„Der Vater allen Übels“ – Gedanken zum Umgang Deutschlands mit seiner gesellschaftlichen Vielfalt

Vor 60 Jahren wurde das Anwerbeabkommen mit der Türei unterzeichnet, in dessen Zuge hunderttausende Menschen mit Arbeitsverträgen in der Tasche nach Deutschland kamen. Die meisten von ihnen kamen am Gleis 11 in München an und wurden von dort weiterverteilt an ihre Arbeitsstätten in ganz Deutschland.

Vielleicht werden sich einige von Euch erinnern: Im Jahr 2018 kam es zu gewaltsamen rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz. Der aktuell noch amtierende Heimat- und Innenminster hatte in der Folge eine lange Zeit geschwiegen. Es war die Zeit, als er noch seinen 69. Geburtstag mit 69 Abschiebungen von asylsuchenden Afghan*innen feierte.

Ich hatte mir von ihm damals sowieso kein besonders relevantes Statement bezüglich dieser Thematik erwartet.

Ich sollte mich leider irren!

Nach einer endlos scheinenden Zeit des Schweigens gab er dann schließlich folgendes Zitat von sich: „Die Migration ist die Mutter allen Übels“.

Ich verspürte für kurze Zeit den Ansatz einer Bestürzung, doch sie wandelte sich umgehend um in eine schwer zu bändigende Wut.

Ich wurde wütend, weil ich die Sinneshaltung, die dieser Satz wiederspiegelt seit sehr langer Zeit sehr genau kenne. Ich weiss, wieviel Ignoranz in ihm steckt,
Einfalt, Unwissen und Bewusstseinsmangel.

Die Opfer-Täter-Umkehrung, die hier stattfand ist nur ein Nebeneffekt.

Diese Sinneshaltung kennt nur die Endresultate kultureller Entwicklungen und feiert sich dafür in der Jetztzeit selber. Sie wird in einem elitären, bürgerlichen Millieu gelebt, dass sich auf die Errungenschaften des Humanismus beruft. Solche Menschen schliessen humanistische Gymnasien ab und wachsen auf mit den Dichter*innen und Denker*innen der Aufklärung, garnieren ihre Bildungserfahrung mit griechischer und römischer Mythologie. Sie Berufen sich auf die klassische Antike, sie Identifizieren sich mit ihr. Daher auch der Begriff der Mutter allen Übels, der ja direkt der griechischen Mythologie entnommen ist: er bezeichnet im Grunde die mythische Gestalt der Pandora, die erste Frau auf Erden, entstanden aus der List der eifersüchtigen Gött*innen, die den Menschen in einer Büchse alle großen Übel und Schlechtigkeiten gebracht haben soll. Das ist ein uraltes toxisches Frauenbild, dessen sich der Innenminister hier bedient. Das nur am Rande bemerkt.

Besagte Sinneshaltung hat Schwierigkeiten damit, die Grundlagen ihrer historischen Identität mit ihrer gegenwärtigen Situation zu verknüpfen. Denn wenn sie dies tun würde, dann würde der Innenminister dieses Landes wissen:

dass es ohne die Migration die Renaissance nie gegeben hätte.
dass es ohne sie die griechische Kolonisation und die Gründungen griechischer Stadtstaaten nie gegeben hätte,
dass es ohne Migration weder die Seidenstrasse, noch die Gewürzstrasse gegeben hätte,
dass es ohne Migration auch keine Handelskultur geben hätte können, auf der bekanntlich die Idee des Wirtschaftsliberalismus fusst.
dass es die Migration war, die unter anderem auch die Musikkultur über den Globus transportiert und somit ihre ständige Weiterentwicklung vorangetrieben hat.
dass es ohne die Migration von deutschen Wirtschaftsmigrant*innen zum Beispiel einen wesentlichen Teil der Neuen Welt, wie wir sie heute kennen, nicht gegeben hätte.
Und das sind nur einige wenige Beispiele. Die Liste lässt sich unendlich lang fortsetzen.
Ein Mensch, der einen bestimmten Bildungsstand aufweist müsste deswegen eigentlich wissen, dass die Migration nicht die Mutter allen Übels, sondern vielmehr der Ursprung jeglicher Kultur auf dieser Welt ist.

Ich könnte mich damit begnügen den Herrn Innenminister und Ähnlichgesinnte auf diese Kette von Wissenslücken hinzuweisen und mich zuversichtlich der gemeinsamen vielfältigen Zukunft in Deutschland zuwenden (die unausweichlich kommen wird!).

…wenn da nicht so schicksalshafte Ortsnamen wären, die mich tagtäglich begleiten: Rostock/Lichtenhagen, Mölln, Solingen, wenn der NSU Komplex und unzählige andere rechtsradikale gewaltvolle Übergriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund nicht gewesen wären.

Im Lichte all dieser historischen Realitäten dieses Landes kann ich mich leider nicht mit einer Würdigung der Leistungen all dieser Menschen begnügen, die vor fast 60 Jahren hier am Gleis 11 am Münchner Hauptbahnhof ankamen, ihre Leben hier aufbauten, unglaubliches leisteten unter einem enormen gesellschaftlichen Druck und einer enormen Leistungserwartung, im Schatten täglicher Diskriminierungen und Segregation.

Menschen, die seit Generationen zum grossteil in Schichtarbeit und oft auch in mehreren parallel laufenden Jobs ihre Existenz hart erarbeiten, ihre Steuern zahlen, ihren wirtschaftlichen und kulturellen Betrag leisten in dieser Gesellschaft.

…sich aber gleichzeitig um die Bildung ihrer Kinder sorgen mussten, weil sie jeden Tag ihrer Benachteiligung und Diskriminierung Zeuge wurden, in einer Gesellschaft, die nach 60 Jahren erst Ansatzweise in der Lage ist, damit zu Beginnen, die Potentiale von Menschen mit vielfältigen Sprach-, Lebens- und Gesellschaftserfahrungen zu nutzen, einzusehen, dass diese Menschen seit Jahrzehnten mit Haut, Haaren, Leib und Seele hierher gehören, dass sie die Gesellschaft und auch das Wesen Deutschlands mitgestalten und mitentwickeln.

Nein ich kann mich nicht damit begnügen, dies alles festzustellen und uns allen ins Bewußtsein zu rufen.

Ich muß leider einen Schritt weiter gehen:

Für mich stellten die besagten Worte des Innenministers der Bundesrepublik Deutschland nicht nur einen dreisten Diskriminierungsversuch dar, den ich in gewohnter Manier mit dem Handrücken vom Tisch fegen könnte. Nein! Diese Worte empfand ich als eine Drohung!

Nicht für mich. Plumpe Drohungen machen mir schon lange keine Angst mehr. Ich hatte keine Angst um mich.

Ich hatte Angst um unsere Kinder, unsere Älteren, unsere Familien, unser aller friedliches Zusammenleben. Darum habe ich mich gesorgt. Ich habe ein wesentliches Bedürfnis empfunden, das vielen Menschen in sehr hohen politischen Positionen in diesem Land zu fehlen scheint: Verantwortung für diese Gesellschaft.

Und es machte mich Wütend, denn ich war mir leider dessen Bewusst, dass auf solche Worte Taten folgen würden.

Und es folgten Taten.

Es wurden junge unschuldige Menschen in Hanau aus dem Leben gerissen. Auch in Halle, wo eine Synagoge bei hellichtem Tag unverfroren angefriffen wurde. Ein Politiker in Kassel musste sein Leben lassen.

Dessen allen müssen wir uns Bewusst sein, wenn wir an dem heutigen Tag dem Anwerbeabkommen mit der Türkei gedenken, wenn wir uns über das Phänomen der Arbeitsmigration im Allgemeinen Gedanken machen.

Ich für meine Person schaffe den Sprung von der Opferposition herauf auf Bühnen und vor Mikrophone, bin einigermassen sicht-, -les und hörbar. Abertausende schaffen diesen Sprung nicht. All diesen Menschen will ich hier ein Sprachrohr sein: ihr seid nicht allein! Ihr werdet anerkannt! Ihr seid wichtig und ihr gehört hierher!

Aber die Wut und das Unverständnis alleine hilft nicht. Auch die gutgemeinte politische Geste hilft nicht. Worte helfen auch nicht.

Das einzige was hilft, ist der ehrliche, aufrichtige Wille, sich gegenseitig in erster Linie als Menschen an zu erkennen. Das ist die Grundlage aus der auch ehrliche Solidarität erwachsen kann. Wohlgemerkt: hier geht es nicht um Nächstenliebe! Es geht viel mehr um die Dringlichkeit und den Willen, eine zukunftsfähige Gesellschaft zu formen, in der wir kein einziges Potential verschwenderisch unserem gleichmut opfern und somit vergeuden, denn das können wir uns nicht leisten.

Wir sind Menschen. Wir sind einzigartig! Wir haben vieles erschaffen, aber nochmal soviel bedenkenlos zerstört. Wir tragen Verantwortung für unseren Lebensraum und können diese nicht abgeben. Auch nicht an Gott! Wir Schulden unseren folgenden Generationen einen wunderschönen, lebenswerten Planeten!

Unsere Würde verlangt es uns ab, dass wir uns dessen Bewusst sind – und zwar in jeder Sekunde, die wir Leben.

Das Gute setzt sich durch – die Debatte um die schwarzen Wurzeln des Techno

Das Gute setzt sich durch.
Das Gute ist Elvis Presley, Benny Goodman.
Das Gute ist nach all den Jahren schwer zu ertragen.
Elvis mit seinen peinlichen Karate Moves in Las Vegas.
Er kann ja nichts dafür. Er war ein netter Typ.
Das ist ja das Schlimme.

Das Schlechte aber waren all diejenigen, die die direkten Erben einer jahrhundertelangen Kultur des menschlichen Überlebenskampfes waren und sind – einer Kultur, die von Menschen geformt wurde, denen gar nichts anderes blieb, als sich auf expressiver Ebene Freiräume zu schaffen, denn sie hatten in dieser Welt lange Zeit sonst keinen Platz und keinen Raum. Er wurde und wird ihnen nicht gewährt, es sei denn, sie nehmen ihn sich.

Ungeachtet ihrer Unbeachtetheit und ihrer persönlichen Demütigung, bei manchen sogar des leiblichen Risikos, fuhren sie immer fort ihr Erbe zu hegen und zu pflegen. Und dann machten die Erben ihrer Peiniger*innen den Rock’n Roll daraus und feierten hedonistische Feste auf ihrem Rücken. Sie übernahmen den Ausdruck von Leid und Schmerz und übertünchten ihn mit ihren eigenen Teenager-Luxus-Weh-Wehchen und bemitleideten sich selbst.

Wahrscheinlich aus dem schlechten Gewissen, der aus dieser Vereinnahmung resultierte, entwickelten sie dann ein starkes Mantra, gegen das man sich lange Zeit nie traute aufzubegehren: Musik ist eine universelle Sprache! Musik gehört allen, kennt keine Grenzen, keine Kultur, keine Hautfarbe.

Das ist die Sinneshaltung des*r kolonialen, auch postkolonialen und neoliberalen Konsumenten*in: das Begehrte möglichst günstig erwerben, am besten stehlen und danach jeglichen Werteausgleich präventiv verhindern – keine Zugeständnisse, keine Reparation, keine Vergütung, keine Anerkennung. Stattdessen die Mär vom universellen Eigentum. Aber im Grunde gehört alles, was öffentliches Gewicht hat und vor allem materiellen Wert erzeugt, zumindest zu einem relevanten Anteil „uns!!“ – und wir sind in irgendeiner Form „weiss“, „gut“, „amerikanisch“, „europäisch“, „westlich“, „demokratisch“, „freiheitlich denkend“, früher nur „christlich“, jetzt auf einmal „der christlich-jüdischen Kultur zugehörig“….Irgendeine passende Verortung findet man dann schon.

Und wenn das irgendwann mal faktisch nicht mehr so sein sollte, dann werden wir zumindest alles Nötige tun, um uns an dem Anschein festzuklammern.

—-

Chuck Berry wollte man einmal sogar zu seinem eigenen Konzert keinen Zutritt gewähren, weil man nicht wahrhaben wollte, das Chuck Berry schwarz war.

Ella Fitzgerald
Miles Davis
Big Mama Thornton
Billy Holiday
Nina Simone
Little Richard
und…und…und…sie gehören jetzt uns allen!

Das alles kennt man ja schon. Aber aktuell ist eine Debatte um die schwarzen Wurzeln von House und Techno entbrannt. Der Journalist, Autor und Produzent Deforrest Brown Jr. wirbt für eine radikale Rückbesinnung der Technoszene auf ihre vergessenen schwarzen Wurzeln. Er kündigt an, in Kürze ein Buch über dieses Thema zu veröffentlichen.

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/make-techno-black-again-100.html

Der Shitstorm ist groß.

In einem Social Media Chat musste ich lesen:“Techno erfunden zu haben, sei ihnen gegönnt. Vermutlich haben sie dazu allerdings einen von Weißen entwickelten Computer benutzt.“

oder:

„Musik und Kultur kennen keine Rassen. Sie gehören allen und dürfen von allen ausgeübt, verändert und interpretiert werden. Linke wie rechte Identitätspolitik sorgt nur für die Spaltung der Gesellschaft.“

oder:

„Puh…Das wirkt auf mich wie die Forderung nach einer Frauenquote. Ich denke immer dass sich „gut“ auf Dauer auch durchsetzen wird. Unabhängig von Hautfarbe oder Geschlecht oder was auch immer.
Hoffentlich schiebt mich das jetzt nicht gleich in die falsche Ecke, aber so gefällt mir das nicht.“

Auf die Forderung nach Sichtbarkeit der Leistung von schwarzen Techno-Pionieren in Detroit, wie Juan Atkins, Derrick May und Kevin Soundersen, wird mit Besitzanspruch und Verlustängsten reagiert. Um jegliche Diskussion im Keime zu ersticken werden dann die Geister des gewaltsamen politischen Lagerkampfes heraufbeschworen und vor der Spaltung der Gesellschaft gewarnt. Es wird die Frauenquote bemüht und eigentlich genauso reagiert, wie bei der Debatte um diese auch: es wird auf die Annahme vertraut, dass das Gute sich eben durchgesetzt hat. Das heisst im Klartext: „Frauen und schwarze Menschen sind eben nicht so gut, wie weisse Männer“.

Ja, da kann man eben nichts machen!

Ich selber konnte mit Techno nie wirklich was anfangen. Nicht, dass ich es nicht vesucht hätte. Ich habe mir Platten und CD’s gekauft und habe mir redlich Mühe gegeben, irgendwie rein zu kommen. Aber es ist mir bis zu diesem Tage nicht gelungen. Vielleicht sollte ich mal Juan Atkins hören. Aber zu dem hatte ich bisher keinen Zugang, denn die Sicht war vernebelt durch drogenbleiche hässliche Hedonist*innen auf Loveparades.

Deswegen warte ich nun sehnsüchtig auf die Veröffentlichung von Deforrest Brown.

Neues vom Markt

Der Markt gibt Gummi.
Wir riechen an den Reifenspuren und bezahlen noch dafür.
Das ist auch gut so.
Denn der Markt leistet viel.

In erster Linie reguliert er sich selbst.
Die Sprache entwickelt sich auch von alleine weiter.
Beides kann und sollte man nicht von oben herab regeln.

Mit dem Klima z.B. ist das anders. Das reparieren die Profis.
Aber auch da sollte man sich nicht einmischen.
Die machen das schon.

„Menschen wählen nicht das, was ihnen zuspricht, sondern das, was sie am wenigsten fürchten“. Das hat mir heute ein Businesscoach auf Youtube erzählt. Und er meinte, dass die wahre Kompetenz überhaupt gar keine Rolle spiele, sondern es eher auf die Wahrnehmung von Kompetenz ankomme, die man im Gegenüber hervorrufe. Er hat natürlich vergessen, die Fälle zu erwähnen, wo keines von Beiden zutrifft (s. z.B.: Armin Laschet). Aber der Typ ist ja auch Businesscoach und hat einen bestimmten Grundanspruch.

Ich konnte nicht widerstehen und habe gleich weitergezappt und da hat mich ein anderer – diesmal war es ein Lebenscoach – an ein seltsames Sprichwort im Deutschen erinnert:
„Tue nichts Gutes, auf dass dir nichts Schlechtes zustoßen möge“.

Nicht schlecht…

Desweiteren akzeptiere ich nun endgültig, dass die Vokabel „Gutmensch“ hierzulande als Beschimpfung gilt und erkläre mir das durch die konsequente Anwendung der mathematischen Regel „Plus“ und „Plus“ gibt „Minus“, also: „Gut“ und „Mensch“ ist gleich „Beschimpfung“.

Aber wundern darf man sich dann halt auch nicht mehr, oder?…

Scheiss drauf, kauf lieber Altcoins!

Bestand wahren.
Gewinn maximieren.
Risiko und Steuern reduzieren.
Dann geht alles klar im Leben.

Der einzige Ort auf der Welt, wo die persönlichen Unterschiede zwischen den Menschen wirklich nicht relevant sind und wo jeder*e willkommen ist – egal welch Herkunft, Religion, Ideologie, Vorstrafenregister, Weltanschauung, Geschlecht, etc. er oder sie plagen mag – ist…

…natürlich: Der Markt!

Im Leben zu stehen bedeutet gleichzeitig: im Markt mit zu mischen.

Wirtschaft, Kreativwirtschaft, Games, Cum-Ex.

Dieses Setup tritt signifikant in Erscheinung durch eine elegant auslaufenden Kurve – ob die nach oben oder unten schwingt, hängt von deiner Wahrnehmung ab und nicht vom faktischen Kurvenverlauf. Das heißt: du selber entscheidest mit deiner Selbstpositionierung darüber, wo oben und unten, minus und plus, rot oder schwarz ist, legal und illegal ist. Aus einer solchen flexiblen Position heraus ist man dann natürlich viel eher motiviert, dem Verlauf einer marktanalytischen Kurve zu folgen und vor allem: sie zu bewerten.

So gesehen reguliert sich der Markt natürlich immer selbst. Wenn er dies trotzdem nicht tut, dann solltest du aufpassen! Das liegt meistens daran, dass es Faktoren gibt, die versuchen Einfluss auf ihn nehmen. Diese Faktoren müssen dringend aus dem Markt exkludiert werden, damit er wieder ungestört seinen Hauptaufgaben nachgehen kann.

Die da wären:

1. Sich selbst regulieren.
2. Offen für Alle sein.
3. Zu „deinen“ Gunsten funktionieren.

Der Markt macht jetzt auch Yoga!

Der Markt belohnt alle, die bereit sind, sich zu hundert Prozent auf ihn einzulassen, aber erwarte nicht immer nur materielle Belohnung! Der Markt schreitet auf unvorhersehbaren Wegen! Er vergisst dich nicht, keine Sorge! Zur Not gibt’s immer noch Hartz IV.

Sei demütig und dankbar!

Glaube an den Markt und nimm’ die Liebe mit auf deinen Himmelsritt!

 

Wie können wir den Kulturbetrieb in Deutschland von der permanenten Dauerüberforderung befreien?

Wenn jemand aus deinem Freundeskreis einen Job im Theaterbetrieb erhält, dann sag schon mal leise Servus. Denn es wird lange dauern, bis du ihn oder sie mal wieder völlig entspannt zu irgendeinem Anlaß treffen kannst. Diese Menschen arbeiten mindestens 60 Stunden in der Woche und ihre Gehirne sind im besten Falle in mindestens 100 einzelne Bereiche unterteilt, in denen die Synapsen rund um die Uhr förmlich glühen! Sie sind kurz angebunden, haben ein Meeting nach dem anderen und die Positionen sind chronisch unterbesetzt. Es sei denn, es handelt sich um den real existierenden elitären Hochbetrieb: Staatstheater, oder Opernhäuser. Da läuft die Schose, denn da wird reingebuttert sowohl von staatlicher Seite, als auch über Spenden durch unterstützende Vereine und Dauerabonnements etc.. Städtische Theater hingegen – haben sie auch noch so ein hohes Renommeé – liegen mit ihren Budgets meist viel weiter darunter, jetzt während der Pandemie allemal. Budgets wurden gekürzt, Zugänge beschränkt und somit Einnahmen unterbunden (in den Fußballstadien geht’s jedoch hingegen rund).
Auch Menschen, die sich auf selbständiger Ebene mit Kunst, Kultur oder in der „Kreativwirtschaft“ betätigen geht es nicht anders. Sie produzieren am laufenden Band und promoten sich selbst auf allen Kanälen, vor allem Online. Ein Post auf einer Social Media-Plattform dauert mindestens 10 Minuten. Wenn du auf z.B. auf 4 Social-Media-Kanälen unterwegs bist, dann sind das pro Post schon mal mindestens 40 Minuten. Wenn du 3 Posts am Tag ablässt, dann sind das locker 2 Stunden. Hinzu kommt, dass man die Bilder erst mal im richtigen Licht schießen, vorsortieren, bearbeiten und sich einen Text ausdenken, Namen, Markierungen und Hashtags recherchieren muß. Somit gehen wir mal von 3-4 Stunden täglich aus, die man als engagierter Selfpromoter jeden Tag im Cyberspace abhängt- und da sind die rein privaten Meinungsäußerungen, Kommentarbattles und das liken von Posts von Freund*innen noch gar nicht inbegriffen.
Und dann braucht man noch Zeit für die eigentliche Arbeit, die man macht: Musik, Malen, Schreiben, Publizieren, Theater, Tanz, whatever. Das nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch, muß man wissen. Und zu guter letzt muß man ja gesehen werden! Dazu braucht es Anlässe, Veranstaltungen, Empfänge, Parties, Preisverleihungen, Ehrungen, etc.. Sichtbarkeit ist das wertvollste Gut der heutigen Zeit.
Loops werden zur Lebensform. Standardmäßig haben deswegen das Handy griffbereit, um gegebenenfalls kurze Sequenzen aufzunehmen und sie Online im Loop laufen zu lassen. Das leben läuft in Schleife. Der zynische Witz erleichtert einem die Existenz im absurden Präkariat. Ein Projekt jagt das andere. Wir bleiben, toll, originell, überfordert und überarbeitet.

Ottonormalverbraucher*innen werden auf der Straße interviewt und antworten auf die Frage nach seiner/ihrer Meinung zum Bedingungslosen Grundeinkommen mit: „Ja, aber dann würde doch niemand mehr wirklich arbeiten?“.

Do you remember the days of slavery?

Einbruch der Werteskala

Im Eifer des Gefechtes
Ist es verdammt schwer festzustellen,
Wer wirklich aufrichtig kommuniziert
Und wer nur Tagesordnungspunkte aneinanderreiht.

was wäre Reden ohne „Zuhören“?
So wie das wichtigste Element in der Musik die Stille ist
Und man ohne rhetorische Lücke kein Publikum gewinnen kann.

Oft wird einem Stille nicht gegönnt,
Es gehört auch was dazu,
Sie zuzulassen.

Dies ist eine vorwiegend männliche Unart.
Aber nicht nur.

Stille, Raum, Zeit…
Unverwertet…
Schönheit – einfach ihrer selbst willen
Schönheit, an der man nicht beteiligt ist
Schönheit, die an einem vorüber zieht,
Ohne ein Vergleichsmoment,

Schönheit, die einfach da ist.
Ohne Businessplan,
Ohne Bääääm.

Einfach mal die Fresse halten…

Einfach die Fresse halten und sich gegenseitig ansehen.
Voll Glückseligkeit der Zeit beim verrinnen zusehen.

Das wünsche ich mir sehr oft.

Mitlerweilen gelingt es mir wieder öfter.

Die unerklärliche Leichtigkeit der hartnäckigen Empörung über Antisemitismus auf deutschem Boden.

Menschen mit tunesischen, türkischen und palästinensischen Fahnen schreien vor Synagogen in Deutschland antisemitische Parolen. Sie – diejenigen, die in einem „weißen“ Europa zur gesellschaftlich benachteiligten Schicht gehören, haben sich nun auf einem Präsentierteller bereitgestellt, um den rechten Agitator*innen als hässliche Blitzableiter zu dienen. Somit werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen:

1. Man muss den Antisemitismus gar nicht mehr selber betreiben, sondern lässt die Drecksarbeit von den unteren Schichten erledigen, die man selber auf Grund ihrer ethnischen Herkunft ebenfalls rassistisch segregiert.

2. Man kann nun wieder einmal getrost mit dem Finger auf die „bösen Moslems“ zeigen und sich verlogen als Angehörige der „jüdisch-christlichen“ Kultur oberflächlich auf die vermeintlich richtige Seite schlagen, um politisch gut da zu stehen.

Damit kreuzen sich wieder einmal die Wege von radikalen Moslems und faschistischen Kolonialromantiker*innen, so wie es schon oft der Fall war: so zum Beispiel im ersten Weltkrieg, als beide Kriegsparteien versuchten, die Muslime im Dienst der eigenen Allmachtsphantasien zu rekrutieren. Man errinere sich an die Allianz des deutschen Kaiserreichs mit den damals sich im osmanischen Reich hochputschenden Nationalisten, die beide der glorreichen Idee verfielen, einen Dschihad gegen die gemeinsamen Feinde durch den amtierenden Kalifen (muslimisches Religionsoberhaupt) ausrufen zu lassen. Der Einfluß dieses Mannes auf die muslimische Welt war jedoch von bescheidenem Ausmaß, wie sich herausstellte.

Denn den pragmatisch agierenden und wesentlich effektiver arbeitenden Geheimdiensten des Feindes viel es leicht, dieses strategische Manöver zu parieren. Bald konnten sie – durch die zugegebenermaßen geniale Spionage und Agitation von Leuten wie Lawrence von Arabien und Gertrude Bell – die arabischen Völker wesentlich schneller im Zuge von heuchlerischen „Freiheits- und Unabhänigkeitsversprechen“ auf ihre Seite bringen und den Krieg für sich entscheiden.

Das Resultat liegt als permanente Wunde offen dar: Willkürlich gezogene Grenzen, die im Sinne von Ölkonzernen und imperialistischen Phantasien entstanden, ein respektloser Umgang mit den kulturellen und territorialen Ansprüchen der angestammten Bevölkerung vom Nahen Osten bis zum Hindukusch, wirtschalftliche Abhängigkeit und Autonomieverlust der jungen Nationen in der gesamten Region, die systematische Plünderung der Bodenschätze und des kultuellen Erbes, daraus resultierend eine nicht mehr enden wollende Spirale der Gewalt, Mißgunst und Unmenschlichkeit. Am allerschlimmsten jedoch wiegt die Stigmatisierung von Millionen Menschen als Angehörige einer „gewaltverherrlichenden und unmenschlichen Kultur“.

Der Nahe Osten ist nicht das Zentrum von Krieg und Gewalt. Er ist die Wiege unserer Zivilisation! Die Systematik der industriellen Kriegsführung stammt aus Europa: Im 2. Weltkrieg werden mitten in Europa 6 Millionen Juden vernichtet, hunderttausende von Muslime wieder für militärische Zwecke rekrutiert und nach erfüllter Aufgabe in Massen auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Man bedenke hier das Schicksal der hunderttausenden auf deutsche Seite übergetretenen Muslime, die im 3. Reich für die Wehrmacht gekämpft haben und nach dem Maltabkommen dem stalinistischen Regime übergeben und somit sauber entsorgt wurden.

Die kläglichen Überreste haben sich vor allem in Deutschland – protegiert von politisch konservativen Kreisen, unter anderem von Franz Josef Strauß in Bayern – und im Windschatten der westlichen Geheimpropaganda gegen Russland im kalten Krieg, über die Jahre gut organisiert und sind hier zu mächtigen Strukturen herangewachsen. Dieses Land wuchs somit zur Drehscheibe radikalislamistischer Strukturen an. Jetzt tut man im rechten Spektrum natürlich so, als wüsste man von nichts und hätte es plötzlich mit einer per se gewaltbasierenden „fremden“ Kultur zu tun, die hiesige demokratische Stukturen unterwandert. Dies nutzt man zudem ganz pragmatisch als Argument, um steigende Staatsausgaben für  Sicherheitsmaßnahmen zu rechtfertigen.

Indessen ging die globale Ausbeutung der Muslime seit je her immer weiter: Al Quaida, Taliban, IS, aber auch ultraradikale islamische Sekten und Verbände wurden oft im Zuge von kurzfristigen und unmenschlichen Geheimstrategien protegiert. Diese Strategien haben sich – meiner Meinung nach – schon längst verselbständigt. Man hat schlicht und einfach die Kontrolle verloren. Nur eines ist klar: es geht – exakt wie im 1. Weltkrieg – langfristig nur um Machtstrategien in der Region, die durch kurzfristige Notmaßnahmen aufrecht erhalten werden – durchgeführt von Interessengemeinschaften und Fraktionen, deren Konstellationen sich jeden Moment verändern können. Milliarden werden in diese redundanten Strategien Jahr für Jahr investiert. Öl- und Gasreserven sind ihre heiligsten Güter.

Sobald diese versiegt sind, wird die Region wieder fallen gelassen und seinem eigenen Schicksal überlassen werden. Bis dem so ist, haben wir dort aber noch einige Jahrzehnte voller Leid und Tod vor uns. Das leidtragende Volk wird so in die Flucht und ins Verderben gestürzt und als ob das nicht reichen würde, muß es dafür auch noch mit weiterer Todesgefahr und Elend auf der Flucht und mit jahrzehntelanger Demütigung und Unterdrückung an ihrem Traumziel in Europa bitter bezahlen. Die Konflikte der Region werden ganz natürlich mitgenommen und in Europa weiter ausgetragen – das ist genau das, was wir nun auf den Straßen Deutschlands erleben. Es zeigt, dass man die Vorgänge hier nicht von der Problematik im Nahen Osten separieren kann.

Es ist ein armseliges Schauspiel, dass sich vor unseren Augen ausbreitet: täglich wird das Völkerreicht auf die heftigste Art und Weise von radikalen jüdischen Siedlern gebrochen und das palästinensische Volk seit Jahrzehnten unterdrückt.

Im Gegenzug dient genau das radikalen faschistischen Strukturen wie der Hamas und anderen islamistischen Organisationen dazu, ihr Machtpotenzial weiter auszubauen, indem sie ihr eigenes Volk rücksichtslos in das größte Leid stürzen. Darauf reagieren die nationalistischen Hardliner Israels nur allzu gerne, gedeckt von der befangenen westlichen Welt, die größte Ungerechtigkeiten einfach geschehen lässt, im bitteren Bewußtsein ihrer eigenen historischen Schuld den Menschen in der Region gegenüber. Somit bietet sie den radikalen Kräften auf beiden Seiten Aktionsräume. Weltweit bedienen sich Populist*innen an diesem Konflikt, um ihre stereotypen Feindbilder zu schärfen und zu inszenieren.

Die Rücksichtslosigkeit mit der beide Seiten Tod und Zerstörung auf der jeweils anderen Seite im Namen des gleichen Gottes feiern, wie kleine glückselige Kinder, ist zum Kotzen. Ich bin mit diesem Konflikt großgeworden und im Grunde war er für mich der wesentliche Impuls, mich von den abrahamitischen Religionen zu distanzieren, denn ich bin zu tiefst enttäuscht von ihnen und glaube nicht daran, dass sie zeitgemäße Antworten für die großen Herausforderungen der Menschheit bieten. Das ist meine Ansicht.

Trotzdem gönne ich jedem Menschen seine Religion und wende mich gegen jegliche Form der Diskriminierung von Menschen auf Grund von Religion, Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht und politischer Überzeugung.

Ich bin mir natürlich bewußt, dass dieses Statement mitlerweiler leider zu einem oberflächlichen Lippenbekenntnis verkommen ist, das alle von sich geben, wie Gänsegeschnatter. Das Resultat dieser Oberflächlichkeit liegt – insbesondere in Deutschland – offen auf der Hand: der ewige Antisemitismus macht sich immer noch breit. „Das Judentum“ als Feindbild ist ein immer noch bestimmendes Bild und wird nun von radikalen muslimischen Kreisen dumm und naiv übernommen. Es gibt keine Möglichkeit des rationalen Diskurses, denn dieser wird durch die Verquickung von Politik und Populismus sabotiert.

Antisemitismus und seine Ausläufer in Form von Verschwörungsideologien gegenüber der jüdischen Community sind weit verbreitet. In Form von lapidaren Floskeln vernormalisiert sich der Gedanke vom Judentum als Fundament des Bösen. In vielen Regionen der Welt gehört diese Denke zum gängigen Konsens, der sich durch alle politischen Lager durchzieht. Das ist nicht nur in Ländern so, in denen Muslime die dominante religiöse Gruppe darstellen. Leider lassen diese sich aber am leichtesten Instrumentalisieren, wie wir in den erschreckenden Bildern aus Gelsenkirchen sehen konnten.

Das muß aufhören: es muß eine Möglichkeit geben, den Antisemitismus in muslimischen Gemeinden in Deutschland – samt ihrer historischen Traditionen – zu diskutieren. Es muß aber auch möglich sein, die Völkerrechtsbrüche der israelischen Regierung zu kritisieren. Es muß Wege geben, die heuchlerischen Aktionen von Rechtspopulist*innen zu unterbinden, die sich jüdischer Symbole bemächtigen und sich zu Verteidiger*innen von Menschenrechten stilisieren.

Meine wichtigste Erkenntnis ist jedoch – wie oben schon angerissen – diese: Man kann die Vorkommnisse hier und dort nicht unabhängig voneinander verhandeln. Ohne einen fairen und konstruktiven Blick auf globale politische Strukturen wird es keinen Rückzug von antisemitischen, nationalsozialistischen, rassistischen, aber auch radikalislamistischen Entwicklungen geben – insbesondere in Europa nicht.

Wir leben faktisch immer noch im 1. Weltkrieg!

Der Nahe Osten ist das Heiligtum der Menschheit. Dort hat sich die Entstehung unserer Zivilisation abgespielt, auf die wir so stolz sind und auf die wir uns ständig berufen. Die Würde dieser Region, ist auch unsere, aber wir verkaufen sie auf dem Markt der Unmeschlichkeit für Gas und Öl, für welches wir den Leib unserer Mutter Erde mißhandeln und plündern.

Dieser Konflikt zeigt uns in seiner traurigen Dramatik, wie wir unser eigenes Erbe schänden. Wir sind armselige Lügner*innen, die sich im Schatten eines selbstkreierten Gottes ständig zu Opfern stilisieren, um ihre Gier und ihre Selbssucht vor ihrem eigenen Gewissen rechtfertigen zu können, anstatt endlich Verantwortung für das eigene großartige kollektive Erbe zu übernehmen.

Ich schäme mich dafür. Ich weiß nicht, wie es euch geht?

Meine tiefste Solidarität gilt unseren jüdischen Mitbürger*innen in Deutschland. Insbesondere die BPOC-Gemeinde muß jetzt mit ihnen stehen!

Triptonious Coltrane.

Zur Lage der Nation

Immer, wenn des Teufels Advokat wieder auf Erden weilt, um den Markt zu regulieren, dann sorgt das für Entspannung an der Wall Street.

Es könnte aber sein, dass bald der Messias antanzt, uns allen reinen Wein einschenkt und wir danach die Dinge glasklar sehen.

Manche von uns werden dann sagen, sie hätten nur Befehle ausgeführt und könnten nichts dafür, außerdem hätten ja sonst die Kommunisten gewonnen.

Dabei hatten die Kommunisten schon immer viel mehr Ahnung vom Märkte regulieren, aber der liebe Gott wird schon wissen, warum das so sein mußte.

Und dann gibt es ja so Schlaumeier, die mir jetzt allen Ernstes erzählen wollen, dass „eben diese Kommunisten, zusammen mit den Satanisten die Welt regieren“. Ja guten Morgen! Das hab‘ ich doch schon vor 2 Jahrzehnten gepredigt, nur hat mir nie einer zugehört!

Damals haben diese Schnappsnasen noch beim Frühschoppen zu Jürgen Drews herumgeschunkelt! Dabei hätte man da noch etwas unternehmen können.

Jetzt sind sie in ihren 60’ern zu Billo-Politaktivisten herangereift, sitzen mit ihren verkalkten Ärschen in dicken SUV’s und veranstalten Anti-Corona-Kinderfasching-Corsos in der Innenstadt.

Na schön! Danke Merkel! Aber das bringt’s jetzt auch nicht mehr. Die digitale Impf-ID ist im Anmarsch und diese Armleuchter werden ihn sich einer nach dem anderen noch holen, wenn’s dazu nen Amazon Gutschein und ein Netflix-Abo für umme gibt.

Gestern ging’s noch um den Kampf um’s Bargeld. Heute steh‘ ich an der Kasse und kann nur noch kontaktlos zahlen. Du weißt nicht, was das ist? Dann geh‘ in’n Edeka und frag‘ die Kassenkraft, die kann dir das erläutern.

Ich bin erstmal raus. Gleich kommt „Höhle der Löwen“ im Fernseh. Da haben zwei pfiffige Jungs einen pinken Handschuh für die Frauenwelt entworfen, mit dem man benutzte Menstruationsutensilien entsorgen kann, ohne sich „die Hände schmutzig zu machen“. Was für eine Geschäftsidee! Entworfen von sensiblen Männern, für rücksichtsvolle Frauen.

Das macht einem wenigstens ein bißchen Hoffnung…nachdem uns ja sowohl ein bayerischer Kanzler, als auch auch ein Ende der schwarz-roten Koalition noch zumindest ein paar Jahre verwehrt bleiben werden.

Aber ich sehe gerade, dass einem nicht mal pinke Handschuhe vergönnt werden: https://pinkygloves.de/.

Die Empörung über die Empörung

Meistens gewinnen die, die sich am lautesten empören – vorausgesetzt, sie haben eine politische Lobby hinter sich, oder schaffen es, durch ihre Empörung eine politische Lobby zu schaffen, die ihre Deutungshoheit innerhalb des Diskurses zementiert – Klickzahlen und Kapitalstärke schaden dabei nicht. Zur Behauptung einer Position bedarf es aktuell einer Masse an Followern, die zwar noch lange keinen Anteil an dem materiellen Gewinn haben, den fast jeder meinungsstrategische Wurf mit sich bringt, aber sich in irgendeiner Form mit der Haltung einer dominanten Lobby identifizieren. Zum Beispiel glaube Ich, dass es nur so gelingen konnte, inmitten der schwersten Phase der 3. Welle der Pandemie es zu schaffen, die Reisewarnung für Mallorca aufheben zu lassen, während in einem Geflüchtetencamp in Korinth in Griechenland das Komplettchaos ausbricht, notdürftige Behausungen in Flammen aufgehen und Menschen Selbstmord begehen, weil sie ohne medizinische Versorgung und ohne funktionierende Infrastruktur in einer Art Massenkäfig des Horrors gehalten werden.
Wenn man sich laut empört, ohne den Rückhalt einer starken politischen Lobby, oder zumindest der aktiven und passiven Unterstützung eines großen Teiles der Bevölkerung, dann hat man es schwer. Jedes Argument wird dann zerpflückt und auseinandergenommen, zigfach gewendet und so lange ad absurdum geführt, bis es – eingehüllt in einer Panade der Diskreditierung – im Strahlenschutzkessel der öffentlichen Irrelevanz endet. Dort kann das Thema dann bis in alle Ewigkeit versauern, oder aber, es wird nach Jahrzehnten (häufig viel zu spät) herausgekramt, in einer Marinade der politischen Vereinnahmung gewendet und auf die tagespolitische Agenda gehauen, wie ein Stück Grillfleisch aus dem Tiefkühlfach auf den vorgeheizten Grill. Als Beispiel wären da diverse Aspekte des Umweltschutzes, der Nuklearausstieg, der Klimaschutz, die gesellschaftliche Inklusion oder die nachhaltige Ökonomie zu nennen.
Das sind alles Standardthemen jetzt, um die im Wahlkampf erbittert gekämpft wird. Über Jahrzehnte mussten aber eine Armada von Aktivist*innen dafür Häme, Spott und auch politische Verfolgung durch Geheimdienste und Verfassungsschutz hinnehmen, bis ihnen diese Themen von einem Tag auf den anderen von mürrisch-beleidigten politischen Gegnern neidvoll aus den Händen gerissen wurden. Sie hatten schließlich in mühevollem Überzeugungskampf das Stinktierthema zum politischen Diamanten geschliffen. Und jetzt waren sie selber nicht mehr gut genug für das Schmuckstück, diesem Garanten für den nächsten Wahlsieg. Das selbe steht wohl Greta Thunberg mit den wirtschaftsliberalen Parteigranden dieser Welt auch bevor, von denen sie jetzt noch aufs übelste erniedrigt und beschimpft wird.
In einem solchen politischen Winkelzug wird das eigentliche Thema zum Etikett, zu einem zählbaren Mehrwert, einem politischen, aber auch reellen Kapitalmultiplikator: Umweltthemen bringen schon lange viel Geld ein und auch nachhaltige Geldanlageformen gewinnen nach wie vor immer mehr an Wert. Das Blatt hat sich gewendet und wendet sich unaufhaltbar weiter und weiter.
Auf der einen Seite – so denkt man – ist das eigentlich eine gute Sache. Nur baut sich jetzt um diese Themen herum die selbe Wirtschaftsphilosophie auf, die bisher auch schon in die falsche Richtung lief: in den permanenten materiellen Wachstum, der keine Alternativen kennt.
E-Autos suggerieren eine nahezu perfekte Illusion der größtmöglichen Umweltverträglichkeit, aber im Endeffekt sind sie die selben übergewichtigen Statussymbole, wie ihre fossilenergieschluckenden Vorgänger. Die Reduktion und somit die Eindämmung der Überproduktion kommt nicht in Frage. Wir müssen mehr Autos produzieren, damit die Wirtschaft läuft. Wo diese Autos dann fahren, ist im Grunde egal. Vielleicht bald auf dem Mars? Wenn nötig, dann müssen die Wege und Möglichkeiten dafür geschaffen werden. Jetzt würden einige von euch gerne lauthals loslachen…aber das Marsbesiedelungsprogramm Elon Musks lauert zu bedrohlich nahe am Horizont.
Eines der schlimmsten Tatsachen in diesem Kontext ist die Situation der bisher munter vor sich hin vegetierenden „Volksmasse“, die, sorgsam umwoben von einem Cocon aus sozialen Sicherheiten, Krankenversicherungspflicht, stabiler Wirtschaftslage und Jobaussichten im Paradies der deutschen Sozialwirtschaft für jegliche Schieflage gerüstet schien. Ein ganzes kollektives Selbstbild basierte im sogenannten Westen auf diesem „Glauben“ an das eigene Privileg. Sogar der/die unterdurschnittlichste Verdiener*in konnte sich zumindest einen Flachbildschirm, Bier, Chips und ab und an ’nen Ballermannurlaub leisten. Politische Beteiligung war schon immer zu anstrengend und äußerte sich höchstens mal in dem einen oder anderen unkorrekten Witz.
Jetzt aber kommt diese besagte „Masse“ an ihre Grenzen, weil ihr nahegelegt wird, nicht mehr Z-Schnitzel zu sagen, dunkelhäutige nonbinäre Menschen von ihnen verlangen, dass sie gendern sollen, sich mit einer dritten Klotür anfreunden, etc.. Als ob das nicht reichte, wird das sogenannte Volk nun auch noch wegen einem „vermeintlichen“ Virus vom eigenen Staat in seinen „Bürgerrechten“ beeinträchtigt und am freien Willen „zu sterben“ gehindert. Da wird man schnell mal vom verwöhnten Wirtschaftsboombürger zum Opfer des Neoliberalismus gemacht. So leicht kann das gehen!
Das sorgt natürlich für Empörung und diese führt dann sogar soweit, dass es in einem Land wie Deutschland aktuell wohl mehr Antikapitalist*innen und Globalisierungsgegner gibt, als je zuvor in seiner Geschichte (ein sehr prägnantes Beispiel für oben genannte „politische Vereinnahmung“ vormals unpopulärer Ideen).
Was kann man dagegen nun tun? Klar: Man schickt „die Masse“ im Frühjahr auf „Malle“, wo sie im Gegensatz zu den dortigen Einheimischen in Ruhe Urlaub machen kann und gönnt ihr die Aussicht auf eine grandiose Weltmeisterschaft 2022 in Katar – einem Land in dem für weltweite Hooliganträume ca. 6500 Arbeitsmigranten unter schwersten Arbeitsbedingungen ihr Leben lassen mussten.
Wo fehlt es da? Irgendwo muß es doch ein Verständnis- und auch ein Selbstverständnisproblem geben? Ja, klar macht der Kapitalismus spaß bis zu einem gewissen Punkt – den Kapitalist*innen allemal. Der Markt reguliert sich selbst, heisst es, aber alles was wir erleben ist, dass die Gewinner den Deal unter sich regeln, indem „sie“ nämlich den Markt regulieren. Die Nationalstaaten dienen mit dem hart erarbeiteten Staatsbudget als Knautschzone für die waghalsigen Experimente des Finanzmarktes.
Alles, was sonst auf dieser Erde läuft sind Kollateralschäden und das ist diese Pandemie auch. Wieviele Menschen dabei sterben ist natürlich für uns als Menschheit wichtig, aber entscheidend ist, wie die Wirtschaft aus der Sache herauskommt. Und die Diskrepanz in der Relevanz dieser beiden Begriffe ist enorm: wichtig sind Menschenrechte, der Kampf gegen ökonomische Ungerechtigkeit, gegen die Gewalt an Frauen und und und… Aber „entscheidend“ ist etwas anderes!
Mein Problem ist nur, dass all diese Gedanken von genau den Querschädeln vor sich her getragen werden, gegen die ich mich wende. Deswegen geht mir die Inflation des Antikapitalismus gerade ziemlich auf den Keks, wie immer, wenn sinnvolle politische Phänomene im weit aufgesperrten Rachen des politischen Mittelmasses landen, das immer in die Fläche expandiert, aber nie in die Tiefe. Die verkrustete Ränder drumherum bilden dann die Einöde, die man Populismus schimpft und diese reichen momentan leider sehr weit in die verfluchte sogenannte Mitte der Gesellschaft hinein. Letzteren Begriff hat eh der Teufel geschaffen.

Die Rache des Meeresfrüchtebuffets

Neulich habe ich einen äußerst interessanten National-Geographic-Artikel gelesen, in dem es um vom Pazifik angespülte abgetrennte menschliche Füße an den Stränden von British Columbia ging. Sie befanden sich noch in den Schuhen und vom restlichen Körper der Verunglückten fehlte jegliche Spur. In fast allen Fällen handelte es sich um Turnschuhe. Es ist ein ellenlanger Artikel, in dem erklärt wird, wie sich der Anfangsverdacht von Serienmorden in der Region durch wissenschaftliche Untersuchungen komplett auflöste und herauskam, dass es sich um die Leichenteile von vermissten handelte, die wohl beim Wandern mit explizitem Schuhwerk an den rauen Klippenlandschaften verunglückt waren. Die Wissenschaftler*innen unternahmen Versuche mit Schweinekadawern, um den verwesungsprozeß im Meer zu untersuchen und stellten fest, dass die Kadawer relativ schnell herabsanken und relativ schnell von Aaasfressern im Meer skeletiert wurden. Diese konzentrierten sich vorwiegend auf die Weichteile am Körper.
Nun kann man sich vorstellen, dass Füße, die festgeschnürt in Kunststoffgefütterten Schuhen steckten, nicht unbedingt zu den bevorzugten Mahlzeiten solchen Getiers gehörten, die verbindenden Bänder und Sehnen um das Knöchelgelenk allerdings schon. Im weiteren Verlauf sorgten dann die gasgefüllten Taschen, wie sie seit ca. einem Jahrzehnt in den Sohlen von Turnschuhen üblich sind dazu, dass der losgetrennte Fuß, samt dem Schuh, in dem er steckte nach einiger Zeit wieder auftrieb und mit der Strömung an die Küste getrieben wurde. Innerhalb von 12 Jahren wurden somit über 20 Füße in besagter Region an die Küste gespült.
Ein Satz beschäftigte mich in diesem Artikel nachhaltig. Da schreibt die Autorin Erika Engelhaupt: „Es war, als hätte sich ein Meeresfrüchte-Buffet zum Aufstand erhoben, um sich zu rächen“. Als ein Mensch, der mit Vorspeisen, Fischgerichten und Raki sozialisiert ist, bin ich dann doch beruhigt, dass nicht nur wir diese ganzen Tiere, sondern auch sie uns ab und an munter verspeisen.
https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2021/03/wieso-werden-an-der-pazifischen-nordwestkueste-so-viele-lose-fuesse.
(P.S.: Ich bin kein Fleischverfechter – ganz im Gegenteil. Ich esse sehr selten Fleisch. Wenn, dann nur zu besonderen Anlässen und auch dann besehe ich mir sehr genau, wo das Fleisch herstammt. Fisch liebe ich. Deswegen esse ich ihn etwas öfter, aber immer noch relativ selten und wenn, dann nur lokalen Fisch, der keine langen Transportwege hinter sich hat und nicht industriell gefangen wurde. Lachs esse ich zum Beispiel gar nicht mehr und Kalamari auch nicht).

Dann lief mir ein Artikel des unsäglichen Maxim Biller vor die Linse, in welchem er ein erstaunliches Werk des jüdischstämmigen Autors Victor Klemperer in die Erinnerung der Öffentlichkeit ruft. Dieser hatte es tatsächlich geschafft, die gesamt Zeit des 3. Reichs, dank der Ehe zu seiner – wohl außergewöhlich Durchsetzungsfähigen – „arischen“ Frau in Dresden zu überleben.
Das Buch ist mit „LTI“ betitelt. Ein Kürzel, dass sich sarkastisch auf die vielen Abkürzungen der Nazis bezieht und mit „Lingua Tertii Imperii“ aufgeschlüsselt wird (die Sprache des Dritten Reichs). In diesem Werk erläutert Klemperer im Deutschen etablierte Sprachbestandteile, die aber entweder direkt von den Nazis entwickelt, oder von diesen stark geprägt wurden: https://de.wikipedia.org/wiki/LTI_%E2%80%93_Notizbuch_eines_Philologen. Maxim Biller lässt es sich natürlich nicht nehmen in seiner pseudoprovokaten Art, die Sprache der bürgerlichen Opposition und der feministischen und der LGBTI-Bewegung in karikierender Form dem Vokabular der Nazis gegenüber zu stellen, was ich abgründig finde.
Dankbar bin ich ihm aber für den unfreiwilligen Pass, den ich hier gerne aufnehmen will, um wieder einmal das Thema Sprache in den Fokus zu bringen: Denn oft wird in der Diskussion um eben diese bemerkt, dass sie „sich von sicher heraus verändere“ und man es sich nicht anmassen dürfe, sie durch einen restriktiven Eingriff von außen zu korrigieren“.
Ich denke, dass diese Leute – zu denen auch die unapetitliche Wortmasturbandin Lisa Eckhard gehört – schlicht und einfach die Unwahrheit sagen. Sprache wurde von den Menschen kreiert und schon immer durch permanente Regelungen an die Herausforderungen der Zeit und auch an dominante politische Ausrichtungen angepasst. Nicht umsonst gibt es in Deutschland einen Duden und etliche Sprachwissenschaftler*innen, die sich tagein-tagaus mit der Sprache und vor allem mit der Tragfähigkeit von Begrifflichkeiten beschäftigen. Das war auch bisher nie ein Problem. Man akzeptierte im allgemein, dass bestimmte Floskeln und Begriffe „nicht mehr zeitgemäß“ sind.
Bei den neuesten Änderungsforderungen, wie z.B. beim N-Wort, dem Z-Wort, dem Gendering etc. ist das Problem nicht – so denke ich -, dass diese Änderungen in den aktuellen Diskurs aufgenommen werden. Vielmehr geht es wohl eher darum, „wer“ diese Änderungen fordert. Es könnte nämlich durchaus sein, dass aktuell die lauten Stimmen in der Gesellschaftspolitik die der Feminist*innen, der LGBTI-Szene, der Klimaaktivist*innen und der Verfechter*innen einer gleichberechtigen Diversität sind. Das könnte vielen gerade etwas unkomod erscheinen. Aber da muß man durch, liebe Schnurzipiepels. Statt sich ständig zu echauffieren und zu jammern, sollte man sich mal ein wenig solidarisch zeigen. Und – um auf das Einstiegsthema zurück zu kommen: es gibt nach wie vor noch einige Begriffe in der aktuellen Sprache, die sehr durch die Nazis geprägt sind. Es geht vor allem darum, sich nun von dieser Sprache zu verabschieden und neue Begrifflichkeiten zu finden. So habe ich mir sagen lassen, dass der für mich bevorzugt angewandte Berufsbezeichnungs des „Kulturschaffenden“ auch auf diese Liste gehört: https://www.tagesspiegel.de/politik/matthies-meint-ist-kulturschaffende-ein-nazi-wort/23108802.html.
Hier übrigens Infos zu dem Werk von Klemperer: https://de.wikipedia.org/wiki/LTI_%E2%80%93_Notizbuch_eines_Philologen. Es gibt zu dem Thema auch eine Arte-Doku:
https://www.youtube.com/watch?v=dd9Rnu3snEk.

Als letztes habe ich (man merkt, ich habe gerade viel Zeit) noch einen Talk meines Lieblings Kurt Krömer mit dem Youtuber Torsten Sträter gesehen, in der sich beide zu ihren Depressionen bekennen. Das fand ich sehr interessant. Mir geht es genau so. Aber da gehöre ich wohl gerade nicht zur Minderheit. Vielleicht gehe ich deswegen auch bald zu meinem Hausarzt David Papo aka David 58 P und lasse mir einen guten Psychiater empfehlen. Aber da sind mir Kurt Krömer und Torsten Sträter definitiv um Meilen voraus.
https://www.youtube.com/watch?v=ZxL1lJnHJNQ.

Wolfgang Thierse, bei dir läuft?

Wolfgang Thierse und seine „normalen“ Freunde.

In regelmäßigen Abständen kocht die Identitätsdebatte auf und dann wird wieder heftig diskutiert: über kriminelle Clans, Kopftücher, Gleichberechtigungsansprüche von Frauen, Minderheiten und gesellschaftlichen Gruppen, über Klo’s für das dritte Geschlecht, Feminismus, aber auch über Sprache: über genderspezifische Richtlinien, über diskriminierende Alltagssprache, Saucennamen etc..

Vor allem für konservative Sozialdemokrat*innen ist es eine anstrengende Zeit. Das Sternchen hier habe ich extra für diejenigen in der besagten politischen Gruppierung gesetzt, die das richtig ärgerlich finden. Sie verlieren an Boden und an Legitimation. Es wurde auch endlich Zeit, denn die Entwicklung bahnt sich schon seit Jahrzehnten an. Im Grunde stank es schon von Anfang an zum Himmel und die Geschichte hat recht behalten: die Sozialdemokratie ist mitlerweile im Hafen der identitären Wirtschaftsliberalität angelangt, den sie am Beginn ihrer Reise vor über einem Jahrhundert angepeilt hatte. Und wie nicht anders zu erwarten, hat sie unterwegs das einst so prächtige Enteckungsschiff beim politischen Glücksspiel verzockt. Jetzt haben sie kein Schiff mehr, mit dem sie nach neuen Ufern aufbrechen können, sitzen besoffen in der Hafenkneipe und schwadronieren altersmüde herum, während andere mit einer frischen Flotte fahrt aufnehmen.

Als Paradebeispiel eines solchen Verlierers sehe ich Wolfgang Thierse, der sich jetzt kurz vor der wohlverdienten Genossenhimmelfahrt noch ein Denkmal setzen will, in dem er gönnerisch das Land auf gemeinsame identitäre Werte einschwört und verstohlen die Arschbacken vor den Herausforderungen der Zeit zusammenkneift, indem er ein Recht auf eine toxische Mehrheitsnormalität fordert und sich besorgt über Forderungen aus benachteiligten Gesellschaftsgruppen äußert, die Augenhöhe in der Anwendung der deutschen Sprache fordern.
Ich erwarte von keinem gestandenen Genossen oder Genossin, dass er/sie todesmutig das Heft in die Hand nimmt und revolutionäre gesellschaftliche Veränderungen einfordert, das unbewährte Alte mal beiseite legt und Neues wagt, ohne ein kleinkariertes, krächzendes, halblautes „aber“ hinzuzufügen und sich wieder genau so eloquent aus der Verantwortung herauszureden, wie er oder sie hineingerutscht ist. Aber ich könnte mir schon erwarten, dass Wolfgang Thierse, als ein Vertreter des etablierten weißen Männerstandes, einfach mal still ist. Genau. Ich weiß, wir leben in einer Demokratie und er fordert offensiv und mutig das Existenzrecht der Mehrheitsgesellschaft – was einen durchaus originell bis realsatirischen Ansatz beinhaltet-, aber es zählen in einer sachlichen Auseinandersetzung die dringlichen und substantiellen Argumente – besonders in einer Demokratie. Auch wenn er einen privilegierten Pimmel hat, Bundestags- und Bundespräsident war, sollte er wissen, dass man in Dingen, die die eigene Kompetenz übersteigen durchaus mal nichts sagen und damit weit mehr für die Demokratie tun kann, als ständig irgendeinen Furz rauszulassen, nur weil man Angst vor dem Tod und dem vergessen werden hat.

Für alle Wolfgang Thierses dieser Welt gibt es eh genug Grund zur Sorge: Die Frau ist im Vormarsch und so ist es auch die Genderthematik, die globale Gleichberechtigung, Kapitalismuskritik, Kritik an Identitätspolitik, Dekolonialisierung, Klimadebatte und alle anderen Makro- und Mikrothemen, die mit alledem verbunden sind. Das wird sich sehr wohl auch in der Entwicklung der Sprache deutlich bemerkbar machen und zwar so, wie das schon immer gewesen ist. Solle er sich mal die Entwicklung der deutschen Sprache im letzten Jahrhundert mal vor Augen halten, der gute Wolfgang, dann wird er das mit Sicherheit auch selber zu bestätigen wissen.
Sprache ist nie statisch und wird immer neu ausgehandelt. Genau das passiert jetzt: wir werden knallhart debattieren und uns auch über Details und Lapalien streiten – genau so, wie seine Generation es Jahrzehnte lang getan hat und wir gelangweilt zusehen mussten. Daran ist die Welt nicht zugrunde gegangen und das wird sie auch jetzt nicht tun.
Wichtig ist nur, was unter dem Strich rauskommt und die Debatten der Gegenwart auch als relevante Debatten anerkannt werden.
Wenn Wolfgang keine Zuversicht besitzt, dass die Debatte ein Ergebnis bringen wird, dann liegt das eventuell an seiner Politikverdrossenheit und daran, dass er als ein Vertreter der weißen Mehrheitskultur einfach keine Expertise in bestimmten Themenbereichen besitzt und nie zu besitzen in der Lage sein wird. Er sollte sich sich damit abfinden. Dafür kann er nix, ich weiß – aber wir noch viel weniger! Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt sein Problem aber auch darin, dass er den Debatten der Gegenwart nicht mehr gewachsen ist. Aber dann sollte er es einfach sein lassen. Alles beim Alten zu lassen, war noch nie eine realpolitische Option in der Weltgeschichte.
Wenn er zu müde ist für eine neue Denkprotuberanz, dann soll er sich doch in die Hängematte legen und seinen Lebensabend mit der Familie in seinem patriarchalen Idyll genießen, solange es das noch gibt.

Sorry…

P.S.: hier ein von einem Alman eloquent verfasster Artikel zu diesem Thema, für alle, die meine Auslassungen zu wütend und unangebracht finden könnten:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/die-identitaetspolitik-des-wolfgang-thierse-normalitaet-ist-die-cancel-culture-des-alten-weissen-mannes/26996920.html

Hier der besagte Gastbeitrag in der FAZ:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wolfgang-thierse-wie-viel-identitaet-vertraegt-die-gesellschaft-17209407.html