Granatapfelsirup

Vergiss Balsamico. Wenn du deinen Salat zeitgemäß pimpen willst, dann nimm Granatapfelsirup, aber nicht die zum Cocktailsmixen! Geh zum türkischen Supermarkt am Bahnhof, zu dem großen. Da gibt’s verschiedene Sorten. Fast alle sind gut. Ich nehm immer die Granatapfelsauce von Feysan. Die Form der Flasche und die Typo hat mir ganz gut gefallen, aber im nachhinein wurde mein optisch-ästhetischer Anspruch durch den Inhalt bestätigt. Das ist oft so bei mir. Ich hatte schon lange auf Granatapfelsirup umstellen wollen. Jetzt habe ich es endlich vorgenommen vor ein paar Monaten.
Granatapfelsirup ist nichts für Erwachsene. Er ist was für Kinder. Er ist süß, er ist säuerlich, sein rot hat etwas leuchtendes, verlockendes. Granatapfelsirup ist etwas für leichtsinnige Träumer. Er steht für unverbesserliche Romantik, für offen gelebte Naivität, für die alltägliche Dummheit.
Geht gleich heute raus und besorgt euch das Zeug und ihr werdet verstehen, wovon ich rede. Granatapfelsirup passt wunderbar zum anmachen von Salaten, aber man kann ihn auch über die Mozarella gießen, oder in den Couscous tun. Man kann Avocados damit verfeinern. Ach was weiß ich, probiert es einfach aus.
Granatapfelsirup lässt euch die unwichtigen Ärgernisse des Tages vergessen. Er bringt euch dem Wesentlichen um Meilen näher. Granatapfelsirup ist die Essenz der Liebe, der Lust und des Lebens. Granatapfelsirup trifft den Zeitgeist mitten in die Magengrube und löst ihn auf. Er ist nicht hip! Er ist ewig! Granatapfelsirup macht dumme, naive Träumer aus euch, lässt euch singend in der Gegend herumlaufen und euch gegenseitig grundlos umarmen.
Geht und holt euch noch heute Granatapfelsirup!

Dazu der passende Film:

Und der passende Sound:

Die Schlacht der Pseudonyme

Sie fühlt sich schnell persönlich angesprochen.
Von allem eigentlich.
Als ob alles eine Interpretation ihrer Gedanken, ihrer Gefühle, ihres Lebens wäre.
Als ob ihre Umwelt nur existierte, um sie selbst widerzuspiegeln.
Sie ist so eitel und so zerbrechlich.
Ihre Welt dreht sich um sie und nur um sie selbst.
Dabei ist sie nur ein Pseudonym, mehr nicht.
Nicht nur eines!
Sie ist mehrere Pseudonyme und um sie herum befinden sich noch mehr von ihrer Sorte.
Manchmal hat sie auch einen Körper, einen Kopf, Augen, Lippen, Mund, Hände, Haare, Schuhe, Füße…..eine Meinung.
Der Triumph erfüllt sie sehr leicht.
Sehr leicht.
Ihre Selbstempfindung inszeniert sich innerhalb der Systemkapazitäten ihres Profilraumes und analog zu den aufbereiteten Ergebnissen der effektiven Machbarkeitsanalyse.

Der Intendant sagt: „Ja, hau solche Begrifflichkeiten auf den Tisch, auch wenn du sicher sein kannst, dass mehr als die Hälfte der Masse spätestens nach dem 3. Satz kopfschüttelnd weitergeflossen ist. Dir bleibt dann nur noch die Elite der Kritiklosen. Aber wenn die überzeugt sind, hast du genug Material zum Arbeiten“.

Bing Bong Bing. Der Intendant findet sie sehr schwierig, vor allem zu aggressiv. In seiner gut Inszenierten Meinungs- und Hilfslosigkeit läuft er achselzuckend durch die Gegend, macht ein betretenes Gesicht und lästert.

Man wünscht ihm allenthalben viel Erfolg dabei. Und genauso schnell und eurphorisch wie die Welle aufbrauste, kann sie einen auch schon wieder unter sich begraben.

Ein orangenes T-shirt und Fetzen einer weiten, ausgetragenen Jeans werden am Strand angespült. Ein kleines Mädchen fotografiert das Schwemmgut mit ihrem Mobilfunktelefon, dass sie fast nie aus der Hand legt.

Wenn sie nicht vergisst, ihren Fund zu teilen, dann bleibt noch was von der Glorie in den Weiten der virtuellen Welt erhalten.

Bussi

Dran bleiben!

Afghanistan sah so schön aus früher.
Hast du die Bilder gesehen? Hat so ein Amerikaner geschossen wohl in den Sixties. Da haben die Frauen dort Miniröcke getragen?

Wahnsinn, hätt ich ja nie gedacht. Im Iran übrigens auch – mußte dir mal Bilder ansehen von damals, echt unglaublich.

Und in der Türkei auch. Unglaublich. Die sehen auch richtig nett aus die Leute auf den Fotos. Da denk ich mir fast, wie’s wohl wäre, wenn jetzt damals wäre und man dort Urlaub machen könnte?

Sogar in Tunesien, Marokko und Algerien sahen die Menschen viel fortschrittlicher und glücklicher aus, als jetzt.

Es gibt sogar Fotos von der Bin Laden Familie im Urlaub in Schweden oder so. Ja, die Familie von Osama Bin Laden. Alle sehen so fortschrittlich aus.

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Fort
Schritt
Fort
Schritt
Fort
Schritt

Und jetzt? Jetzt sind sie fortgeschritten.

Wohin sind die fortgeschritten? Ja, aber die sind ja ganz weit fortgeschritten von uns?
Und warum?
Wir sind doch so schön?

Ja ja deine Nation!

Bist du stolz auf deine Nation? Wie armselig bist du denn? Hallo! Deine Nation ist irrelevant. Auf jeden Fall irrelevanter als deine Nationalmannschaft. Ich weiss, das war mal anders. Aber die Zeiten sind schon lange vorbei…leider. Jetzt lässt sich die Bundeskanzlerin von sonem dahergelaufenen Erdogan an der Nase rumführen.
Naja. Fakt ist, dass heutzutage sogar der Irak nationale Grenzen besitzt. Ja, der Irak ist eine Nation mit Nationalfahne und Nationalhymne!
Ich finde ja: je mehr gerade Linien und rechte Winkel den Verlauf der Grenzen eines Landes prägen, desto interessanter die Entstehungsgeschichte. Da tauchen dann so Gestalten auf wie: Gertrude Bell, T. C. Lawrence, Mark Sykes, François Georges-Picot, Max von Oppenheim etc. Dann liest man sich so ein bisschen ein und muss sich schon wundern über diese Typen da im Nahen Osten. Was wollen die eigentlich?
The West rules! Und das war schon immer so. Das sollten die endlich mal einsehen. Wir haben deren Grenzen gezogen, sie in Kriege verwickelt und ihre Nationalökonomien in Abhängigkeiten gebracht. Wir haben die nach Strich und Faden ausgenommen. Das ist harte Arbeit.
Und was machen die jetzt, wo wir gerade mal unsere wohlverdiente Ruhe genießen wollen? Die hauen jetzt einfach dort ab und meinen, sie könnten mitsamt ihrer lausigen Kultur einfach hierherkommen, Parties feiern mit so schrecklichen Namen wie „Eksotik Meksotik„, wo Raki und Ouzo in Strömen fliessen. Dann bringen sie auch noch leckere selbstgemachte Vorspeisen mit, spielen ihre Musik live und tolle Dj’s gibt’s da auch noch. Aber vor allem diese Musik! Schlimm. Echt Schlimm. Da kommt man ja nie zur Ruhe!
Und die posten das auch noch auf Facebook. Schaut euch das mal an. Denen geht’s richtig gut: https://www.facebook.com/events/840467762731409/?active_tab=posts

Serie: Widerstand – 1. Otpor, oder der Ausverkauf

Ich hatte ja schon vor langem damit gerechnet, dass Basheer Al Assad so endet wie Muammar al Ghaddafi. Aber er hat gut durchgehalten, auch dank dem entschiedenen Einsatz von Wladimir Putin. Andere Regimes hatten zwar auch eine lange Dauer, aber sie haben den arabischen Frühling dann doch nicht überstehen können.

otpor__logo

Das Logo des globalen Widerstands, designed and promoted by „Otpor“

Der arabische Frühling. Er kam so verheissungsvoll daher, hat sich dann aber doch als ganz fauler Marketingtrick entpuppt. Ich meine, wenn man sich mal ansieht, was daraus im Grossen und Ganzen geworden ist: ein globales Kriegsszenario, dass alles andere gefördert hat, als die Verbreitung von Freiheit, Gleichberechtigung, Demokratie, etc..
Oh Oh! Da tauchen wieder Verschwörungstheorien im Halbdunkel meines Bewusstseins auf und tänzeln hinter einem gräulichen Schleier, der ihr klares Hervortreten verhindert und den man wohl benötigt, um sich auf seinen Alltag als Otto-Normalverbraucher konzentrieren zu können.

So ganz zusammenhangslos las ich letztens einen Artikel von Jonathan Fischer über die Infiltrierung der kritischen kubanischen Hip Hop-Szene durch eine staatliche US-Agentur (Usaid: U.S. Agency for International Development), die sich dazu serbischer Promoter bediente, um eine Revolution auf der Karibikinsel auszulösen:
https://jonathanfischer.wordpress.com/2016/02/23/ausgerechnet-amerika-wie-man-eine-jugendrevolte-erledigt-die-kubanische-hip-hop-szene-lebte-von-der-kritik-am-greisen-castro-regime-dann-wurde-sie-von-us-behoerden-unterwandert-das-konnte-sie-nic-2/
Das Geschah in den Jahren 2009-2010. Zur Finanzierung wurde anscheinend verdecktes Kapital auf panamaischen Konten genutzt. Künstler wurden zu Kulturaustauschprogrammen nach Europa eingeladen, etc. etc..
Die Folge war: der kubanische Machtapparat bemerkte das Erstarken der kritischen Jugend und versuchte sich diesem Energieschub zu bemächtigen, indem es den Hip Hop auf der einen Seite institutionalisierte und gleichzeitig den Raggaton forcierte (eine vor ca. 15 Jahren entstandene Musikrichtung, die elektronische Beats und karibische Rhythmen mischt und sich inhaltlich eindeutig  auf geschlechtsspezifische Themen fokussiert. Die Musikvideos beziehen sich deswegen auch auf üppig dimensionierte weibliche Körperteile in eindrucksvollen komplexen Bewegungsabläufen.
Die Paar unbeeinflussbaren kritischen Rapper wurden somit ihrem Klientel beraubt, der somit dem drögen Kommerz zugeführt wurde. Die Amis kamen nicht auf ihre Kosten, denn die Revolution blieb aus und das Unterwanderungsprojekt somit eine reine Fehlinvestition.
Leidtragende in erster Linie blieben die lokalen Rapper mit ihrer politisch soliden Haltung. Das sonderbare an der ganzen Geschichte ist aber die Tatsache, dass all diese Machenschaften erst vor einem Jahr aufgedeckt wurden, im Zuge der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder. Die genannte Handvoll Künstler, die von Anfang an skeptisch gewesen waren und sich immer distanziert haben von den Hype um ihre Musik berichten nun, dass die Amerikaner wohl „eine Sache“ Grundlegend falsch verstanden haben: die Kritik gegen Castro gewann ihre Kraft nicht aus der antisozialistischen Perspektive, sondern genau aus der gegenläufigen Bewegung: die Rapper hielten sich für die besseren Revolutionäre!

Alles schön und gut! Nichts, als ein Beispiel der Zerstörung einer weiteren jungen Musikkultur? Ja – unter anderem.

Was mich aber tatsächlich sogar noch mehr interessiert und auch ein wenig erschreckt in diesem Zusammenhang, ist das Auftauchen des Begriffspaares „Serbische Promoter“.

Denn da fällt mir natürlich mal direkt „Otpor“ ein – das serbische Kreativbüro für weltweite Aufstände – und ihr Frontman „Srdja Popovic“, der ja bekanntlich seine Strategien für eine erfolgreiche gewaltfreie Jugendrevolte (nach Modell des Widerstands in Belgrad während des Jugoslawienkriegs) lukrativ zu vermarkten wusste und auch nicht davor zurückschreckte, mit amerikanischen privaten Security-Firmen zu kooperieren.

Hier zwei interessante Links dazu:

http://www.occupy.com/article/exposed-globally-renowned-activist-collaborated-intelligence-firm-stratfor

www.theguardian.com/world/2015/mar/08/srdja-popovic-revolution-serbian-activist-protest

Und hier die äussert populäre und besonders in den Nordafrikanischen Staaten sehr beliebte Publikation Popovic’s:

http://www.blueprintforrevolution.com/

Vielleicht wäre das ja eine Investigation Wert, lieber Jonathan Fischer?

The Sultans of Neoliberalism

Es ist schon ein Luxus, an der Strandpromenade von Pendik richtung Kadiköy auf der anatolischen Seite des Bosporus entlangfahrend alte Hits aus den 70ern im Autoradio zu hören. Vorrausgesetzt der Verkehr fließt, natürlich. Zwischendurch fällt dir das Verkehrschaos immer wieder auf, doch der Blick in die untergehende Sonne gibt dir immer wieder das Gefühl des Menschseins zurück. Doch! Diese Stadt hat immer noch eine Idylle bewahrt, die man zwar meist nur aus der Ferne genießen kann, aber sie hat sie noch. Mindestens eine.

Männer und Frauen überaus sinnlich in ihrer patriarchalen Unsinnlichkeit und in ihrem Unsinn, verstrickt in ihre Kreditkarten und im Verlust ihrer Wahrhaftigkeit, billig verkauft an stillose Stilverkäufer, die ihnen die letzten Groschen von ihren digitalen Konten kehren.

Allesamt vergessen sie sich und die Geschichte, die Steine, die Erde, auf der sie leben. In ihrer verzweifelten und unbewußten Sehnsucht huldigen sie den letzen Überbleibseln einer oberflächlich geliebten reichen Welt, die sie über die Jahrzehnte eigenhändig zertrümmert haben. Und diese letzten Überbleibsel hängen am Schnurbart eines verblassenden Nationalhelden, der heldenhaft und despotisch in die Ferne blickt mit seinen stechend blauen Augen.

Die Frauen sind vezweifelt still, fleissig, immer auf den Beinen, ruhelos, schlaflos, sorgend. Die Männer sitzen verhungernd in ihren Luxusanzügen, Luxussuiten, Luxuslimusinen, die Augen weit aufgerissen, laut die Stimmen, immerzu die universelle Gerechtigkeit einfordernd, die unsichtbar und fiktiv an ihren aufgerichteten Schwänzen hängt.

In all dieser Verzweiflung gedeiht ein Humor, der seinesgleichen sucht. Es wird ständig gelacht und gelacht. Es gibt Geschichten, es gibt gute Musik, es gibt gutes Gemüse, es gibt Güte, es gibt einen haufen Emotionen, es gibt den Arabesk und es gibt eine hinter den Prinzeninseln untergehende kugelrunde glutrote Sonne und das Meer voller zappelnder Fische: Istavrit, Cinekop, Lüfer, Palamut, Mezgit, Kalkan. Es gibt salziges Meerwasser, das einem an den Lippen klebt und nach Algen riecht, bei windigem Morgenwetter. Es gibt Menschen, die jeden Tag nach dir fragen, wenn sie dich ins Herz schließen. Es gibt, es gibt und es gibt.

Ganz weit im Hintergrund lauern die totgeglaubten osmanischen Sultane. Die wollen auch wieder unter die Sonne der Gegenwart. Die wiederum tobt in der Grenzregion zu Syrien in Städten wie Diyarbakir, Cizre, Silopi, Hakkari, um nur einige zu nennen. Die Sultane verhängen Ausgangssperren und bomben ihren Hass in diese Städte, zertrümmern historische Gemäuer, Wohnhäuser, töten Kinder, Frauen, Greise und nennen sie Terroristen, schicken die Lehrer und Lehrerinnen in den Urlaub, um die Schulen zu Munitionslagern umzufunktionieren. Der Tod lauert nun dort, wo einst die fruchtbare Kultur aus dem Zweistromland nach Westen strömte. Jetzt wird dort das menschliche Gewissen ermordet. Wieder einmal.