Schmachtfetzen #13: Allı Durnam Bizim Ele Varırsan

Dies ist ein türkisches Volkslied, das ursprünglich vom Volksbarden Hacı Taşan stammt und von Muzaffer Sarısözen in das türkische Volksliedarchiv übernommen wurde. Sarısözen war einer dieser unermüdlichen Musikarchivare, die in der ersten Hälfte des 20. Jhd.’s auf den Spuren der großen Volksbarden und der seit Generationen überlieferten Volkslieder durch Anatolien gepilgert sind. Sie haben Aufnahmen gemacht, haben Text- und Melodieversionen verglichen, Noten analysiert, Texte archiviert und Standardwerke zusammengestellt. Dieses unermeßliche reiche Repertoire an Liedern wurde dann vor allem im türkischen Staatssender TRT rauf und runtergespielt und und diente somit in den Siebzigern auch als Grundlage für die Entwicklung des modernen türkischen Pop – dankbar angenommen von Interpreten wie Barış Manço, Selda Bağcan, Cem Karaca, Moğollar, Ersen ve Dadaşlar, Erkin Koray etc..

Hier zwei Versionen dieses Liedes: Die erste ist von Ruhi Su. Su war Vertreter einer neuen Riege von hochtalentierten Musikern, die im Gegensatz zu den psychedelic Rockern der Siebziger, nicht mit Wawa-Pedal und Synthesizern rumexperimentiert, sondern sich der vielstimmigen Chorarbeit zugewandt und alte Volkslieder für den Chor aufgearbeitet haben. Su hat aber auch viele Alben solo – mit der traditionellen Bağlama und klarer Stimme – aufgenommen. Seine Absicht war es, die Volksmusik als gesellschaftlichen Wert in eine neue Ära zu tragen und auch sein Stil ist eher politisch geprägt: Ruhi Su war ein linker Aktivist mit aufrichtiger oppositioneller Haltung. Noch dazu war er armenischstämmig: seine Eltern wurden zur Zeit der Progrome gegen sein Volk 1915 umgebracht. Er landete in einem Waisenheim. Musik war seine einzige Zuflucht und wurde zu seinem expressiven Äusserungmittel:

Allı durnam bizim ele varırsan
Şeker söyle kaymak söyle bal söyle.
Gülüm gülüm
Kırıldı kolum
Tutmuyor elim durnalar hey
Ah gülüm gülüm
Yar gülüm gülüm
Kız gülüm gülüm durnalar hey
Eğer bizi sual eden olursa
Boynu bükük benzi soluk yar söyle
Mein roter Kranich
Wenn du in unsere Heimat kommen solltest,
Dann bestell Zucker, Sahne und HonigAch meine Rose,
Meine Hand greift nicht mehr,
Mein Arm ist gebrochen,
Ach mein rosiges Mädchen,
Ach ihr Kraniche.Mein roter Kranich,
Falls jemand nach uns fragen sollte,
Berichte von einem blassen Geliebten,
In Trauer geneigt.

Dieser Song begleitet mich seit meiner Kindheit. Eine seiner Platten, die mein Vater damals noch gekauft hat steht immer noch in meinem Regal und gehört zu den wertvollsten Dingen, die ich besitze.

Die zweite Version dieses Liedes, die Ich ebenfalls sehr gerne mag ist instrumental. Es ist eine – für seine Zeit – recht gut gelungene Jazz-Soul-Version vom Erol Pekcan Orchester. Das Saxophon wird von einem gewissen Öner Ünal gespielt:

Urlaub vom Alien

Der tägliche Kniefall vor dem Anspruch des kleinen Selbstbildes erzeugt zynischen Humor und ein zerknirschtes kreideweißes Gesicht. Umso schlechter ist die Laune jeden Morgen, denn die Konkurrenz ist groß. Das ist die größte Plage im Leben. Die Ellbogen sind gespitzt und gekrönt mit einem herrschaftlichen Gönnerlächeln. Die dunklen Witze verselbständigen sich und werden zum daily Business, bis man sich wundert, welch großes Arschloch man doch mit der Zeit geworden ist. Aber auch das nimmt man mit Humor, denn im Endeffekt sind diese Momente wie Ordensabzeichen auf der stolzen Brust des verwöhnten kleinen weißen Windelkackers, als der man eben geboren wurde, als das heilige Opfer der Tätergesellschaft, das direkt aus dem Mutterleib auf den Altar geplumpst ist.

Die Karrieresucht der Mama liegt hinter einem, wie ein Schlachtfeld und die Ignoranz des selbstverliebten Vaters glänzt wie ein Goldsaum weit weg am Horizont. Genau deswegen erstrecken sich die Einsamkeit und die Verzweiflung vor einem wie eine Wüste aus Treibsand. Da sitzt man nun und heult herum im vollen Bewußtsein, dass man sich im Epizentrum der Luxuswehwehchen befindet..

Da draußen merkt natürlich keiner was von dem Pipikaka-Krieg. Die Chaträume beben vor Kraftmeierei und geschickt gesetztem Szenario.

Opfer, Opfer, Opfer… Wenn man alleine nur bedenkt, was im Laufe der Jahrhunderte aus diesem hochspirituellen Wort geworden ist? Eine Selbstzuweisung in der sich Faschisten baden, wie Kleopatra in Eselsmilch, während sie ihre Krokodilstränen in speziellen Behältnissen sammeln, wie Peter Ustinov als Nero auf einer Terrasse des Kapitols während er Rom beim Brand zusieht. Wie ehrlich sind da doch die „deutschen“ Hip Hop Produzenten in Berlin-Kreuzberg, Köln-Kalk und Bielefeld-Baumheide, die den Begriff aufrichtig als Schimpfwort benutzen. Denn das ist er eigentlich.

Also ich bin lieber legal Alien auf Dauerurlaub mit dem Pass eines weißen Windelkackers.