden – statt der in dem Fall beschuldigten Drahtzieher – ebendiese türkischen Staatsanwälte belangt und verurteilt, die die Akten und somit den Fall an sich nahmen.
Auch der Fall um den 2007 auf offener Straße ermordeten armenischstämmigen Journalisten Hrant Dink zeugt nicht gerade von einem fortgeschrittenen Gerechtigkeitsbewusstsein. Seit Jahren versandet der Fall, weil systematisch Zeugenaussagen gefälscht und Beweissmittel beseitigt werden.
Der gesamte türkische Polizeiapparat ist seit Jahren von der sektenartigen Organisation eines der dubiosesten Gestalten der türkisch-islamischen Diaspora unterwandert: „Fethullah Gülen“. Gülen lebt seit Jahren in Amerika – ist aber eine unbestreitbar mächtige Gestalt im Land und auch in vielen Bereichen der islamischen Welt. Vor allem hat er ein riesiges Kapital im Rücken, von dem keiner genau weiss, wo es herstammt. Er leitet ein gigantisches Imperium von Seilschaften im wirtschaftlichen Bereich und beeinflußt die politischen Vorgänge im Land massiv.
Wichtige städtische und staatliche Kulturinstitutionen – wie z.B. die Theater – werden gerade von geradlinigen und strenggläubigen Bürokraten unterwandert, die die Intendanz der größten Kultureinrichtungen des Landes übernehmen und im Grunde natürlich nichts anderes machen, als zu zensieren (das äußern sie unverblümt selber in Diskussionsrunden im Fernsehen).
Die Türkei ist momentan in aller Munde und Istanbul als Metropole scheint groß zu boomen, aber die Entwicklungen in dem Land sind alles andere als romantisch. Es empfiehlt sich skeptisch zu sein und stark zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang spielt Atatürk immer noch eine große Rolle, denn auch in Anbetracht seiner historischen Schwächen, sollte man sich gerade jetzt auf seine positiven Errungenschaften besinnen und ihn im Spiegel der Zeit bewerten, in der er gelebt hat und auch im Rahmen der historischen Bedingungen.
Die Partei Tayyip Erdoǧans vertritt hingegen eine neue Form von Turbokapitalismus, die sich ganz bewußt immer weiter weg entfernt von einem sekularen Ansatz und somit auf gefährliche Weise Islamismus mit eindimensionalen neoliberalen Visionen zusammenbringt.
Wenn die innen- und aussenpolitischen Entwicklungen wieter so voranschreiten und die Türkei mit der chauvenistischen Haltung wie bisher auch noch als Regulator in nahen Osten auftritt und sich vielleicht sogar dazu verleiten lässt, in Syrien einzumarschieren, dann wird man sich wieder Mustafa Kemal Atatürk zuwenden und ihn sich herbeisehnen – vielleicht diesmal mehr nach seinen Inhalten, die er mit einer großen Visionskraft in den 20’er Jahren dieses Jahrhunderts auf den Tisch gelegt hat und weniger nach seiner leeren Heldenfassade.
Eines kann man bei aller Atatürkkritik nicht ignorieren: Er war einer der größten Staatsmänner seiner Zeit und hat die demokratischen Grundwerte geschaffen, auf deren Basis sein Erbe selber jetzt bekämpft wird. Es lohnt sich, ihn zu kritisieren, aber gegen ihn zu Felde zu ziehen, oder gar ihn zu ignorieren, wird nichts bringen. Das ist reine Verschwendung wertvoller Gewissensressoucen. Wer Atatürk als grausamen Diktator hinstellen will, der sollte das im gleichen Zuge mit Churchill und De Gaulle auch tun. Diese werden jedoch differenziert im Spiegel ihrer Zeit gesehen und das hat dieser Mensch meiner Meinung nach auch verdient.
Archiv für den Monat April 2012
We are your realities
biz senin gerçekleriniz
gidersen eǧer yine bekleriz
dönmek istemezsen hoşçakal deriz
ama unutma: seni severiz ve çok özleriz
sensiz ne yaparız biz sanki?
danke danke
aber ich habe viel zu tun
muss ab in die kiste um morgen lang im bett zu ruhn
denn ich flüchte
vor den realen banalitäten
vor der grossen show
im globalen klo
we just want to remember you
that our civilization
is in a very dificult situation
and we have a certain responsibility
to save it’s power and it’s dignity
seninle işimiz daha bitmedi
böyle şey olmaz
hiç de hoşumuza gitmedi
kalemini al ve tekrardan yaz
sorumluluklarından arındın
yanımızda olmadın
ve bizi çok ucuz sattın.
na seid doch mal realistisch!
es geht nicht nur ums geld,
sondern auch um die macht
und um die ist’s doch gut bestellt.
you know how we felt
when the cathastrophy happened.
now we expect from the world
that they go for the weapons!
tabii tabii
sorun deǧil ki abi
bizim çevremiz geniş
yoluna koyarız illâki!
wir sind verschiedene realitäten,
wir sind nicht hier zum schmeicheln.
es steht schlecht um dich,
wenn wir dich nicht mehr erreichen.
we are your realities
we don’t say please please please
we are your realities
and we’re not here to tease
we’ve got the media in our hands
the whole world waits for our commands
hope you’re in position!
we know your brain’s condition
we’ve got the dope that you need
we’re here to feed your brain, heart and soul
your greed keeps you deep down in a big black hole
we need more than you know
more than you know
more than you’ve ever known brother, mother, madam and mister
ich habe dich vermisst, entdeckt und registriert
du bist ein schön verziertes, auffälliges element
in einer vehement fremden welt
die sich immer weiter dreht
und immer kleiner und kleiner wird
du bist neugeboren, schaust verklärt und verwirrt
wir sind die sippschaft, die dich nun umwirbt
dein konsumverhalten wird ausspioniert
und du fängst an zu kaufen
noch vor dem laufen
aman ha!
bize sakın derdini yanma
dediǧimi anlamadıysan
bize de kanma
çünkü kalbinde ve dilinde düşünceler tutsak olmaz
öyle deǧilmi?
öyleyse konuş!
ama çoǧu konuşulanlar hoş ve boş
kanatlanmış çirkin bir kuş olmuş, uçmuş
medya yoluyla top gibi patlamış
seni de bizden almış götürmüş
we are your papa
your mama
your everything
we know you till the end and from the beginning
we tell you what to do
and we tell it all again
keep our eyes on you baby
when you’re sparkling!
rakın rol güzel
o herşeyi ile rakın rol
barok düşeslerinki gibi bembeyaz yüzü
biraz daǧınık kara saçları
herşey siyah zaten
güzel ve zarif vücudu üzerine çekilmis dar kot
ve onu dizlerine kadar baǧcıkları ile sarmalayan uzun çizmeleri
ve gövdesini art deko bir vazo gibi öne doǧru açıp ilgimize sunan tek düǧmeli jaket
hepsi siyah
çok minimalist bir renk uyumu
gözleri kömür gibi kara
bakışları sanki karamsar
ama gülümsemeyi iyi biliyor dudakları
ve teni dışında siyah olmayan tek yer de onlar
kıpkırmızılar
yakından bakıldıǧında ruj hafifce silinmiş
bira şişesi ve aǧzı arasında sık gerçekleşen temastandır bir ihtimal
o şişeler nasıl da dikilir öyle kafasını ensesine yatırarak?
sanki her an son damlasını içercesine?
hep aynı masada
hep aynı yöne dönük
masanın üstünde hep siyah kaplı blanko bir kitap ve kalem
ara sıra da yazar birşeyler
ve baya rakın rol
bakışlar kedi gibi boşluklara kaçamak
bakması gerekenin bakışlarını çeken bir vakuum
parmakarası sigara, el, kol, vücuttan uzak
ve acımasızca sunar buruk güzelliǧini
yüksek taburede bacak üstünde bacak
tutum belli
açık ve cesur
sanki bitmek bilmeyen bir hodri meydan
ve bildiǧin rakın rol
hem zarif, hem güclü, hem huzursuz, hem kapkara, hem sevecen
olursa olur – olmazsa olmaz
hep buradayım ama hem deǧilim
hep yakınım hem uzaǧım
diyecek derecede
yani tam gaz rakın rol!
olmaz ki bu kadar da rakın rol!
yapılması gereken
bakışmak
ve gülümsemek
ve gitmek ve demek:
sen çok şıksın ve çok rakın rol’sun!
o an dünya durdu!
güldü
hoşuna da gitmedi deǧil
ve dediki:
oy oy oy
evet ya, bu rakın rol beni öldürecek!
Ein kleiner Streifzug durch eine meiner zwei Heimatstädte
Das Konstantin Lips Kloster wird ca. 907 eingeweiht und war ursprünglich eine Klosterkirche. Der Name rührt von dem Bauherrn Konstantin Lips her, der einer der großen Flottenadmiräle des Byzantinischen Heeres war. Leider waren seine Nachfolger scheinbar nicht so erfolgreich, da sie es den Lateinern (also den Kreuzrittern) es ermöglichen, 1204 die Stadt dem Erboden gleich zu machen und auch diesen Bau stark zu beschädigen. Aber kurz nach der Lateinerherrschaft nimmt sich die Kaiserin Theodora ((gest. 1303, Gattin Michaels VIII. Palaiologos) des Gotteshauses an und stiftet einen Südkirchenanbau, der als Grablege für ihre Dynastie dienen wird.
Das für Laienauge recht unscheinbar wirkende alte Gemäuer liegt direkt am Adnan Menderes Boulevard und wird seit der Eroberung der Stadt der Städte durch Fatih Sultan Mehmet dem Eroberer unter dem Namen Fenari Isa als Moschee genutzt.
Hier übrigens der Links zu Google-Maps:
http://maps.google.com/maps?oe=utf-8&rls=org.mozilla:en-US:official&client=firefox-a&um=1&ie=UTF-8&q=fenari+isa+camii%2Bharita&fb=1&gl=tr&hq=fenari+isa+camii&cid=0,0,11079106005555239233&ei=4hmQT9alMobJsgbA-tScBA&sa=X&oi=local_result&ct=image&ved=0CA4Q_BI
Dieser Adnan Menderes, nach welchem der Boulevard benannt wurde, ist übrigens ein ehemaliger Premier der Türkischen Republik, dessen Regierung 1960 von einer Militärjunta weggeputscht wird. Er selber und zwei weitere Mitglieder des Kabinetts werden kurz darauf auf Yassi Ada (die flache Insel) im Marmara Meer erhängt. Ein trauriges Schicksal für einen Premier. Man kann sich denken, dass es zu dem Mann einiges zu sagen gibt. Er war ein größenwahnsinniger und der erste einer Reihe von neoliberalen Politikern, die der vermeintlich „freien Marktwirtschaft“ Tür und Tor öffneten und den Einzug in die türkische Wirtschaftspolitik erleichtert haben. Er hat Schulden aufnehmen lassen bei Onkel Amerika und frisches Kapital in die Märkte strömen lassen.
Das waren die 50’er. In dieser Zeit kamen all die Plymouths, Chryslers, Cadillacs und Dodges auf die Istanbuler Straßen. Alte schwere, gemütliche, komfortable Karossen, von denen einige noch bis in die 90’er hinein als Dolmus (Sammeltaxi) benutzt wurden. In den 80’ern sah es in den Straßen von Istanbul daher noch aus, wie auf Cuba, wo die Luxusflügelwägen aus dem gelobten Land des Kapitalismus zur selben Zeit Einzug hielten.
Die Insel Yassi Ada hat in der Zeit ihrer bisherigen Nutzung durch den Menschen nicht sonderlich vlel schönes erleben dürfen. Ab der spätkaiserzeitlich-Römischen Epoche (4. Jhd. n. Chr.) wurde sie als Verbannungsinsel für ungezogene Prinzen und Regimefeinde genutzt – weswegen die ganze Inselgruppe in Touristenführern immer noch als „Prinzeninseln“ bezeichnet werden. Lange Zeit ungenutzt, wurde sie dann Anfang des 19. Jhd’s von einem englischen Diplomaten aufgekauft und später wieder verkauft, bis sie in die Hände des türkischen Militärs geriet, das – wie oben schon erwähnt – nur Unfug damit trieb. Jetzt steht sie wieder leer.
Das Militär war ja in diesem Land fast so etwas wie eine permanente Heuschreckenplage. 3 mal hat es in republikanischer Zeit geputscht. Aber die Staatstreiche in vorrepublikanischer Zeit sind kaum an allen 10 Fingern mehr abzuzählen. In osmanischer Zeit kosteten die Yanitscharen (eine Eliteeinheit des osmanischen Heeres – ungefähr so wie die Prätorianer in Rom) in Istanbul einigen Sultanen den Kopf.
Das erste mal in der Geschichte des Landes stehen jetzt hohe Militärs gerade vor Gericht, und zwar auf Grund von vormals durchgeführter und aktueller Putschversuche. Fast die ganze Heerleitung sitzt momentan im Knast und es werden immer mehr Offiziere und Generäle. Die neue Regierung hat sich die Aufarbeitung der Vergehen des Militärstabs, sowie die Verhinderung aktueller Putschbestreben auf die Fahne geschrieben. Und derer gibt es anscheinend immer noch genug. Jeden Tag werden neue heimliche Waffendepots und Munitionsarsenale aufgedeckt. Die Nachrichtenmeldungen haben etwas surreales. Man fühlt sich in einem nichtenden wollenden schlechten B-Movie-Polit-Thriller, der mit den Genres Reality-TV und Standup-Comedy kokettiert.
Der Berufszweig mit den nächst-meistverhaftetsten Zugehörigen ist natürlich der der Journalisten. Die können hierzulande nämlich richtig unangenehm werden. Einige von ihnen sind äußerst gewissenhaft und zielstrebig und schreiben interessante Bücher, wie der soeben auf freien Fuß gesetzte und gleich wieder mit Anzeigen überhäufte „Ahmet Șık“.
Hier wird einem nie langweilig scheints.
Schnüffler
Ein guter Schnüffler muss wohl felsenfest davon überzeugt sein, dass es bei ihm selber nichts zu erschnüffeln gibt, um seine Arbeit, nämlich das Schnüffeln in anderer Leute Kram, gewissensfrei bewerkstelligen zu können. Andernfalls würde er sich ja ständig darum sorgen müssen, dass er selber auch beschnüffelt wird.
Natürlich wird er das und er weiss auch, dass er das wird, aber im Grunde – so denke ich mir – könnte er sich dann noch denken: „Wer bei mir rumschnüffelt ist ja selber schuld, denn er findet ja eh nix“. Aber so naiv kann ja eigentlich kein Schnüffler sein. Denn wenn ein Schnüffler was finden will, dann findet der auch was, nicht wahr?
Und so kommt es auch ab und an zu bösen Animositäten unter Schnüfflern. Na und da kann es schon mal unangenehm werden, so wurde mir verlautbart – aus einer sicheren Quelle, die sich in Schnüfflerkreisen auskennt.
Gottvater
Es gibt nur einen Gottvater
Und der heisst: „James Brown“
Glauben
Ein geschickt arrangiertes Konstrukt Ist die Schöpfung
In jeder Ecke versteckt sich ein kleiner, bis an die Zähne mit Zorn und leidenschaftlichem Mut bewaffneter Gnom, der sich mit Händen und Füßen gegen ihre bestimmende Allmacht wehrt.
Gott, Buddha und all die lieben Götter sind versammelt in einem Ehrenrund um eine reich gedeckte und geschmückte Tafel und lächeln gütig über den Einfallsreichtum und die glühende Phantasie ihrer Geschöpfe und Kinder.
Diese werden jedoch bald in der Lage sein, die Macht ihrer Unsterblichkeit aufzuheben.
„Oh allmächtiger Vater! unterschätze die, die du geschaffen hast nie!“, wollte Jesus noch sagen, als er am Kreuz hing. Gott sei dank: Er hat kurz davor das Bewustsein verloren und nach der Auferstehung ist ihm dieser wichtige Gedanke leider entfallen.
Die Aufregung glüht im Kern der Emotion und die Angst mit ihr. Aus der Verschmelzung wird der Honigtau der Sehnsucht gebohren und umhüllt die Sinne ab dem 8. Aufwärts mit einem Tüllnebel, der die Verwesung meisterhaft tarnt.
Das schreit nach einer Revolution !
Restart
restart emotions right behind your nose
without loss of your heart
we will shurely never miss our end
who knows when we will start?
shake your friends
restart your existence
let the ratrace begin
with a bionic circumstance
my virtual mentality
gives me a license to see
and to listen
your eyelid slides towards the ground
creating noise and rubble
all around
you’re still divin’ within my horizon
—————————————————-
You’re shaddering my lips, bebek
Look how they dance!
You’re shaddering my lips, bebek
Look how they dance!
—————————————————-
i know shadows
sometimes they rule over grand nations
and sink and suffer in their own strength of hasitation
salvation is a good value
so just believe in my bicycle
it will save your lovelife
it will groove you
whithout any costs for your think tank account
you think too much
anyhow
I don’t like that
do something you lazy surfacecontrolling unit!
Bebek Café
„Gewiss leben wir in verschiedenen Welten mein Freund“, sagt Daniel. „Wo du recht hast, hast du recht. Wie können wir das verhindern? Wenn man bedenkt, wie schwer es einem fällt, sich in das Seelengerüst seines nächsten Mitmenschen einzufühlen, dann ist es doch wohl ein leichtes zu begreifen, wie schwer es ist, die Empfindungen und Emotionen auszuloten, die ganze Kulturen bewegen“.
„Ich bin begeistert von der Kunst der Polarisierung“, erwiedert Erdal. Beide sitzen gegen Abend im Bebek-Café, einen zum charmanten Szenetreff mutierten alten Kaffeehaus neben einer kleinen schmucken Moschee aus dem beginnenden 20. Jhd. Das Café befindet sich im gleichnamigen äußerst idyllischen Uferviertel, direkt an der europäischen Seite des Bosporus, der Meeresenge, die bekanntlich die Großmetropole Istanbul in Europa und Asien unterteilt. Bebek ist „das“ Nobelviertel der Stadt, an dessen Uferpromenade die Edeljachten der oberen 10.000 Türken anliegen. Es herrscht ideales Herbstwetter mit T-shirt-tragetemperaturen anfang Oktober. Im Café selber tummeln sich die Elitefreaks der Nation. Meist wohlhabende, gutausgebildete, mehrsprachige Bohemiens und Weltenbürger, Menschen, die den ganzen Tag Business machen mit ’nem Gläschen Tee in der Hand, Mobiltelefon am Ohr und sich auf der Weltkarte auskennen, wie Hochseekapitäne. Alle tragen sie die obligatorische Jeans und den ausgelassenen Freizeitlook, der dieserorts das Businessoutfit ersetzt.
„Ja“ fällt daraufhin Daniel wieder ein: „Die Polarisierung – der ideale Fluchtpunkt für eine solche Stadt und ihre Bewohner. Nichts ist hier leichter zu erzeugen, als das. Z.B. braucht es nur eine etwas misslungene Papstrede und schon wird ein Passagierflugzeug der Turkish Airlines auf dem Weg nach Rom entführt. Alle Welt erwartet den blutrünstigen Racheakt eines gekränkten Fundamentalisten. Dabei ist es nur der Nachfahre von einst zum Islam zwangskonvertierten Christen, der mit der Flugzeugentführung den Vatikan auf seine persönliche schwierige Situation als Fahnenflüchtiger hinzuweisen sucht und keine Lust hat in der Armee eines muslimisch geprägten Landes zu dienen. Der Flieger wird noch am selben Abend friedlich und ohne menschliche und materielle Verluste zu Boden gebracht. Die Entführer sitzen im italienischen Gefängnis und der Medienapparat beginnt die Tagespresse peu á peu mit Gerüchten, Zitaten, Ausschnitten aus Bekennerbriefen, Verschwörungstheorien etc. zu füttern. Natürlich ist nicht ganz klar, wer, warum, weshalb. Superstory, kann man noch ein bisschen dehnen. Bam – perfekt – sitzt wie ein Ass im Ärmel“.
Daniel und Erdal sind zwei von drei, etwas verlottert aussehenden Lokalhelden, die sich gerade zu einem Tee hier getroffen haben und sich köstlichst amüsieren. Die äußere Erscheinung ist hier nicht so wichtig für Leute wie sie. Man kennt sie und weiss ihre direkte, unverblümte Art zu schätzen. Erdal ist ein Schauspieler, der sich sein Geld mit Auftritten in den landesweit recht beliebten Vorabendserien verdient, Daniel hingegen ein stadtbekannter Freak, Barbesitzer, Diamantenhändler, Hans Dampf in allen Gassen. Wenn man ihm in sein schmales verschmitztes Gesicht mit seinen stahlblauen Augen sieht und ihn unentwegt schnattern hört mit seiner hohen, aufdringlichen Stimme, dann kann man sich den kleinen Lausejungen gut vorstellen, der sich die Tage und Nächte am Ufer des Bosporus rumschlug, kreischend von den hohen Aufbauten der Fischkutter ins Wasser sprang und mit der bloßen Hand die Meeräschen aus dem Wasser holte, indem er sie schwärmeweise mit kleinen Brotklumpen anlockte.
Zu guter letzt wäre noch Ümit zu nennen, ein etwas gealterter, jedoch sehr erfolgreicher Popmusiker und Superstar mit Attitüde. Er ist nicht nur älter, sondern auch etwas erfolgreicher als die beiden anderen, was ihm anerkennende Blicke von allen Seiten einbringt, die er mit routiniert zurückhaltender Geste erwidert.
Die Unterhaltung dreht sich – wie so oft – um das Land. Man macht sich lusig, über die Bemühungen der Regierung, einen souveränen Staat vorzutäuschen. Szenarien werden am Tisch im Bebek-Café in drehbuchartigen Skizzen improvisiert. Wunderschöne tragikomische Momentaufnahmen aus der Realität dieses Planeten.
Sie leben in einer Welt, in der die Staatsreligion längst Einzug gehalten hat in alle Bereiche der Tagespolitik, der Medien und sogar den großen neuen Pop- und Modephänomenen ihre Ränge streitig macht. Es ist Fastenzeit. Der heilige Monat Ramadan verlangt den liberalen Gesellschaftsschichten – besonders den etwas populäreren Bohemiens und Künstlern – viele Entbehrungen ab. Man fühlt sich seltsam schuldig beim Essen, Trinken und Rauchen in der Öffentlichkeit. Und wenn man nichts dergleichen tut, kann man trotzdem die Frage nach der Einhaltung des Fastengebots in den Augen der Passanten lesen. Mehr als je zuvor wie es scheint.
Ümit beschwert sich über die subtile und öffentliche Allmacht der Imame und Religionsgelehrten in den Fernseh- und Radiokanälen und droht damit, wegzuziehen: „Nach Europa? Niemals! Ich war schon oft auf Tour dort. Es ist herrlich. Die Ordnung, die Ruhe, die Parkanlagen, keiner belästigt dich, keiner will dir auf der Straße was andrehen. Anfangs war es wie im Traum. Die Parks liebte ich besonders. Ich konnte stundenlang dort sitzen und lesen, die Menschen beobachten und die Muße walten lassen. Aber wenn man aus einer Stadt wie Istanbul kommt, dann wird einem das nach ein Paar Tagen zu viel. Irgendwann war ich soweit, daß ich die Leute anbrüllen hätte können: `Macht doch mal einer den Mund auf, verdammt! Wie kann man nur so lange, so still vor sich hinsitzen? Hat denn keiner was zu sagen, in diesem verfluchten Park?‘. Nein, nein mein Freund. Für mich gäbe es nur eine Alternative: New York – Amerika natürlich, was sonst?“
Ungläubiges Schmunzeln in der Runde. Es wirkt so, als hätte er das schon oft gesagt, der Ümit. Seine Klage verebbt im herbstlichen Abendhimmel an dem sich der Sonnenuntergang lange zuvor durch ein sanftes Farbenspiel ankündigt. Die Stadt der Städte ist wieder einmal zum verlieben. Also stimmen alle ein in einen Lobgesang auf ihre Heimatstadt, so als ob sie die bösen Geister, die Ümit mit seiner wehklagenden Drohung vermeintlich rief mit einer Art andächtigen Buße vertreiben wollten. Für eine kurze Zeit wird der Zynismus und das Gelächter unterbrochen durch eine fast besinnliche Stille, die sich am Tisch breitmacht.
In diesen kurzen Moment der Stille platzt nun Erol hinein, der schon von weitem mit ironischem Gezeter empfangen wird. Erol ist – laut Daniel – Professor der Alltagsgaunerei und, ebenso wie dieser, am Bosporus geboren und aufgewachsen. Er verdient sein Geld mit zwei illegalen Autoparkplätzen, die er in den Seitenstraßen des Beyogluviertels im Zentrum der Stadt betreibt und dem Handel mit Booten, Jachten und Liegeplätzen im Hafen von Bebek. Ein recht unscheinbarer, herzlicher Typ, der kein Problem damit hat, über seinen Tagesablauf und über Geld zu reden. Erol lädt die Gesellschaft auf ein bescheidenes Fischerboot ein und man beschließt, dort gemeinsam einen zu kiffen. Ümit ist das zu riskant – er hat ein Ansehen zu verlieren und will die Herzen seiner großen Anhängerschar nicht mit skandalösen Presseberichten brechen. Er verlässt die Gruppe.
Die bürgerliche Gesellschaft der Millionenmetropole geht mit Kind und Kegel an der Promenade spazieren, während der Rest der lässigen Truppe unter den überraschten Blicken der Passanten gemütlich am Ufer entlangschlendert, das am Dock anliegende Boot besteigt und es sich darin gemütlich macht. Sie sind sich ihrer Sonderrolle bewusst und geniessen sie.
Erdal, der etwas stämmige und immer etwas verkatert wirkende Schauspieler mit den kurzen, dunklen, lockigen Haaren und dem massigen Gesicht trägt eine Fischerweste über dem abgetragenen Flanellhemd, aus deren linker Tasche er eine Tüte mit Gras und den sonstigen Rauchutensilien kramt. Währenddessen hat es sich Daniel in der Kabine des Fischerbootes gemütlich gemacht, das so angetaut ist, dass man das Geschehen im inneren des Bootes von der Promenade aus nicht sehen kann.
Daniel plant eine Musikproduktion mit Ümit und einigen anderen national und international bekannten Musikgrößen. Er beschwert sich darüber, dass Ümit in der Öffentlichkeit oft als ein zum Islam konvertierter Jude bezeichnet wird, nur weil er einen etwas aussergewöhnlich westlich klingenden Nachnamen hat, zumal diese Gerüchte immer eine etwas negative Konnotation tragen. Erdal schlägt Daniel vor, dass dieser einen bekannten armenischen Perkussionisten und Sänger in sein nächstes Projekt miteinbezieht, aber dieser ist Daniel zu sehr auf die armenisch-türkische Problematik fixiert und sorgt regelmässig zu sehr für Unruhe mit seinen emotionalen Statements. „Die Volksseele ist empfindlich. Es ist eine Zeit, in der die EU-Aufnahmeverhandlungen sowieso schon soviel Staub um die Minderheitenrechte aufwirbeln. Das ist für ein kommerziell gepoltes Musikprojekt zu riskant“.
Da betritt eine zierliche weibliche Gestalt das Boot. Sie hat ihre Haare zusammengebunden und trägt eine Sonnenbrille und einen weissen Fleur um den Hals. Sie heißt Sibel und ist Grafikerin ohne feste Bleibe, die sich temporär auf dem großen Boot des Hafenbetreibers Burhan eingerichtet hat.
„Hast du den Typen jetzt endlich angerufen?“ fragt Daniel sie unmittelbar, nachdem sie es sich auf der Seitenbank gemütlich gemacht hat und einen Zug von dem Joint genommen hat, der gerade ‚rumgeht. „Nein, Daniel!“ antwortet sie mit einem verschmitzt mitleiderregenden Gesichtsausdruck. „Ich sage dir, irgendetwas passiert mit mir. Ich bin zu einer Frau geworden, die Jobs aus Willkür ablehnt, oder weil ihr die Arbeitszeiten nicht passen, und das, obwohl sie keinen Cent besitzt und eigentlich dringend arbeiten müsste. Ich bin eine verwöhnte Zicke, Daniel!“.
Daniel ist so etwas wie eine Mischung aus guter Geist und autoritärer Pate. Er fühlt sich für alles und jeden zuständig und verbringt viel Zeit damit, seinen Mitmenschen zu helfen und dadurch seine Anerkennung in der Gruppe zu festigen. Man kann eigentlich sagen, dass das sein Hauptjob ist. Er ist anfang Vierzig und wohnt in Baltalimani am Bosporus und hat einen Chauffeur, den er sich mit ein Paar Freunden teilt. Dieser Chauffeur kauft für ihn ein und kutschiert ihn duch die Gegend, wenn er mal gerade nicht mit seinem Motorrad unterwegs ist.
Wie er sich das leisten kann, weiss keiner so genau, denn er erzählt immer davon, dass er sein durch Diamantenhandel verdientes Geld immer sehr schnell wieder verprasst. Daniel entstammt einer angesehenen jüdischen Händlerfamilie. Die Tatsache, dass seine Großmutter ihm immer noch selbstgemachtes Essen in rauen Mengen nach Hause schickt, nimmt er gelassen. Diese Lieferungen sind teilweise so umfangreich, dass Daniel und seine Freundin regelmässig Freunde zum Essen einladen müssen, da sie sonst nicht wüssten, wohin mit den ganzen Leckereien. Und das Essen zurückzuschicken, würde der Oma wahrlich das Herz brechen.
„Ich werde dir mal was sagen, Mädel“ setzt Daniel zur Antwort auf Sibels Selbstbekenntnis an: „ Meine Oma sagt: Wenn du im Recht bist, steh aufrecht, aber wenn du im Unrecht bist, senke dein Haupt in Erwartung des Henkerbeils. Du musst dich leider von mir zusammenscheissen lassen, meine Gute. Hör mal: Du jammerst mich die ganze Zeit voll, dass du’n Job brauchst. Ich setze für dich sämtlichen Beziehungen in Bewegung, um dir ein Vorstellungsgespräch zu verschaffen und du antwortest mir mit so was.“ Erol mischt sich ins Gespräch ein und empfiehlt Sibel, dass sie sich als Mittellose bei der Bezirksdirektion melden soll. Er hätte das auch so gemacht und würde immer noch eine kleine Hilfe vom Staat beziehen.
Allgemeines Gelächter.
„Du hast ja gut lachen mit deinen ganzen Diamanten, die du in deinem Geheimdepot verwahrst.“, meint Erdal zu Daniel. Daraufhin folgt eine imaginäre Auflistung der Vermögensbestände aller Anwesenden, die unter gemeinsamem Gelächter fortlaufend um kleine hinzugedichtete, abstruse Details ausgeschmückt werden.
In das Gelächter fällt der 4. Gebetsruf des Muezzins. Er läutet gleichzeitig das Abendessen für alle fastenden Muslime ein. In grösseren Städten ertönt der Ruf des Muezzins immer mehrstimmig, je nach dem, wie viele Minarette gerade in Hörweite sind.
Sibel hat sich zurückgelehnt und betrachtet die Sterne. Still wird der Joint weitergereicht.