Mir scheint die Sonne aus dem Arsch.
Was sucht sie dort?
Vielleicht die Macht der Sprache,
An die wir nie glauben wollen?
Auch nicht, wenn sie unsere Eingeweide schon längst fest umschlungen hält?
Wir beherrschen unser Handwerk.
Wir formulieren unser Glück.
Vorbei sind die Zeiten, als wir noch
Alte Ethnologen
Aufschlugen, um weiße Zähne in einem Dokumentationsfoto zu suchen
Und dabei fanden sie immer uns zuerst.
Doch das passte nicht
In unser Selbstbild.
Wir finden alles,
Sogar die Sonne,
Wenn es sein muß
Sogar
In unserem Arsch.
Auch nachdem wir vergaßen,
Dass wir sie einst dort verwahrten,
Weil es so sein mußte wohl…
Ich unterstehe mich,
Irgendetwas ordnen zu wollen.
So etwas würde ich nie tun.
Aber selbstredend wäre ich
Eine sehr erfolgreiche Ordnungsmacht.
Kurz zusammengefasst:
Mir geht es gut.
Ich sehe alles.
Ich habe alles zu sehen.
Ich weiss alles.
Ich habe alles zu wissen.
Sagt ja keiner was.
Aber ich habe alles zu sagen.
Und?
Verweis, Pfiff, Tumult, Knie, Blut, Fahnen, Sonderbehandlung.
Alles schreit. Sie schreien alle.
Die Welt schreit.
Hierbei handelt es sich um ein Gedicht von „Nazım Hikmet Ran“.
Wie so oft geht es in diesem Gedicht um Wehmut. Aber keine Wehmut aus fatalismus, sondern genau das Gegenteil: Nazım Hikmet ist als guter Sozialist felsenfest davon überzeugt, dass die Menschheit alle Schrecken und alles Elend überwinden und zu einem besseren Miteinander finden wird. Seine tiefe Wehmut gründet in dem Bewusstsein, dass er diese Zeit nicht mehr erleben wird.
Der Text wurde in den 80’ern von dem Komponisten Ali Kocatepe in ein musikalisches Werk gefaßt und von Sadun Ersönmez arrangiert, der auch die Synthesizer auf dieser Aufnahme bedient. Levent Yüksel spielt die Cümbüs und gesungen hat Nükhet Duru. Die Besetzung des Hintergrundchores liest sich aber ebenfalls wie ein Gedicht: Sezen Aksu, Sertap Erener, Levent Yüksel u. v. m.
Die Umsetzung fand leider in den 80ern statt, was man auch an den poschen Synthiesounds und dem pathetischen Arrangement von Ersönmez hört. Mir gefällt daher der Remake des Ausnahmemusikers Ahmet Aslan besser, denn er fügt sich in die ursprüngliche Stimmung des Gedichtes besser ein – eine Wonne in melancholischen Zeiten.
s. unten beide Versionen auf Youtube.
Der Originaltitel des Gedichtes, das hier vertont wurde, lautet übrigens „Günler“ („Tage“).
Geçip gitmiş günler gelin
rakı için sarhoş olun
ıslıkla bir şeyler çalın
geberiyorum kederden.İlerdeki güzel günler
beni görmeyecek onlar
bari selam yollasınlar
geberiyorum kederden.
Başladığım bugünkü gün
yarıda kalabilirsin,
geceye varmadan yahut
çok büyük olabilirsin
Verblichene Tage, kommt
Trinkt Raki, besauft euch
Pfeift mir ein Lied
Ich krepiere an Wehmut.Die nahenden schönen Tage
Sie werden mich nicht sehen
Grüßen könnten sie zumindest noch.
Ich krepiere an Wehmut.
Tag, den ich heute frisch begann
Du kannst angebrochen bleiben
oder vielleicht auch noch sehr groß werden,
bis zum Eintritt der Nacht
Ein Archäologe und Möchtegernkommunist
Um die 50 rum
Kauft sich ein Haus in Pullach bei München
Ohne Fenster
Mitten im Winter
Es war grad so günstig
Ich frage ihn: wie hast du denn das ganze Geld verdient, um dir ein Haus in Pullach zu kaufen?
Er antwortet: mit der Archäologie
Und mit der Reperatur und dem Verkauf von historischen Motorrädern
Ich kenne den Archäologen und Möchtegernkommunisten noch aus Studienzeiten
Wir haben gemeinsam Archäologie studiert
Haben viel getrunken und Rembetiko gehört
Er hat mir immer die Texte übersetzt
Wir haben auch The Ramones und The Cramps gehört
Und Violent Femmes
Man sieht sich alle paar Jahre
Der Archäologe und Möchtegernkommunist streitet sich mit seinem Nachbarn
Den er als reiches, spiessiges Arschloch bezeichnet
Der Nachbar hat jüdischen Hintergrund
Um ihn zu reizen,
Macht er extra viel Lärm beim Schneeschippen
Man diskriminiert sich gegenseitig
Womöglich tut es beiden gut
Es ist ein schöner Winter
Seit ein paar Jahren das erste mal wieder Schnee
Der Archäologe und Möchtegernkommunist ist ein Narzist
Hat Facebook entdeckt
Und veröffentlicht ständig Selfies
Willkürlich geschossen
Bilder von der Nacht, dem Schnee
Und von seinem Haus, ohne Fenster
Aber mit leuchtenden Weihnachtssternen stattdessen
Ich mochte den Archäologen und narzistischen Möchtegernkommunisten gut leiden
Er ist ein netter Kerl eigentlich
Ein wenig eigen
Immer aufgeblasen und rabaukig
Und immer im Konflikt mit irgendwem
Aus Prinzip
Er ist Irgendwie auch immer dem Tode nahe
Ich würde mich nicht wundern, wenn er bald aus mysteriösen Gründen stirbt
Aber ich rede mit ihm nicht mehr,
Denn er macht zynische antisemitische Witze über seinen Nachbarn
Und wenn man ihn darauf hinweist,
Dann sagt er, dass das eben sein zynischer Humor sei
Sein Art
Und dass er kein Antisemit wäre
Ich sage: sorry mein Freund. Ich habe einen Grundsatz:
Mit Leuten, die solche Witze machen, rede ich nicht
Das ist meine Haltung
Daraufhin sagt er, dass er auf seine Art von Humor nicht verzichten mag
Daraufhin sage ich: gut dann wars das
Tschüss
Der Archäologe und narzistische Möchtegernkommunist war mal ein Freund von mir
Jetzt ist er es nicht mehr
Und eigentlich ist es auch wurscht, dass er Archäologe ist
Also jetzt muß ich das schon mal bemerken: wie ich das mitkriege, sehnen sich viele momentan nach einer gewissen Einheit in der Bevölkerung. Das folgere ich daraus, dass ich oft das Bedauern zu hören kriege, „das Volk sei so gespalten“. Dies ist natürlich vor allem den heftigen Kontroversen im Zuge der aktuellen Sicherheits- und Abstands-Maßnahmen rund um die Pandemie geschuldet. Die Gemüter kochen hoch und die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Virus führt zu ungewohnten politischen Debatten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, an denen sich nun auch Menschen beteiligen, die sich bisher bei politischen Debatten meist in nobler Zurückhaltung geübt haben. „Das bringt ja eh nix“ war beispielsweise ein oft angebrachtes Argument, wenn es um politische Initiative ging. Das hat sich nun drastisch geändert. Eine breite Bevölkerungsschicht ist jetzt – wohl angeheizt durch die persönliche Betroffenheit – mitten im politischen Diskurs angekommen. So viele Antikapitalist*innen und Globalisierungsgegner*innen wie jetzt, waren bisher selten im Alltag anzufinden, wenn auch leider mit ziemlich unklaren politischen Hintergründen. Kein Wunder: woher soll die politische Bildung auch kommen, wenn man sich bisher nie mit komplexen Sachverhalten beschäftigt hat? Vielen kommt daher die politische Empörung in der Nußschale á la Querdenker und Verschwörer sehr gelegen. Denn die machen es einem endlich mal leicht und bedienen das niedrige Niveau-Bedürfnis mit Mundgerechten Mythen.
Die ersten male, als ich dieses Bedauern einer fehlenden Volkseinheit wahrnahm, legte es sich tatsächlich auch ganz subtil und automatisch auf mein Gemüt, obwohl ich noch nie viel mit dem Begriff der „nationalen Einheit“ anfangen konnte. Ich glaube, es geschah aus reiner Empathie und emotionaler Anfälligkeit. Aber die Tatsache, dass auch ich einige Freund*innen an halbgare Verschwörungsideologien verloren habe, hat wohl ebenfalls mein emotionales Zentrum im Gehirn getriggert.
Nach ein paar Wochen der Irritation, des Unveständnisses hat sich jedoch ein Sicherheitsventil eingeschaltet, auf das ich mich in solchen Situation immer verlassen kann: Wut und Trotz. Jetzt werden sich einige Vertreter*innen der altbewährten deutschen Sachlichkeit, beim Lesen dieser Zeile denken: „Mmmjoaaah…weiß ja nicht, ob Wut und Trotz so gute Berater sind? Mimimi…“. Aber ich kann euch versichern: Ja! Für mich sind sie es tatsächlich! Wenn wir hier schon von Emotionen reden und es auch um eine emotionale Sache geht, dann kann man sich auf die belebende Wirkung von Wut und Trotz schon verlassen, denn sie holen einen aus der Lethargie und ermöglichen Tatkraft und Initiative. Aber einen wichtigen Nachsatz muß ich dazu anfügen – und der ist entscheidend: „solange man sich ihnen nicht ergibt!“, denn das kann gerne mal ins Desaster führen!
Das ist eine sehr wichtige Relativierung. Denn man kann den Impuls des Wutes und des Trotzes wunderbar als eine Art Zündkerze nutzen, um sich selber zu empowern, zu motivieren, die Sinne zu schärfen und innerlich zu wappnen. In der Ausführung jedoch, regiert natürlich nicht die Rasierklinge, sondern immer noch die Merkel’sche Raute! Das ist klar!
Bevor man sich also von eine*m Schwurbler-Freund, oder -Freundin trennt, muß das nüchterne Argument auf Basis einer menschlichen Empathie abgefragt werden. Und genau so bin ich auch im Rahmen meiner Gedanken zu oben genanntem Thema zu einem Resultat mit mir selbst gekommen:
„Wir leben hier in einer verfassungsrechtlich verankerten Demokratie und in einer Demokratie darf es meiner Meinung nach keinen umfassenden und einheitlichen Konsens in politischen Fragen geben. Mit so einigen Gesinnungsträgern und Spiessgesellen in diesem Land werde ich mich bis an mein Lebensende nicht einigen!. Das steht fest! Ich glaube auch nicht an eine völkische, kulturelle, nationale, oder auch sonstwie geartete Einheit, in die sich eine ganze Bevölkerung begibt.
Es wird hoffentlich nie eine einheitliche Gesinnung geben und wir werden uns hoffentlich immer gründlich streiten. Denn der Sinn und Zweck einer Demokratie ist es nicht, eine einheitlich gesinnte Gesellschaft zu schaffen. So etwas ist eher der Wunsch von Menschen, die einer Diktatur zugeneigt sind, denn so eine Einheit muß im Gegenschluß bedeuten, dass nur eine Gesinnung akzeptiert wird und alle anderen in der Tonne landen. In einer Demokratie hingegen muß es so viele unterschiedliche Meinungen geben, wie auch nur irgend möglich.
Nur ein Konsens ist grundsätzlich unverzichtbar und auch essentiell wichtig. Es ist vielleicht sogar der einzige Konsens, dem wirklich jeder Mensch, oder zumindest eine überdimensionale Mehrheit in einer demokratischen Gesellschaftsordnung zustimmen muß: das ist die Treue zu einer demokratischen Verfassung und Grundordnung. Da müssen wir uns alle treffen, auch wenn wir uns spinnefeind sind! Denn nur die garantiert uns die verfassungsrechtlich Verankerte Menschenwürde und Freiheit.
Die demokratische Verfassung steht außer Diskussion. Insofern ist das ganze Geheule von einer „fehlenden Einheit im Volke“ einer subtil indoktrinierten, völkisch tendierten, romantischen, pseudohistorischen Vorstellung geschuldet. Auch die deutsche Einheit hat es nie gegeben und es wird sie auch hoffentlich nie geben. Die Sehnsucht nach ihr führte dieses Land und die ganze Welt schon 2 mal in die größte nationale und globale Katastrophe.
Also: immer schön streiten und dabei konstruktiv bleiben. Die völkische Einheit ist ein emotionaler Trigger, mit dem populistische Demagogen auf Bauernfang gehen. Es ist kein gesellschaftliches Ideal, das uns als Menschheit wirklich weiterbringt. So seh ich das. Weiss nicht, was Ihr dazu meint?
Während ich das alles schreibe, höre ich übrigens Count Basie in Montreux 1977. Auf Vinyl versteht sich. Welch Luxus!
Alle sind daueraufgeregt. Das Abendland geht schon wieder unter. Ist ja auch kein Wunder: so oft wie das schon beschworen wurde!
Wirtschaft, Kultur, Existenz, Demokratie – alles im Arsch. Die Chinesen kommen. Unsere Kinder kriegen keine Bildung mehr und Angela Merkel trinkt ihr Blut im Keller des Pergamon Museums. Atilla Hildmann ist still geworden und der amerikanische Präsident wurde um die Wiederwahl betrogen. Dabei wollte er ja nur die Corporation aufheben. Ja: die amerikanische Verfassung ist nicht die der Vereinigten Staaten, sondern die einer Corporation, die Londoner Geschäftsleuten gehört. Von unserer Verfassung ganz zu schweigen, denn die ist auch nur eine Nachkriegskapitulationsvereinbarung und unsere persönliche Verfassung ist auch schon am Limit: Freundschaften entzweien sich. Die Gesellschaft ist gespalten wie noch nie. Deutsche Einheit? Keine Spur!
Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Systemmedien sagen, das liege an der Jahreszeit. Alles Lüge! Friedrich Merz meint, alle beneiden ihn und wollen ihn deswegen zur Strafe hoch besteuern. Um das zu verhindern will er Kanzler werden. Ich kann ihn gut verstehen. Würde ich genauso machen.
Die Impfstofflieferung stockt! Was ist da los? Spahn hat’s verkackt. Von der Leyen ist „The Queen of Schadensbegrenzung“ – jetzt auf Europaniveau. Womit haben wir das verdient? Die FFP2-Masken sind zu teuer und die wenigen staatlich geförderten werden an Unbedürftige ausgeliefert. Söders Frau verdient sich daran dumm und dämlich und der Gates kommt seinem Ziel immer näher: Rekordprofite durch seine Impfstoffpatente und die Aussicht auf all die Infos, die er von uns abzapft, wenn der Chip mal in unseren Organismen sitzt.
Der eine Virologe wird geliebt und gehasst, der andere sitzt in Griechenland und meckert vor sich hin. Ein anderer hat sich vor Frust nach Thailand abgesetzt (mal schauen, ob er da mehr spass haben wird, als hier!).
Skifahren werden wir dieses Jahr wohl vergessen können. Mal sehen, wie es mit dem Familienurlaub im Sommer aussieht. Aber es gibt zumindest überall Klopapier, Fleisch, Kaffee, fossilbasierenden Treibstoff und Tote. Das sind aber nicht unbedingt mehr Tote als es sonst auch wären – im Gegensatz zu den Aussagen der Systemmedien! Ja, vielleicht ein paar mehr, aber irgendwann müssen wir Menschen uns ja mal wieder besinnen und auch den Tod in unserem Alltag akzeptieren, uns mit ihm auseinandersetzen, statt ihn immer nur zu verdrängen, oder? Ja, klar ist Tod kein richtig tolles Konzept. Keiner will sterben, aber leider sind wir Menschen sterblich. Nur weil Menschen sterben, können wir doch nicht unsere heilige Freiheit aufs Spiel setzen! Hallo – es geht um unsere „gottgegebene Freiheit“.
Wir brauchen sofort eine neue Verfassung! Gleich heute berufen wir eine verfassungsgebende Volksversammlung ein, führen einen Haka-Tanz für den Weltfrieden auf und schaffen erstmal die alte ab. Und dann sehen wir schon, was passiert. Schlimmer als jetzt kanns ja nicht mehr werden.
– Wir sind friedlich. Und das ist das wichtigste. Siehst du irgendweche Gewalttätigen?
– Von wegen- wir sind friedlicher!
– Nein, wir sind friedlicher!
Schau alles friedlich. Sogar die paar Nazis. Alle friedlich. Die sind so friedlich, dass man gleich Lust kriegt, sich mit ihnen zu unterhalten. Natürlich müssen wir uns mit denen unterhalten. Die sind auch ein Teil dieser Gesellschaft. Wenn man sie immer nur ignoriert, dann wirds nur schlimmer. Das deutsche Volk wird an den gesellschaftlichen Rand getrieben!
Dabei geht es uns nur um Frieden: Wir wollen endlich wieder Frieden mit Putin. Frieden mit Trump wäre auch schön gewesen, aber der Zug ist ja leider abgefahren. Bei Biden gilt es zu hoffen, dass er den Kriegskurs von Obama nicht wieder aufnimmt. Wenn man sich die Aussenpolitik unter Trump mal genauer besieht: Wieviele Kriege hat Trump angezettelt? Gar keine! Im Gegensatz zu Obama. Er hat Truppen abgezogen. Obama hat den Syrienkonflikt zu verantworten. Das will aber wiederum keiner wahrhaben.
Globale Konzerne verarschen uns. Sie zahlen keine Steuern und beherrschen die nationalen Budgets. Alles arbeitet nur für sie. Und was wird dagegen getan? Nichts. Und wir dürfen schuften jeden Tag. Die Kliniken werden privatisiert seit Jahren und jetzt reichen uns die Kapazitäten nicht mehr mitten in der Pandemie. Die Fachkräfte in der Bildung, im sozialen Bereich, in der Pflege, im Gesundheitswesen und wir – das Volk – wir zahlen die Rechnung!
Und das was alle nie wahrhaben wollten, wird jetzt ganz klar ersichtlich: Wie leben in einer Diktatur!
Wir fahren über Kufstein nach Deutschland ein.
Nach ein paar Tagen in Venedig – 2 Wochen in der Toskana, das Salz noch auf der Haut, die Augen brennen leicht.
Es ist Abend. Wir haben an der Tankstelle Gurken, Tomaten und Parmesan gegessen – ohne Salz – danach Österreich passiert.
Sonniges Wetter allenthalben. An den bisherigen Grenzen schaut die Polizei zwar recht streng und trägt kugelsichere Westen. Aber sonst hat man nicht den Eindruck von einer scharf gesicherten Grenze.
Aber in Kufstein wird alles anders. Der Himmel verdüstert sich. Es fängt an zu regnen.
Wir nähern uns im Schrittempo an die deutsche Grenzabsperrung.
Seit neuestem sieht es dort aus, wie am Filmset: Umgekehrte Reflektorschirme auf hohen Stativen streuen das intensive Licht der Leuchtstrahler, die in ihrem Zentrum angebracht sind.
Zwei Polizistinnen werden von ihnen angeschienen – in Kombi mit dem Unwetterhimmel und der Wolkenstimmung im Hintergrund, ein Traum an Lichtqualität. Die beiden Frauen tragen Ganzkörperuniformen, Maschinengewehre und lange, glatte blonde Haare… offen! Eine leichte Brise bringt diese grazil zum Flattern. Fast glaubt man, es wären Bühnenventilatoren aufgestellt.
Das Licht strahlt indirekt, elfengleich die Gesichter, martialisch die Körper, bis an die Zähne bewaffnet.
Ihre Blicke reichen walkürengleich heroisch in die Ferne. Sie strahlen Sorge und Zuversicht aus.
Eigentlich möchte Ich ihnen zuklatschen, so bewegend finde ich die Szene, aber dann denke ich mir: vergiss es. Das gibt nur unnötige Mißverständnisse.
Dann versinkt das Land um uns herum in tiefer Dunkelheit und der Regen setzt in all seiner Vehemenz ein.
Der Urlaub ist vorbei.
Wir sind in Deutschland.
Wir sind besorgt, jedoch zuversichtlich.
Dies ist ein türkisches Volkslied, das ursprünglich vom Volksbarden Hacı Taşan stammt und von Muzaffer Sarısözen in das türkische Volksliedarchiv übernommen wurde. Sarısözen war einer dieser unermüdlichen Musikarchivare, die in der ersten Hälfte des 20. Jhd.’s auf den Spuren der großen Volksbarden und der seit Generationen überlieferten Volkslieder durch Anatolien gepilgert sind. Sie haben Aufnahmen gemacht, haben Text- und Melodieversionen verglichen, Noten analysiert, Texte archiviert und Standardwerke zusammengestellt. Dieses unermeßliche reiche Repertoire an Liedern wurde dann vor allem im türkischen Staatssender TRT rauf und runtergespielt und und diente somit in den Siebzigern auch als Grundlage für die Entwicklung des modernen türkischen Pop – dankbar angenommen von Interpreten wie Barış Manço, Selda Bağcan, Cem Karaca, Moğollar, Ersen ve Dadaşlar, Erkin Koray etc..
Hier zwei Versionen dieses Liedes: Die erste ist von Ruhi Su. Su war Vertreter einer neuen Riege von hochtalentierten Musikern, die im Gegensatz zu den psychedelic Rockern der Siebziger, nicht mit Wawa-Pedal und Synthesizern rumexperimentiert, sondern sich der vielstimmigen Chorarbeit zugewandt und alte Volkslieder für den Chor aufgearbeitet haben. Su hat aber auch viele Alben solo – mit der traditionellen Bağlama und klarer Stimme – aufgenommen. Seine Absicht war es, die Volksmusik als gesellschaftlichen Wert in eine neue Ära zu tragen und auch sein Stil ist eher politisch geprägt: Ruhi Su war ein linker Aktivist mit aufrichtiger oppositioneller Haltung. Noch dazu war er armenischstämmig: seine Eltern wurden zur Zeit der Progrome gegen sein Volk 1915 umgebracht. Er landete in einem Waisenheim. Musik war seine einzige Zuflucht und wurde zu seinem expressiven Äusserungmittel:
Allı durnam bizim ele varırsan Şeker söyle kaymak söyle bal söyle. Gülüm gülüm Kırıldı kolum Tutmuyor elim durnalar hey Ah gülüm gülüm Yar gülüm gülüm Kız gülüm gülüm durnalar hey Eğer bizi sual eden olursa Boynu bükük benzi soluk yar söyle
Mein roter Kranich Wenn du in unsere Heimat kommen solltest, Dann bestell Zucker, Sahne und HonigAch meine Rose, Meine Hand greift nicht mehr, Mein Arm ist gebrochen, Ach mein rosiges Mädchen, Ach ihr Kraniche.Mein roter Kranich, Falls jemand nach uns fragen sollte, Berichte von einem blassen Geliebten, In Trauer geneigt.
Dieser Song begleitet mich seit meiner Kindheit. Eine seiner Platten, die mein Vater damals noch gekauft hat steht immer noch in meinem Regal und gehört zu den wertvollsten Dingen, die ich besitze.
Die zweite Version dieses Liedes, die Ich ebenfalls sehr gerne mag ist instrumental. Es ist eine – für seine Zeit – recht gut gelungene Jazz-Soul-Version vom Erol Pekcan Orchester. Das Saxophon wird von einem gewissen Öner Ünal gespielt:
Der tägliche Kniefall vor dem Anspruch des kleinen Selbstbildes erzeugt zynischen Humor und ein zerknirschtes kreideweißes Gesicht. Umso schlechter ist die Laune jeden Morgen, denn die Konkurrenz ist groß. Das ist die größte Plage im Leben. Die Ellbogen sind gespitzt und gekrönt mit einem herrschaftlichen Gönnerlächeln. Die dunklen Witze verselbständigen sich und werden zum daily Business, bis man sich wundert, welch großes Arschloch man doch mit der Zeit geworden ist. Aber auch das nimmt man mit Humor, denn im Endeffekt sind diese Momente wie Ordensabzeichen auf der stolzen Brust des verwöhnten kleinen weißen Windelkackers, als der man eben geboren wurde, als das heilige Opfer der Tätergesellschaft, das direkt aus dem Mutterleib auf den Altar geplumpst ist.
Die Karrieresucht der Mama liegt hinter einem, wie ein Schlachtfeld und die Ignoranz des selbstverliebten Vaters glänzt wie ein Goldsaum weit weg am Horizont. Genau deswegen erstrecken sich die Einsamkeit und die Verzweiflung vor einem wie eine Wüste aus Treibsand. Da sitzt man nun und heult herum im vollen Bewußtsein, dass man sich im Epizentrum der Luxuswehwehchen befindet..
Da draußen merkt natürlich keiner was von dem Pipikaka-Krieg. Die Chaträume beben vor Kraftmeierei und geschickt gesetztem Szenario.
Opfer, Opfer, Opfer… Wenn man alleine nur bedenkt, was im Laufe der Jahrhunderte aus diesem hochspirituellen Wort geworden ist? Eine Selbstzuweisung in der sich Faschisten baden, wie Kleopatra in Eselsmilch, während sie ihre Krokodilstränen in speziellen Behältnissen sammeln, wie Peter Ustinov als Nero auf einer Terrasse des Kapitols während er Rom beim Brand zusieht. Wie ehrlich sind da doch die „deutschen“ Hip Hop Produzenten in Berlin-Kreuzberg, Köln-Kalk und Bielefeld-Baumheide, die den Begriff aufrichtig als Schimpfwort benutzen. Denn das ist er eigentlich.
Also ich bin lieber legal Alien auf Dauerurlaub mit dem Pass eines weißen Windelkackers.
Es muss etwas passieren. So geht’s nicht weiter! Heute habe ich diese Zeitung im Bioladen in Harlaching ausliegen gesehen und ich habe den Geist der Revolution gespürt!! Ich schwöre! Die verantwortliche Initiative nennt sich Kommunikationsstelle für den demokratschen Widerstand (welch wohlklingender Name?):
Sogar mit Propagandaansprachen auf mehreren Sprachen. Ganz oben rechts in der Ecke auf der Startseite steht der Hinweis: „Für unsere Türken auf Seite 2“. Ist doch toll gemacht, oder? Das spricht die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt an. Da kann jetzt wirklich niemand mehr was sagen: von wegen rechtslastig oder rassistisch.
Könnt Ihr euch noch erinnern? Trekking auf Bali und wie Gastfreundlich die Menschen damals waren? Wir Deutschen haben das Recht darauf, uns wieder über die Gastfreundschaft anderer Völker zu freuen!
Das musste jetzt mal gesagt werden! Und deswegen müssen wir jetzt alle auf die Strasse zum protestieren. Und weil… global agierende Konzerne nicht lange fackeln und alle Vorbereitungen treffen, um uns den Chip einzupflanzen. Also: auf los Gates los!
Aber ob mit oder ohne Chip: Wir werden wieder Weltmeister! Das nur am Rande bemerkt!
Vor Jahren wurden wir zum „Personal“ der Unterklassenluxus-Wohlstandswelt einer Scheinrepublik degradiert. Nun haben wir unseren Zweitwagen schon lang verkaufen müssen und der Erstwagen ist leider ein VW gewesen. Der Pakistani von nebenan fährt aber Lancia! Schlimmer kann ein Rechtsstaat nicht versagen!
Deutschland ist am Arsch und das kann einem verständlicherweise schon den letzten Nerv rauben. An dieser Stelle nun ein passendes Zitat aus oben genanntem Medium:
„Unser größter Sieg wird das Zurückerlangen unserer liberalen Freiheitsrechte sein.
Und sollte die Regierung sie freiwillig zurückgeben, werden wir richtig gehandelt haben. Sollte die Regierung sich jedoch dauerhaft zu einem totalitären Regime wandeln, dann werden wir umso mehr gebraucht worden sein!“ (die Futurform des letzten Satzes hat sehr hohes Squirt-Potenzial finde ich!).
Monthy Phythons Flying Circus hat diesen Konflikt übrigens schon vor Jahren brilliant inszeniert:
Viele Kokosnussritter*innen treffen sich auch Woche für Woche in den großen Metropolen des Landes, um gegen die Coronamaßnahmen der Regierung zu protestieren. Während dieser Proteste wird besorgt und hochkompetent geschildert, was unseren demokratischen Grundrechten droht, wenn wir weiterhin dazu genötigt werden freiwillig Mäßigung zu üben. Die Judikative und Exekutive schränken unser Privatrecht ein und die Polizei schaut böse! Auf uns weiße privilegierte Bürger*innen! Als ob wir deren Feinde wären!
Dabei wirssen wir im Grunde doch alle ganz genau: die wollen das genauso wenig wie wir! Im Grunde ihres Herzens sind die Beamt*innen mit uns, aber sie werden von einem diktatorischen Regime dazu gezwungen. Jawohl! Schaut mal zum Beispiel nach Amerika: In Amerika sind die Demonstrierenden heilig. Da dürfen sie – vorausgesetzt natürlich sie haben die richtige Hautfarbe – schwerbewaffnet das Parlament in Michigan stürmen und den Abgeordneten mal zeigen, wie großkalibrige Waffen funktionieren.
Weiss gar nicht, worüber sich die Amerikaner*innen grade so aufregen? Das ist doch ein durch und durch demokratisches Land? Was für ein Tam Tam die machen, wegen Polizisten, die unter den schwersten Umständen verantwortungsbewusst ihren Job verrichten! Die sollten mal unsere Diktatur hier mitkriegen? Dann wüßten sie was ein unmenschliches Dasein bedeutet!
Haha! Letztens meinte tatsächlich ein Türke genau das selbe zu mir: „Ihr solltet mal in der Türkei leben, dann wüsstet ihr, was es heißt, sich nicht mehr auf seine Grundrechte verlassen zu können. Spinnt ihr denn? Ihr kriegt zumindest Grundsicherung! Uns schickt der Präsident eine Iban aufs Handy mit der Bitte um eine Spende für den Staat!“.
Der ist ja lustig, oder?! So weit kommt’s noch, dass die sich in ihrem demokratischen Anspruch mit uns messen können! Ich hab so getan, als hätt‘ ich ihn nicht verstanden. Aber lachen musst ich schon!
Wie gesagt: völlig aus dem Ruder gelaufen die Situation auf dieser Welt. Bin ja gespannt, wo das alles noch hinführt?