Deutsche Lieblingsbegriffe Spezial: Begriffsstutzigkeit

Die weissen Jungs haben’s wieder mal begriffen. Bisher hatten sie’s ja auch schon immer begriffen, denn, wenn’s darauf ankam erklärten sie uns in langen, gründlichen Ausführungen, warum sie das N-Wort durchaus benutzen dürfen und sollen. Jetzt hingegen erklären sie dir genau das Gegenteil mit der selben klugscheisserischen Ägide und suhlen sich in demütiger Einsicht. Dabei reden sie genau so viel wie vorher, monologisieren herum und vor allem: sie erzählen nur von sich selbst.

Im selben Atemzug problematisieren sie ihre Elterngeneration, wälzen die Schuld auf diese ab, erklären sich selbst zum Spezialisten und machen sich auf, um den vielgeschimpften konservativen „Alten Weissen Mann“ abzuholen? Das heisst: die weissen Jungs kümmern sich um die weissen Jungs. Alles gut, sollen sie tun. Das schlimme ist nur, wenn sie mich anrufen, um mich um Rat und meine Perspektive bitten. Dann wird’s haarig.

Wenn ich ihnen aber aus reinem Gutmenschentum meine Perspektive erkläre, dann unterbrechen sie mich mit dem unverschämten Argument: ich würde monologisieren und wäre zu emotional.

Dabei will ich dem guten Mann nur erklären, dass er kein Halleluja-Superduper-Sonderfall ist, sondern dass es zigtausende von seiner Sorte gibt und wenn nur ein Bruchteil von denen bei mir anrufen würde, um persönlich gechoacht zu werden, dann hätte ich richtig viel zu tun. vor allem aber versuche ich ihm nach zu legen, dass es sich lohnen würde, seine Fresse zu halten und zuzuhören, damit er endlich mal was begreift. Das kapiert er dann nicht und fühlt sich angegriffen.

Meine Reaktion ist auch nicht wirklich Hip, muss ich gestehen. Aber ich bin eben auch nicht Hip. Wenn du bei mir anrufst, dann musst du auf sowas schon gefasst sein. Ich habe eben meine eigenen antirassistischen Therapiemethoden.

Daraufhin sage ich: das ist total ok, dass du dich angegriffen fühlst…das musst du aushalten…Wissen und Begreifen sind rein funktional komplett unterschiedliche Pänomene. Ich steh eher auf begreiflich machen.

Er sagt: Ja, ja, ok. Aber er begreifts trotzdem nicht. Vielleicht braucht er ein noch grösseres Leid, um dazu fähig zu sein. Don’t know. Ist auch nicht mein Business. Ich hol lieber Leute ab, die ihr Leben lang unter dieser Ignoranz gelitten haben und dadurch keine Gelegenheit hatten, sich zu verwirklichen. Ob alt oder jung ist mir auch scheissegal.

Liebe Mehrheitsgesellschaft: ich bin nicht euer „Antirassismus- und Hauptbahnhof-Spezialist“. Ich lebe auch nicht im Hauptbahnhofviertel. Ich lebe vielmer seit Jahrzehnten in einem geheimen Bunker unter dem Hauptbahnhof, wo ich auch geboren wurde. Euch erzähle ich aber natülich was anderes: Ihr findet mich in den Hipstercafes vom Glockenbach, wo ich seit über 30 Jahren sozialisiert bin.

Wenn ihr was über die sogenannten „Anderen“ erfahren wollt, dann geht zu ihnen und fragt sie. Sie fressen euch schon nicht. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, die freuen sich über Besuch.

Wenn ihr aber sagt. Nein, ihr könntet euch ja plump und falsch verhalten und die Menschen verstören, dann kann ich euch für ein Tageshonorar coachen. Der Kurs liegt noch gut: ca. 750 Euro (zzgl. MwSt.). Umsonst war gestern.

Bussi.

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