Ein kleiner Streifzug durch eine meiner zwei Heimatstädte

Das Konstantin Lips Kloster wird ca. 907 eingeweiht und war ursprünglich eine Klosterkirche. Der Name rührt von dem Bauherrn Konstantin Lips her, der einer der großen Flottenadmiräle des Byzantinischen Heeres war. Leider waren seine Nachfolger scheinbar nicht so erfolgreich, da sie es den Lateinern (also den Kreuzrittern) es ermöglichen, 1204 die Stadt dem Erboden gleich zu machen und auch diesen Bau stark zu beschädigen. Aber kurz nach der Lateinerherrschaft nimmt sich die Kaiserin Theodora ((gest. 1303, Gattin Michaels VIII. Palaiologos) des Gotteshauses an und stiftet einen Südkirchenanbau, der als Grablege für ihre Dynastie dienen wird.
Das für Laienauge recht unscheinbar wirkende alte Gemäuer liegt direkt am Adnan Menderes Boulevard und wird seit der Eroberung der Stadt der Städte durch Fatih Sultan Mehmet dem Eroberer unter dem Namen Fenari Isa als Moschee genutzt.

Hier übrigens der Links zu Google-Maps:
http://maps.google.com/maps?oe=utf-8&rls=org.mozilla:en-US:official&client=firefox-a&um=1&ie=UTF-8&q=fenari+isa+camii%2Bharita&fb=1&gl=tr&hq=fenari+isa+camii&cid=0,0,11079106005555239233&ei=4hmQT9alMobJsgbA-tScBA&sa=X&oi=local_result&ct=image&ved=0CA4Q_BI

Dieser Adnan Menderes, nach welchem der Boulevard benannt wurde, ist übrigens ein ehemaliger Premier der Türkischen Republik, dessen Regierung 1960 von einer Militärjunta weggeputscht wird. Er selber und zwei weitere Mitglieder des Kabinetts werden kurz darauf auf Yassi Ada (die flache Insel) im Marmara Meer erhängt. Ein trauriges Schicksal für einen Premier. Man kann sich denken, dass es zu dem Mann einiges zu sagen gibt. Er war ein größenwahnsinniger und der erste einer Reihe von neoliberalen Politikern, die der vermeintlich „freien Marktwirtschaft“ Tür und Tor öffneten und den Einzug in die türkische Wirtschaftspolitik erleichtert haben. Er hat Schulden aufnehmen lassen bei Onkel Amerika und frisches Kapital in die Märkte strömen lassen.

Das waren die 50’er. In dieser Zeit kamen all die Plymouths, Chryslers, Cadillacs und Dodges auf die Istanbuler Straßen. Alte schwere, gemütliche, komfortable Karossen, von denen einige noch bis in die 90’er hinein als Dolmus (Sammeltaxi) benutzt wurden. In den 80’ern sah es in den Straßen von Istanbul daher noch aus, wie auf Cuba, wo die Luxusflügelwägen aus dem gelobten Land des Kapitalismus zur selben Zeit Einzug hielten.

Die Insel Yassi Ada hat in der Zeit ihrer bisherigen Nutzung durch den Menschen nicht sonderlich vlel schönes erleben dürfen. Ab der spätkaiserzeitlich-Römischen Epoche (4. Jhd. n. Chr.) wurde sie als Verbannungsinsel für ungezogene Prinzen und Regimefeinde genutzt – weswegen die ganze Inselgruppe in Touristenführern immer noch als „Prinzeninseln“ bezeichnet werden. Lange Zeit ungenutzt, wurde sie dann Anfang des 19. Jhd’s von einem englischen Diplomaten aufgekauft und später wieder verkauft, bis sie in die Hände des türkischen Militärs geriet, das – wie oben schon erwähnt – nur Unfug damit trieb. Jetzt steht sie wieder leer.

Das Militär war ja in diesem Land fast so etwas wie eine permanente Heuschreckenplage. 3 mal hat es in republikanischer Zeit geputscht. Aber die Staatstreiche in vorrepublikanischer Zeit sind kaum an allen 10 Fingern mehr abzuzählen. In osmanischer Zeit kosteten die Yanitscharen (eine Eliteeinheit des osmanischen Heeres – ungefähr so wie die Prätorianer in Rom) in Istanbul einigen Sultanen den Kopf.

Das erste mal in der Geschichte des Landes stehen jetzt hohe Militärs gerade vor Gericht, und zwar auf Grund von vormals durchgeführter und aktueller Putschversuche. Fast die ganze Heerleitung sitzt momentan im Knast und es werden immer mehr Offiziere und Generäle. Die neue Regierung hat sich die Aufarbeitung der Vergehen des Militärstabs, sowie die Verhinderung aktueller Putschbestreben auf die Fahne geschrieben. Und derer gibt es anscheinend immer noch genug. Jeden Tag werden neue heimliche Waffendepots und Munitionsarsenale aufgedeckt. Die Nachrichtenmeldungen haben etwas surreales. Man fühlt sich in einem nichtenden wollenden schlechten B-Movie-Polit-Thriller, der mit den Genres Reality-TV und Standup-Comedy kokettiert.

Der Berufszweig mit den nächst-meistverhaftetsten Zugehörigen ist natürlich der der Journalisten. Die können hierzulande nämlich richtig unangenehm werden. Einige von ihnen sind äußerst gewissenhaft und zielstrebig und schreiben interessante Bücher, wie der soeben auf freien Fuß gesetzte und gleich wieder mit Anzeigen überhäufte „Ahmet Șık“.

Hier wird einem nie langweilig scheints.

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