Serie: Widerstand – 2. Innenleben

Der Moment.
Wenn die Luft vibriert wie ein lebender Organismus,
das Gewissen in der Kehle pocht
und die Gewissheit schwer ins Bewußtsein plumpst,

wie damals, als man den ersten Stein seines Lebens
ins Wasser warf
und er sich in Luftblasen wiegend
schwer und ewig auf den Grund senkte.

Der Moment,
Wenn man Auge in Auge, Nase an Nase und naiv,
mit der milchgesichtigen Vorhut der Macht diskutiert
über Sinn und Unsinn,
während im Hintergrund die Mörder unheilvoll rumoren.

Wenn man dann laut, aufrecht und mit offener Stirn
gegen die Laufrichtung der Uniformen rennt,
durch die Menschen, die in ihnen stecken,
bis ganz weit hinein zu den Vorgesetzten.

wenn sich der Mund öffnet,
von Zorn getrieben und von Musen gesegnet,
Blicke und Worte Manifest werden
und die Stimme heiser.

Wenn der Hochmut an einem abperlt, wie Regenwasser,
Gefälligkeit, Kalkül, Diplomatie und Falschheit erstarren.
Entrüstung für die einen,
für die anderen die einzig mögliche Lebensform.

Der Moment des Triumphes,
wenn man schneller ist,
berechtigter, entschlossener,
humorvoller, klüger,
aber auch wahrhaftiger, herzlicher, liebender.

Dann kommt der Moment,
wenn die ersten sterben,
in unendlich laufenden Bilderschleifen,
begraben unter Lawinen aus Kameras und Mikrofonen.

Wenn Freunde noch kurz vor der Feindschaft
ein letztes mal vereint sind in einem leidenschaftlichen Aufschrei,
eben genau dieselben, die sich bald nicht mehr gekannt haben wollen werden,
enttäuscht, verkauft, gebrochen.

Und der Moment,
wenn nach lodernder Hoffnung und unendlichem Schmerz
mal wieder alles vorbei zu sein scheint
und man weder weiss, ob man auf dem richtigen Schlachtfeld,
noch, ob man auf der richtigen Seite gestanden ist.

Und dann natürlich der heiligste aber auch unehrenhafteste aller Momente,
nämlich der des Wartens.
Gemütliches Sonntagsfrühstück.
Aha! Stellengesuch vom nationalen Geheimdienst in der Zeitung.

Der Gärprozess Deutschland

Die Grenzen der Wahrnehmung sind natürlich der Standard.
Aber das Ziel ist die permanente Überschreitung der selbigen.
Die Ästhetik der Dekadenz tanzt wild und unruhig über Breitwände,
im Wettstreit mit dem Leid der Welt.

Es ist wieder nur eine Epoche, ein Irrtum, ein Selbstverständnis und mitnichten ewig.
Wieder wird alles vergessen, was war – der Innovation willen.
Die Enttäuschungen reifen heran und die Hoffnungen gehören wieder der Jugend.
Kalaschnikofs, Sprenggürtel, Bärte, Suren, und Schlachtrufe in heiserem Deutsch.

Tausende toben in „Horden“ auf den Strassen.
Lüstern, unbeherrscht, verkommen.
Klebrig die grapschenden Hände, dunkel die Blicke,
dunkel, fremd, drohend auch die Haut.

Dunkel ist auch dieses Land.
Die Nächte wecken eine seltsame Nostalgie,
nach einer Vergangenheit, die niemals sein darf.
Deswegen sind Winternächte in Berlin zum Beispiel seltsam wirklich.

Jetzt stürzen sie sich wieder erregt auf ihre Mobilfunktelefone
um extralange Kurznachrichten zu verfassen
im Zweifingersystem.
Empörungen jagen im Binärcode durch den Äther

Etagenweise wird verzweifelt und schnell gelacht.
Dazu hat man die Zeit, es geht schliesslich ums Konzept. Das ist der Job.
Für die Ausführung gibt’s erstmal Algorithmen und die 3D-Druckertechnologie.
Aber die ist leider noch nicht soweit.

Weisse Körper schälen sich dünnhäutig – fast transparent –
aus durchnummerierten Sesseln.
Wie schlüpfende Mückenlarven wirken sie, jedoch sind sie steinalt.
Sie haben sich eingenistet in den öffentlichen Tempeln
und halten die feinen Nasen ständig witternd in die Luft.

Biologen würden sagen: sie verteidigen ihr Revier.
Kommt man näher, sieht man Schneidezähne in zerfurchten Grimassen,
umrahmt von billigem Schmuck und wachen Blicken.
Urplötzlich können sie angreifen.

So zum Beispiel einen iranischen Cembalospieler in der Philharmonie.
Dann bellt und heult die Brut zunächst, wie Wölfe oder Hunde es tun.
Auf ein unscheinbares Zeichen stürzen sie ungeahnt los
und reissen ihre Mäuler auf, in der Hoffnung auf dicke blutige Happen.

Seit neuestem aber bleibt ihr Blutdurst ungestillt.
Die Opfer sind keine Opfer mehr
und tönen schrill in sturer Nonchallance und in herabwürdigendem Akademikerenglisch.
Nur der Pöbel draussen auf der Strasse holt sich wie gewohnt noch seinen Zoll.

In den Sitzreihen der Tempel jedoch,
bleibt lediglich die Trauer um die eigene Fruchtbarkeit
und die Sehnsucht nach einer Vergangenheit,
die niemals sein darf.

Das Kapital

Schwer bist du und unsichtbar eigentlich.
Was man sieht ist nur dein Abdruck.
Du erzeugst physischen schmerz.
So schwer bist du.
Du belästigst einen wie ein schwergewichtiger, redsamer Clown und läufst ständig um einen herum, krakelend, schmierig, gierig auf der Suche nach einem Stückchen Schwäche. Das ist deine größte Sucht.
Du greifst nach einem, schüttelst einen ständig, machst grobschlechte laute Scherze, physisch übergriffig, distanzlos, ruhelos.
Du greifst einem in den Schritt, oder drückst deine dicken Finger zwischen die Rippen, bis das Zwerchfell zu explodieren scheint.
Und jedes Lächeln auf meinen Lippen ist ein Verlust meiner Seele und ein kapitaler Gewinn für dich, den du stets mit grässlichem Fratzengeballer feierst.
Wenn du genug Beute gemacht hast, wendest du dich geschäftig und kühl ab, hast es nicht nötig, dich zu verabschieden.
Dein Raubzug ist für dich eine legitime Handlung.
Wenn du bleibst, dann nur um einer extraordinär größeren Beute willen, die dein Warten rechtfertigt.
Du liebst gut kalkuliertes Risiko.
Je größer deine Beute, desto länger kannst du warten.
Während du wartest heuchelst du Nähe.
Das kannst du gut.
Je länger deine Anwesenheit wärt, desto erdrückender wirst du.
Denn du bist immer noch feudal, immer noch archaisch, immer noch roh, banal und obszön.
Dein Abdruck zollt dem Zeitgeist tribut und kann dadurch beeindruckend erscheinen.
Du selbst hingegen bist immer noch klobig, finster, ekelerregend.
Trotzdem kannst du einem alle Annehmlichkeiten des Universums bereiten.
Je weiter man von dir entfernt ist, desto annehmlicher scheint das Leben.
Dabei bist du immer da.
Immer.
Und es ist eine Farce des Lebens, dass man sich trotzdem nach dir sehnt.

Was wußte man schon?

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Man war klein, ungelenk, stumm
Klobig steckten die Füße in den Schuhen
Man machte nichts
Es wurde gemacht
Es gab immer eine Erklärung für alles
Wenig Fragen
Die Farben waren gilb
Man wurde geliebt und verlacht, sobald man nur seinen Mund öffnete

Es gab nichts zu zweifeln
Alles passierte, man mußte gut zuhören und aufpassen
Denn es ging sehr schnell
Dann gab es noch diese langen Tage
Durst und Hitze waren Gefühle
Kälte und Metall waren Gerüche
Gewalt und Tod waren unvorstellbar
Sie erschienen nur als künstliche Schreie und dumpfe Vertonungen
Sie waren Spiel
So lebte man dahin, bis irgendwann die Gewissheit einen überkam
Die Gewissheit mochte ich nie leiden

Triptonious Coltrane

Gib mir den Chip!

Hey

Ich habe dich schon gescannt
Du bist zu langsam!
Ich jage die Schlüsselszenen in deinem visuellen Gedächtnis
Die Ansprüche sinken und die Geschwindigkeit steigt
sie steigt
steigt
und steigt noch mehr

Ich bin jetzt so schnell, dass die zeit sich aufhebt
Das tut gut nach all der Hetze
Jetzt hetzt die Zeit, ohne mein physisches Ich
Aber ich seh` dafür nichts mehr

Also ich sehe schon, aber nur noch eine braunbeige Masse
Ich bin halt richtig schnell jetzt!
Hehe – für eine kurze Zeit fühl ich mich richtig geil
Aber dann wird’s fad

Das ist mir noch zu langsam
Unzufriedenheit überkommt mich
Ich will in die nächste Stufe
Ich will in die nächste Stufe

Irgendwie fühle ich mich, wie ein ungezogenes Kind vor dem schokoladenregal im Supermarkt
Ich will alles
Ich will es jetzt
Wo ist meine Mama?

Mama ich will den Chip
gib mir den Chip
Dann spar ich mir die Zeit die ich hier aufwende
um zu Denken
zu Sprechen
mich zu bewegen

Hahaaa
Meine Mama ist schnell
meine Mama ist so schnell, wie ich sie haben will
meine Mama heisst jetzt Gott
Allah
Jehova

Aber ich nenn sie Mama
und ich heule sie an, wie ein richtig lästiges, ungezogenes Kind
und ich will mehr und ich will es noch schneller

Mama, wenn du deine Nerven schonen willst, dann gib mir den Chip
Du weisst schon, den mit der autonomen Lebensform, die sich stets erneuert
Jaaa haaahaaaaaa

RRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRr

Mama

Mama

Mama?

Du bist zu langsam Mama

Fremder

Fremd
Yabancı
Stranger

Ich liebe es fremd zu sein
in deiner Welt
in deinem Himmel
in deinem Bett
ich liebe es als Fremder in deinen Augen aufzuwachen
und fremd zu sein im Land meiner Mutter
alle fragen: warum?
alle fragen: warum?
aber diese Fragen sind das einzig Vertraute
ich weiss, dass ich hier nicht zuhause bin
nicht in eurer Welt
und auch nicht in Gottes schoß

Yabancılığı seviyorum
senin dünyanda
senin cennetinde
senin yatağında yabancı olmayı
senin gözünde yabancı olarak uyanmayı seviyorum
annemin memleketinde yabancı olmayı da
niye?
acaba?
diye sorar herkes
ama tek benimsediğim bu sorulardır aslında
kendimi rahat hissetmiyorum
sizin dünyanızda
ve allahın kucağında

i love it to be a stranger
in your world
in your paradise
in your bed
i love it to wake up as a stranger in your eye
and to feel strange in my mothers country
why
why
they ask
but those questions are the only thing that’s familiar to me
i know i’m not at home here
not in your world
and also not on gods lap

Ein Cursor blinkt

Ein leeres Dokument
Überfällt mein Gesicht
Spät nach Mitternacht und liest mir seine leere vor

Komisches Dokument!

Bis dahin will ich jedoch noch ein gefeierter und verfluchter
Idiot bleiben

So lange, wie der Eindruck eben noch hält

Und irgendwann
sind es dann

wieder Buchstaben, die nacheinander erscheinen
Schwarze Times New Roman Größe 10

Ein Cursor blinkt

Und die Tasten klackern
wie Wackelpudding, den man im Plastikbehälter schüttelt,
wie uralter deutscher Krautrock

das gehört alles noch dazu
Klar!

In einer Einblendung auf einer der inneren Ebenen einer meiner audio-visuellen Vollkontaktkommunikationselemente gönnt sich einer meiner Redakteure den spass,
sich bunt anzumalen und so zu tun, als wär er nicht irrelevant

er ist ungespritzt

Danach sehnen sich doch alle so

Lockeres Licht
Gedimmt ist besser!

Something they call something

It was Miles Davis who came and visited
the tristesse of a room
in summer
maybe in august, maybe in july

and he entered the space with something called the „all blues“
and he didn’t talk
he just lived something
that people call jazz

why do they
call it so ?
nice
music
that implements itself to your dna

and moves would change
and voices would transform
and everything you hear is a melody now

and maybe then you understand
why life is just a short prelude
to a masterwork
too big for eyes to see
that’s why them close from time to time
while listening to something they call something
and it’s unbelievable that before
they even just called it music

rakın rol güzel

o herşeyi ile rakın rol
barok düşeslerinki gibi bembeyaz yüzü
biraz daǧınık kara saçları
herşey siyah zaten

güzel ve zarif vücudu üzerine çekilmis dar kot
ve onu dizlerine kadar baǧcıkları ile sarmalayan uzun çizmeleri
ve gövdesini art deko bir vazo gibi öne doǧru açıp ilgimize sunan tek düǧmeli jaket
hepsi siyah

çok minimalist bir renk uyumu

gözleri kömür gibi kara
bakışları sanki karamsar
ama gülümsemeyi iyi biliyor dudakları
ve teni dışında siyah olmayan tek yer de onlar
kıpkırmızılar

yakından bakıldıǧında ruj hafifce silinmiş
bira şişesi ve aǧzı arasında sık gerçekleşen temastandır bir ihtimal
o şişeler nasıl da dikilir öyle kafasını ensesine yatırarak?
sanki her an son damlasını içercesine?

hep aynı masada
hep aynı yöne dönük
masanın üstünde hep siyah kaplı blanko bir kitap ve kalem
ara sıra da yazar birşeyler

ve baya rakın rol

bakışlar kedi gibi boşluklara kaçamak
bakması gerekenin bakışlarını çeken bir vakuum
parmakarası sigara, el, kol, vücuttan uzak
ve acımasızca sunar buruk güzelliǧini
yüksek taburede bacak üstünde bacak

tutum belli
açık ve cesur
sanki bitmek bilmeyen bir hodri meydan
ve bildiǧin rakın rol

hem zarif, hem güclü, hem huzursuz, hem kapkara, hem sevecen
olursa olur – olmazsa olmaz
hep buradayım ama hem deǧilim
hep yakınım hem uzaǧım
diyecek derecede
yani tam gaz rakın rol!
olmaz ki bu kadar da rakın rol!

yapılması gereken
bakışmak
ve gülümsemek

ve gitmek ve demek:
sen çok şıksın ve çok rakın rol’sun!

o an dünya durdu!
güldü
hoşuna da gitmedi deǧil

ve dediki:
oy oy oy
evet ya, bu rakın rol beni öldürecek!

Glauben

dunkler glaube

Glauben

Ein geschickt arrangiertes Konstrukt Ist die Schöpfung

In jeder Ecke versteckt sich ein kleiner, bis an die Zähne mit Zorn und leidenschaftlichem Mut bewaffneter Gnom, der sich mit Händen und Füßen gegen ihre bestimmende Allmacht wehrt.

Gott, Buddha und all die lieben Götter sind versammelt in einem Ehrenrund um eine reich gedeckte und geschmückte Tafel und lächeln gütig über den Einfallsreichtum und die glühende Phantasie ihrer Geschöpfe und Kinder.

Diese werden jedoch bald in der Lage sein, die Macht ihrer Unsterblichkeit aufzuheben.

„Oh allmächtiger Vater! unterschätze die, die du geschaffen hast nie!“, wollte Jesus noch sagen, als er am Kreuz hing. Gott sei dank: Er hat kurz davor das Bewustsein verloren und nach der Auferstehung ist ihm dieser wichtige Gedanke leider entfallen.

Die Aufregung glüht im Kern der Emotion und die Angst mit ihr. Aus der Verschmelzung wird der Honigtau der Sehnsucht gebohren und umhüllt die Sinne ab dem 8. Aufwärts mit einem Tüllnebel, der die Verwesung meisterhaft tarnt.

Das schreit nach einer Revolution !