Guckuk: Der Hass ist schon wieder da

Dieses Zitat schwirrt gerade duch die Medienwelt:

„Der Hass bricht nicht plötzlich aus, er wird gezüchtet. Alle, die ihn als spontan, oder individuell deuten, tragen unfreiwillig dazu bei, dass er weiter genährt werden kann“ (Carolin Emcke: „Gegen den Hass“).

Die Vorstellung des gezüchteten Hasses ist ein imposantes Bild – und natürlich mitnichten ein neues. In Europa herrscht meiner Meinung nach kein Sinneswandel und auch kein Rechtsruck vor. Es ist lediglich die Manifestation einer ewigwährenden elitären Grundhaltung, die seit dem Entstehen der Nationalismen eine Qualität angenommen hat, die es erlaubt, Mikroeitelkeiten innerhalb von Landesgrenzen passgereicht hochzuskalieren und auf eine Masse von Menschen mit möglichst einheitlichen Identitätsfaktoren zu übertragen.

So sehr wir auch die Vorzüge der französischen Revolution genossen haben, dürfen wir nicht vergessen, dass wir ihr auch die Qual des Nationalismus zu verdanken haben. Der Nationalismus ist die Hasszuchtanlage der Moderne und sie scheint auch noch in der Postmoderne ihre Funktion nicht zu verlieren. Man kann sich sicher sein, dass dieser Betrieb noch nie eingestellt wurde und auch nicht wird. Nein! Die Maschine läuft im Hintergrund immer weiter, sie läuft im Unterbewusstsein – auch in Friedenszeiten wie diesen -, während wir so banale Dinge tun wie Fußball schauen, ins Theater oder ins Kino gehen, einkaufen, in den Urlaub fahren und unserer täglichen Arbeit nachgehen.

Wir sind die Masse, um die ständig geworben wird. Unsere Entscheidungen sind bestimmend! Nur sind wir uns dessen selten bewußt. Wir machen es uns gerne einfach. Wir lassen uns Apps programmieren, die uns vermeintlich Kommunikationsaufwand abnehmen, aber uns immer tiefer in ein Businessgeflecht hineinziehen, in dem wir als willfährige Umsonstdienstleister mißbraucht werden. Während Großkonzerne ein Vielfaches an Staatsbudgets im Jahr Umsetzen, glauben wir an die autonome Souveränität unseres Staates. Aber uns ist nicht bewußt, dass in der heutigen Zeit kein Staat dieser Welt unabhängig agieren kann, es sei denn, er besitzt ein strategisches und militärisches Machtmonopol.

Dann stellt sich natürlich die Frage: Wer finanziert diese Macht? Reichen Steuereinnahmen aus, um eine militärische Macht zu etablieren, die den eigenen wirtschafltichen Einflussbereich kontrolliert? Wer zahlt diese Steuern, wenn es Google, Ikea, Microsoft und Apple nicht tun?

Man weiss es nicht genau, aber zwischen 3000 und 6000 Wohnungen in Berlin gehören einem einzigen britischen Konzern. Das klingt im ersten Moment vielleicht banal, aber wenn man bedenkt, wieviele Immobilien diese Firma wohl auf der gazen Welt besitzt, dann kann einem schon schummrig werden. Vor allem, wenn man bedenkt, wieviel Aufwand teilweise betrieben werden muss, um den Eigentümer seiner Wohnung ausfindig zu machen und dass man bei der Recherche dazu schonmal um die halbe Welt geführt wird, dann wird’s allmählich sogar gruselig:
https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/das-verdeckte-imperium/
https://wem-gehoert.berlin/

Die freie Marktwirtschaft hat es nie gegeben. Kapitalismus war immer schon auch der Kampf gegen die Freiheit, vor allem gegen die des Marktes. Es ging schon immer um Monopole. Wer mir da jetzt widerspricht, der versuche mal sein I-Phone zu nutzen ohne Apple-Id!

Dies sorgt bei Leuten wie mir für Wut, aber auch für Neugierde. Ich versuche, mir der Hintergründe und Umstände des Unrechtes gewahr zu werden, um ein bewußteres Leben führen zu können, um mich so zu organisieren, damit meine täglichen Entscheidungen nicht nur mir, sondern einer möglichst großen Menge an Menschen, die ebenfalls so wie ich benachteiligt werden, zugute kommen.

Aber sehr viele Menschen erliegen in Anbetracht solch schockierender Einsichten einer nackten Existenzangst und suchen nach einem tragfägigen seelischen Gerüst, dass ihr Selbstbild stützt, ihr Selbstbewußtsein vor dem einbrechen bewahrt. Das tragische an der Sache jedoch ist, dass viele von Ihnen gar nicht so sehr in ihrer Existenz bedroht sind. Denn Deutschland gilt immer „noch“ als eines der Länder, in denen die Bevölkerung in weitem Maße sehr wohl durch eine sozialstaatliche Gesetzgebung vor dem Allerschlimmsten bewahrt wird.

Also stellt sich bei mir die Frage: geht es nun wirklich nur um eine existentielle Angst, wenn größere Bevölkerungsgruppen sich wieder mehr dem rechtslastigen Nationaldenken zuwenden, oder um etwas anderes? Spielt neben der Angst des Existenzverlustes vielleicht die Angst vor dem Identitätsverlust sogar eine größere Rolle?

Wenn ja, dann stellt sich widerum die nächste Frage: Worauf basiert unsere Identität denn, wenn sie so schwach besaitet ist? Womit identifizieren wir Europäer uns denn? Wie sieht unser Selbstbild aus und in wie weit hat es eine ernstzunehmende reelle Substanz? Wenn wir so leicht in erbarmungslos banal funktionierende „Hassproduktionsmaschinen“ hineingezogen werden können, wieweit ist es dann her mit unserer freiheitlich-aufgeklärten Gesinnung? Ist die von einem Tag auf den anderen im Mittelmeer untergegangen mit all den Schlauchbooten?

Das bezweifle ich. Ich glaube, dass wir schon seit längerem unsere Werte auf einem breit angelegten Markt verkauft haben und irgendwie immer noch nicht wahrhaben wollen, dass wir übermorgen schon in unserer Identitätslosigkeit ersaufen können. Das Spiel um die Identität haben wir den Kleinkrämern der Heimatfraktion überlassen, denn die bedienen uns zuverlässig und sie verlangen uns nicht viel Aufwand und Reflektion ab.

Sie sorgen dafür, dass wir trotz allem unbekümmert Netflix gucken können, um auf andere Gedanken zu kommen und uns vor der unerträglichen Schwere der täglichen News zu flüchten.

Und irgendwie ist diese Form des Gewissenfreikaufens ja auch geil. Denn es ist nämlich ein Doppelgeschäft: Wir kaufen zwar unser Gewissen frei, aber gleichzeitig verkaufen wir es auch. Also ist es ja in gewisser Art ein Deal!

Im Grunde jedoch verschenken wir es eigentlich…an die direkten Nachkommen der Nazis. Denn die waren meiner Meinung nach nie Weg. Sie waren immer da und haben beharrlich auf ihre Möglichkeit gelauert.

Aber lauern können wir auch.

Lauerst du mit?

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