Aufforderung an die Münchnner Kammerspiele: Ihr müsst besser mit euren DarstellerInnen kommunizieren…

Achtung! Achtung! Was geschieht an den Münchner Kammerspielen? Die DarstellerInnen des Stückes „Niemandsland“ von Dries Verhoeven erkundigen sich beim Götheprotokoll, worum es in dem Stück überhaupt geht! Das Götheprotokoll fungiert nunmehr als interner Kommunikationsdienstleister für den deutschen Kulturbetrieb. Haben sie auch LaiendarstellerInnen mit Migrationshintergrund und keine richtige Lust ihnen den Inhalt ihres Stückes zu kommunizieren? Wenden Sie sich an das Götheprotokoll. Wir regeln das für Sie! Mehr dazu hier:

Also ich wundere mich ja wirklich immer noch sehr über dieses besagte Stück von Dries Verhoeven: „Niemandsland“ – Premiere im Juni. Man hört ja so einiges, nicht wahr?

Was sich der Intendant der Kammerspiele gerade für Spässchen leistet mit der Inszenierung von „die Neger“ von Jean Genet, dass geht ja gut durch die Presse. Das konservative, reaktionäre Publikum lacht sich ins Fäusstchen und klatscht Beifall. Aber viele sind verwundert über die sture, ja fast patzige Haltung des Intendanten und Regisseurs im Umgang mit der Kritik, die zum Beispiel von Seiten des Götheprotokolls kommt, von Kulturschaffenden und TheatermacherInnen, die sich mit institutionellem Rassismus im deutschen Kulturbetrieb befassen. Es geht vorwiegend um das hartnäckige Beharren auf dem Blackfacing, das zur Inszenierung eines Stückes angewandt wird, dessen Autor – ob man es nun akzeptieren will oder nicht – bestimmt hat, dass es nur von People of Colour aufgeführt werden solle.

blackface

Wie ein kleines Kind protestiert nun diese legendäre Theatergestalt gegen die Kritik und sinkt tief im Niveau (hier zu bewundern in einem Radiobeitrag des BR: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/kolumnen-sendungen/generator/von-weissen-fuer-weisse-100.html). Die Presse jauchzt auf: „den Kammerspielen institutionellen Rassismus vorzuwerfen grenzt an Sarkasmus“.

Aber was willste denn machen? Ihr könnt das leider nicht beurteilen, denn ihr seid die VerteterInnen einer durchgehend „weissen“ Medienlandschaft, deren Blick auf dieses Thema erschütternd oft entweder ungeschulte Naivität oder wohlkalkulierte Ignoranz erkennen lässt. Es passt vom Bild her nicht zusammen für euch, ich weiss, aber achtet man in der europäischen Kulturlandschaft nicht schon viel zu lange auf das blosse Bild, welches sie von Aussen abgibt? Ist das nicht vielleicht sogar der Grund, warum Johann Simons jetzt plötzlich in Erklärungsnot gerät?

Aber um wieder zu dir und deinem Stadtprojekt zurückzukommen, lieber Dries. Letztens habe ich eine deiner Darstellerinnen zufällig im Theater getroffen. Die erzählte mir ganz munter, dass sie bei deinem Stück mitmacht – eine ältere Dame mit Migrationssonnencreme. Ich habe ihr neugierig zugehört und ihr nichts von unserem kleinen Clinch gesagt. Ich will ja die Chemie zwischen dir und deinen DarstellerInnen nicht belasten – das wäre ja unfair.

Ich habe sie lediglich gefragt, wie die Konstellation der DarstellerInnen jetzt so ist und da hat sie mir erzählt, dass du entgegen deines ursprünglichen Aufrufs von damals jetzt auch Christen und Juden gecastet hast und auch die Anmutung nicht mehr so fixiert ist auf den „afrikanischen und muslimischen Kulturkreis“, wie du das damals so schön benannt hattest. Das freut mich sehr zu hören, Dries – du scheinst ja wandelbar zu sein und wirklich fähig, dich von deinen eigenen Vorgaben zu lösen, wenn es sein muss.

Gerade, als ich dann jedoch auf meinen Platz wechseln wollte, da fragte sie mich urplötzlich: „Aber sag mal, Tuncay. Kannst du mir eins verraten: Weisst du worum es  in diesem Stück geht? Wir wurden zwar gecastet, aber über den Inhalt wurden wir nicht so genau aufgeklärt“.

Da musste ich mich doch schon sehr wundern. Dries bitte klär die Menschen doch mal auf über das Inhaltliche des Stückes. Oder ist es dir vielleicht nicht so wichtig, was sie denken? Das sind doch schließlich deine DarstellerInnen und im Grunde sind es doch die Menschen, um die es geht? – und sie sind wohl auf ewig dazu verdammt, sich selbst darzustellen, oder Dries?

Schreibe einen Kommentar