Sie nippte an ihrem Strohhalm. Die Augen hatten sich zu engen Schlitzen verschmälert. Sie lies ihre langen glatten und dunkelblonden Haare mit einer routiniert rhythmischen Bewegung hin- und herwogen, sah ihn zuerst fragend an und zögerte. Dann blickte sie in ihren Drink. Sie sinnierte kurz, blickte auf, legte ihren Kopf schrög und stiess seufzend aus:
„Ich bin so etwas ähnliches wie eine Androidin. Meine Identität setzt sich aus erweiterbaren Modulen zusammen. Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, all meine Alltags- und Sozialisationserfahrungen wie Bausteine nach Gusto aneinanderzufügen und daraus eine mir eigene komplexe Identität zu schaffen. Das hilft mir, den Ansprüchen zu genügen, die ein Leben zwischen den Kulturlandschaften mit sich bringt. Hätte ich mich für nur eine Identität entschieden, würde ich mit Sicherheit der einen oder der anderen Forderung nicht genügen. Ich würde als Defizitär eingestuft werden und dies würde dazu führen, dass ich in keinem gesellschaftlichen Kontext wirklich ankommen könnte.
Ich beherrsche nicht nur mehrere Sprachen, sondern lebe diese Sprachen auch in ihren jeweiligen Aktualitäten und unterschiedlichen Ausprägungen. Ich kenne die Lebensrealitäten mit welchen sie konnotiert und verbunden sind. Das rührt daher, dass ich mich Zeit meines Lebens einer Außenseiterinnenrolle, oder einer Position als Gast verweigert habe. Damit verweigerte ich mich natürlich auch gleichzeitig einer mir aufobtruhierten Passivität. Ich will in allen Wahrnehmungswelten, in denen ich mich befinde am Leben teil nehmen. Das kann anstrengend sein, aber das ist nunmal ‚mein‘ Anspruch, ‚meine‘ Forderung.
Dies führt soweit, dass man – egal, wo man sich in der Welt befindet – selten eine passive Position als Gast, oder gar als Touristin einnehmen möchte. Wenn ich auf Reisen bin, bin ich ungerne Touristin. Nicht selten reise ich reise ich deswegen mit einem Auftrag. Tourismus ist – meiner Meinung nach – in seiner herkömmlichen Form als Dienstleistungsware nicht mehr Legitim“.
Er hatte Schwierigkeiten, etwas dazu zu erwidern. Er stammelte stattdessen so etwas wie: „Aber deine Heimat ist schon Syrien, oder?“. Zumindest stammt dein Name aus dem arabischen?
Sie nippte wieder an ihrem Drink und antwortete: „Ist egal, wo der Name herkommt. Glaub’s mir. Aber es ist ein schöner Name“.
Er meinte daraufhin: „Ich weiss, das darf man ja nicht mehr fragen, aber ich meine das nicht rassistisch, wirklich. Wo kommt dein Name her“.
Fatima hatte sich währenddessen schon lächelnd abgewandt und meinte: „Ich weiss es nicht“. Daraufhin nahm sie ihren Drink und wandte sich wieder ihren Freund*innen zu, mit denen sie gekommen war.
Er lächelte verunsichert zurück und blickte ihr noch einige Sekunden hinterher.