Mit dem Dolmuş nach Bostancı

Der Taxim Platz in Istanbul - so um die 40'er rum

Der Taxim Platz in Istanbul - so um die 40'er rum

Januar – Die Nacht in Istanbul ist feuchtkalt. Richtig eklig. Der zentraleuropäische Orientromantiker stellt sich das ja ganz anders vor, vom Klima her. Dem ist aber nicht so. Der Winter hier kann richtig unangenehm werden. Die typisch Istanbuler Nostalgiestimmung passt wunderbar zum Feuchtigkeistnebel und der Dunkelheit – das gibt dann diese ganz spezielle Mischung, die mich immer so fasziniert. Ich laufe auf der Istiklal Strasse im Stadtkern umher – hier gibt es immer absurde Szenen zu bewundern. So zum Beispiel diesen Typen mit Supermankostüm und grüngefärbten Haaren und Gesicht. Eine Mischung zwischen Hulk Hogen und Superman. Nur, dass auf seiner Brust der Schriftzug SUPER FAKIR prangt. Das Wort Fakir kann im türkischen aber sowohl den indischen Fakir bezeichnen, den man auch im deutschen so kennt, ebenso aber auuch das Adjektiv „arm“ bedeuten. Also entweder ist der Typ einer der vielen Werbeträger für irgendein – für mich unbekanntes – Produkt, oder er ist politischer Aktivist.
Grund zum Aktivismus gäbe es hier ja reichlich.
Wir gehen stattdessen erstmal gut essen und Rakitrinken. Und zwar in ein empfohlenes Fleischrestaurant namens Pala am Rande des Ausgehviertels Beyoglu. Treffe mich mit guten Freunden. Sie erzählen mir von den großen Bauvorhaben am Taximplatz und dass die Regierung dort eine weitere repräsentative Moschee bauen will und natürlich ein Einkaufszentrum. Der ganze Platz soll eine Fußgängerzone werden, was wohl eine der wenigen positiven Aspekte des ganzen Bauvorhabens ist. Momentan wird die Innenstadt von weiträumigen Absperrungen und Baustellenabgrenzungen dominiert und viele Menschen sind sichtlich genervt von dem ganzen.
Einer meiner Freunde erzählt mir eine Anekdote: Der Taksim Gezi Park, der im Zuge dieser Umbaumassnahmen total überbaut werden soll, war früher einmal ein armenischer Friedhof. Bis zum Ende des 19. Jhd’s war dieses Gebiet kaum attraktiv, weil es sich ausserhalb der damaligen Stadt befand. Die osmanische Stadtverwaltung hatte die armenische Gemeinde dazu überredet ihre Ansprüche an dem Grundstück zugunsten eines Kasernenbaus aufzugeben. Nun nach etlichen Jahren, nachdem das Kasernengebäude abgerissen wurde und das Areal jahrelang als öffentlicher Park diente, ist es dort stockdunkel, die Strassenbeleuchtungen sind von der elektrischen Versorgung abgeschnitten, in der Nacht laufen schnüffelnde Strassenjungen und obdachlose Kleinkriminelle herum und betteln die Passanten an, denn für diejenigen, die in der Gegend ums Șişli-Viertel im Norden leben, ist der Weg durch den Park der einzig mögliche, um in die Innenstadt zu gelangen. Deswegen sind wohl auch Sondereinheiten der Polizei mit Maschinengewehren dort stationiert, um die Sicherheit zu wahren.
Ein Freund von uns – Antonio Cosentino (armenisch-italienischstämmiger Künstler aus Istanbul) ist vernarrt in den Park. Er lädt seine Freunde seit Jahren in den wärmeren Monaten regelmässig ein, dort zu Picknicken und im Gras dem müßiggang zu frönen. Dabei ermuntert er sie alle mit der Aufforderung: „Kommt freunde, das hier ist unser Land – hier liegen meine Vorfahren seit Jahren herum. Macht es euch auch gemütlich, bitteschön“.
Na ja – irgendwann um 3 Uhr morgens wandern wir dann unseren Routineweg vom Peyote (meinem Lieblingsclub) zum Sammeltaxistand am Taximplatz, denn ich muss noch auf die anatolische Seite nacht Bostancı, wo meine Familie eine kleine Wohnung hat. Die Fahrt dauert im normalfall tagsüber midenstens eine Stunde, meistens aber immer länger, wegen Staus etc. Nun in der Nacht, dauert es keine 15 Minuten, diese gigantische Stadt einmal zu durchqueren – über den Bosporus in Lichtgeschwindigkeit – durch die feuchtkalte Istanbuler Nacht. Das Großstadtleuchten um uns herum, die geräumige Urbanität, die Allgegenwärtigkeit ihrer turbulenten Geschichte schließlich und endlich das Gefühl, wahrlich zu existieren, in einer wahrhaftigen, lebendigen Stadt überwältigt uns. Der Raki auch. Kurz bevor wir einschlafen, sind wir in Bostanci angekommen.

Das Produkt im postneoliberalen Funktionssystem und seine Wirkung auf den Eigenwert des menschlichen Wesensprinzips

Das Produkt ist ja ein Begriff, der mit dem Beginn der industriellen Wirtschaft geprägt wurde und bezeichnet die manuelle oder serielle Herstellung eines Gegenstandes, der im Idealfalle einem Verbraucher bei der Bewältigung eines privaten oder beruflichen Vorganges dienlich ist. Das Produkt wird also vom Käufer im Austausch gegen einen monetären Betrag X bezogen und benutzt, nicht wahr? So einfach ist das.
Nun kam aber schon sehr früh das Produktdesign ins Spiel, das aus alltäglichen Gebrauchsgegenständen eigenständige Organismen macht und deren Gebräuchlichkeit immer mehr zu Gunsten einer überproportionierten Suggestion von Sinn und Wert in den Hintergrund rückt. Stattdessen entfaltet das Produkt mithilfe von Design und Marketing sein eigenes Universum, in das wir eintauchen können. Im Grunde haben wir aber die Option dazu schon lange nicht mehr, denn jede Generation wird mittlerweile in eine eigene Ära von Produktwelten geboren. Wobei man natürlich auf der einen Seite auch die Leistung des Produktdesigns dankbar anerkennen muss, denn sie hat Kulte erschaffen und viel Leben in den tristen Kapitalismus gebracht.
„Produkt“ ist ein sehr entscheidender Begriff im Leben eines postmodern verwurzelten Lebewesens. Ich sage ganz bewusst nicht „Mensch“, sondern „Lebewesen“, denn die Auswirkungen dieses Phänomens machen sich nicht nur im menschlichen Leben bemerkbar.
Der Mensch macht nämlich u. a. andere Lebewesen zu Produkten – im Wesentlichen schreckt er auch nicht davor zurück, sich selbst zum Produkt zu machen, während er genau das Gegenteil behauptet. Das göttliche in seinem Wesen wird somit einem marktorientierten Gedanken geopfert und gewinnt an normativen Wertzumessungen, je mehr es sich den Vorgaben des Marktes fügt.
Vermeintlich gibt es ja ein Funktionsprinzip „Markt“, der auch nach vermeintlich naturgesetzähnlichen Grundlagen funktioniert. Solange man ihn frei walten lässt – so die allgemeine Auffassung in der politischen und wirtschaftlichen Fachwelt – kann man sich auf die selbstregulierenden Prinzipien des Marktes verlassen, denn er ist ja ein weltweit freier. Also im Grunde könnte ja theoretisch und prinzipiell jeder Weltenbürger seine Produkte ohne Einschränkungen überall anbieten und auch einkaufen, wo er mag. Dies ist im Wesentlichen das neoliberale Prinzip, das man spätestens dann verinnerlicht hat, wenn man im Einkaufswagen der Mamma sitzend an der Kasse im Supermarkt nach dem Überraschungsei schreit. Dieses Prinzip bestimmt – mehr als je zuvor –die Entwicklung des menschlich dominierten Universums.
Soweit so gut. Die Realität sieht aber anders aus. Im Grunde ist das neoliberale Prinzip nämlich völlig für‘n Arsch (mal salopp ausgedrückt). Es lebt nämlich faktisch davon, dass eine Masse an Menschen versucht, zu der Minderheit zu gehören, die die anderen so dermaßen verhanepipelt, dass alles zu spät ist. Und darin liegt eben der entscheidende Knackpunkt: Eine Masse bedeutungsloser Versager versucht – rund um die Uhr überall auf der Welt -sich in die Minderheit der gewieften Superchecker zu hieven (was rein mathematisch zur Zufriedenheit aller Teilnehmenden schwierig durchzuführen sein sollte). Sehr viele nehmen dafür jedoch viel in Kauf: Essen schlechtes Essen, nehmen ungesunde Arzneimittel und sonstige Substanzen, lassen sich schlagen, missbrauchen, demütigen, bevormunden, psychisch und körperlich versklaven, benutzen und und und…
Wir alle kennen das – das muss man ja hier nicht detailliert ausführen, nicht wahr? Darum geht es mir auch gar nicht. Mir geht es um etwas ganz anderes. Ich behaupte, dass die Menschen die selbstlose Akzeptanz von all diesem Leid nur auf sich nehmen, weil sie im Eifer, ein dominanter Teil dieses Verarschungssystems zu werden, so menschliche Werte wie Verstand und Würde völlig über Bord werfen. Als Brandbeschleuniger naht auch schon die nächste Illusion – nämlich die, dass sich eben dieses Sklavenleben im Kreise der wenigen Gewinner besser ertragen lässt. Dies ist meiner Meinung nach ein fataler Irrtum! Ich bin mir z.B. sicher, dass Alfons Schuhbeck eine depressive Heulsuse ist (zumindest schmeckt das Essen in seinem Theatro danach).
Wie kann man es sonst erklären, dass Menschen vor I-Stores in China Ausschreitungen begehen, nur weil der Verkaufsstart des neuesten I-Phones verschoben wurde? Oder Kunden in den USA sich um den ersten käuflich erwerblichen neuen Nike Air Jordan prügeln? Instinktiv will man doch dem Produkt und damit den Gewinnern im System so nahe kommen wie möglich. Genauso wie Fans ihrem Popidol immer so nahe wie möglich sein wollen. Das erklärt auch den Grund, warum all diese (vor allem weibliche) Fans von Popstars so herzzerreißend weinen: sie sind ihnen zum Anfassen nahe und wissen gleichzeitig ganz genau, dass sie in der nächsten Sekunde wieder in der Vergessenheit versinken werden. Eigentlich weinen da Millionen Egos um den verlorenen Triumph. Jedoch werden sie in diesen Momenten auch ein Stück weit Erwachsen, aber gleichzeitig verdient ihr geliebter Star und seine Agentur in diesem Moment auch das meiste Geld mit der Verzweiflung. Der Popstar ist genauso ein Produkt wie jedes andere auch. Das Produkt ist somit kein gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand, oder ein Vehikel zum Erfolg, sondern viel mehr: Es ist das Symbol des entmenschlichten Triumphes, nämlich des Triumphes eines ganzen Funktionssystems, in dem der Mensch nur noch als benutzbares Objekt Sinn macht. Der menschliche Sinn, oder die Sinne stehen dabei in zweiter Reihe bereit – als Marketingfaktoren, zu Diensten des eben genannten Prinzips (benennen wir es einfach mal als „postneoliberales System“), dass nicht mehr für die Menschen und schon gar nicht für die Menschlichkeit arbeitet, sondern – wenn die Menschen erst mal ihre Existenz an Androiden abgegeben haben – ohne sie genauso gut, wenn nicht sogar viel besser funktioniert.
Darauf läuft es doch hinaus. Im Endeffekt dient also das Produkt nicht dem Menschen, sondern der Mensch dem Produkt. Aus basta! Is ja auch nicht so wild – man muss es ja nur klar formulieren, weisste?

Erschienen in der 14. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (Januar 2013)
www.gaudiblatt.de

Das Produkt als Lebenstraum

Wenn er nicht vor einem Jahr verstorben wäre, dann wäre Steve Jobs jetzt irgendwann mit einer riesigen spezialangefertigten Edelyacht namens „Venus“ auf eine Weltreise um die Welt gestartet. Es handele sich dabei um eine I-Yacht, die von I-Macs gesteuert würde und zudem wäre es designed vom Stardesigner Philippe Starck, so munkelt man. Ein irres Ding. Sieht aber nicht sehr venusmässig aus – ich weiss nicht, ob ich mit meiner Frau, tausenden I-Macs und ewig viel Personal monatelang alleine sein wollen würde da drauf. Aber wenn so ein CEO sich mal mit seiner Firma identifiziert, dann kann sowas schonmal passieren – auf jeden Fall hart designed vom Philippe.
Na ja – Firmen und ihre Produkte sind eh die Rockstars der heutigen zeit. Ich mein, wie oft hört man bitte von Massenschlägerein vor einem Applestore in China, oder beim Verkaufsstart vom neuen Air Jordan? Irre nicht? Prügeln sich Leute um einen Turnschuh! – vor allem nicht, weil es ihn so selten gibt. Ganz im Gegenteil. Er wird ja millionenfach in Serie hergestellt. Man prügelt sich lediglich um die ersten, die zum Verkauf stehen.
So schaut’s aus: die Firmen prügeln sich um die Kunden – die Kunden um die Produkte. Marketing ist brutal heutzutage. Der Markt ist hart umkämpft! Und warum macht man den ganzen Käse? Damit es einem gut geht und man sich ab und zu was Gutes gönnnen kann – einmal mit einer coolen Privatyacht um die Welt fahren zum Beispiel!

Danke Markus!

Markus Lanz, Tom Hanks, Wetten dass...?

Tom Hanks macht sich lustig über Wetten dass...? mit Markus Lanz - Ja, was wundert ihr euch denn? Irgendeiner muss es ja mal machen!

Deutschland ist ein interessantes Land!
So allmählich begreife ich es endlich. Ich begreife Deutschland!
In Schüben ereignen sich in mir grosse innere Schritte im Verständis für das Wesen der hiesigen Kultur. Das hat aber mit Integration oder so nix zu tun Leute, wirklich! Relaxt euch mal! Der Begriff ist für mich eh völlig überholt und war auch nie der richtige gewesen nicht. Es geht vielmehr um ein tiefes Verständnis innerer Seelenwelten.
Nehmen wir zum Beispiel Markus Lanz. Er hat mit seinem über 3-stündigen „Wetten Dass…?!“-Marathon ein ganz klares Bild deutscher Lebens- und Empfindungswelt zum Vorschein gebracht. Ein enormer Typ – wirklich! Unbeirrbar konzeptgebunden bis in die letzte Pore seiner Persönlichkeit – ein vom Menschen mutiertes Medienkonzept, aber auch konzeptgewordene kollektive Volksseele. Interessant ist jedoch, was sich während so einer Fernsehsendung – in der sich vorgefertigte feste Muster und Rahmen aneinanderreihen und verselbständigen, ja sogar humoristische Einlagen minutiös durchstrukturiert erscheinen – trotzdem so alles offenbart.
Wißt ihr was die Schlüsselszene für mich war? Natürlich die Katzenmütze auf Tom Hanks‘ Kopf! Sie steht für alles: Sie steht für die Verluste im Russlandfeldzug und Hanns Martin Schleyer, sie steht für die Uneinbarkeit des Landes, für die Fehler von Helmut Kohl und die unerträgliche Leichtigkeit Helmut Schmidt’s.
Die Unbeirrbarkeit mit der Markus Lanz dann noch im Sack um Hanks herumhüpft erinnert mich stark an die stur-verlogene Zusammenarbeit des BND mit kriminellen nationalsozialistischen Zellen. Denn sie besagt doch nur eines: Man ist ja nicht blöd! – Auch Markus weiss in dem Moment, dass das einfach nicht geht, was er macht, aber die Absurdität der Situation gibt ihm die Kraft, die Autosuggestion einer legitimen Pflichterfüllung weit über das normalsterblich-menschliche hinaus zu steigern. Und wenn es peinlich wird, dann eh nur für die Öffentlichkeit, aber nicht für ihn, denn er hat mehr als alles gegeben. Er mußte es tun. Das ist sein Lebensmotor! So wie beim Führer damals halt auch.

Ja – das alles wurde mir klar, als ich in meiner Neugierde über all den Medienrummel mal im Internet „Wetten Dass..?!“ nachgeguckt habe. Ich muss sagen: Es war eine Offenbarung!

Danke Markus!

Erschienen in der 14. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (Januar 2013)
www.gaudiblatt.de

New York, London, Paris, Munich…

Pop Pop Pop Müsik

Pop Music von Robin Scott alias „M“ – Das Video könnte glatt als Werbung für die Münchner Stadtwerke durchgehen.

Als ich klein war gab es einen Charthit, der hieß: „Pop Music“. Ich wußte nie von welchem Interpreten. War mir auch Wurst. Ich mochte den Song. Jetzt, während ich den Artikel hier schreibe, bin ich meiner Neugierde erlegen und hab‘ nachgesehen: Die Band hieß „M“ und kam aus England: „Pop pop pop music, everybody’s talkin‘ bout pop music“. Vor allem die Tatsache, dass der Name meiner Heimatstadt München prominent in einer Textzeile auftauchte hatte mich begeistert: „New York, London, Paris, Munich – everybody’s talkin’bout Pop Music – Talk about: Pop Music – Talk about: Pop Music – dum dadadaaadaaaaa dumm dadadaaaadaaaaa….“
Die 70’er habe ich leider nicht so ganz bewusst erlebt, dafür war ich zu klein. Aber es muss großartig gewesen sein. Freddy Mercury im Glockenbachviertel, Giorgio Moroder im Musicland Studio, Mick Jagger und Keith Richards besuchen Uschi Obermeier in Schwabing, Livemusikjazzwahnsinn in der Occamstrasse und solch‘ne Sachen.. Gott wie gerne hätte ich diese Luft mitgeschnuppert.
Dabei war ich einer derer, die dieses Paradies mit ihrem Massengeschmack bald austrocknen sollten: Ich war fanatischer Hip Hop Fan der ersten Stunde und hätte zusammen mit meinen pupertären Genossen fast einen Laden in der Occamstrasse auseinandergenommen, als „Grandmaster Flash and the Furious 5“ kurzfristig ein Konzert absagten und die unsäglichen „Münchner Freiheit“ als Ersatzact auftreten sollten mit eckigen E-Gitarren, blonden Glamrockmatten auf‘m Kopf und bunten Aerobic-Hosen am Arsch! Ging halt gar nicht.
Dennoch kann sogar ich als Old School Breakdancer von einer Textpassage in dem Hit „Planet Rock“ von Africa Bambaataa & The Soulsonic Force berichten. Da wurde wieder einmal neben den bekanntesten Weltmetropolen auch München aufgezählt, und zwar in der legendären Passage: „Munich rocks the Planet Rock“. Da machte das Electric-Boogie-Zappeln spaß! Aber dann kamen die 90’er und haben uns schnell zu verstehen gegeben, dass es nun wirklich zu Ende war mit der Musikmetropole München (ohne Dj Hell jetzt zu nahe treten zu wollen…).
Es gibt jedoch noch Relikte von Authentizismus aus der guten alten Zeit, die in den trockenen Jahrzehnten die Freakflagge unbeirrt hochgehalten haben, aber man muss schon genauer hinsehen, um sie wahrzunehmen. Kennt ihr z.B. diesen dürren, älteren, bebrillten Mann mit den strähnigen, leicht verfetteten und schon graumelierten Haaren – in der einen Hand die obligatorische Jutetüte, aus der er unaufhaltsam seit Jahren seine selbstgebastelten A4-Plakate zieht und an die Wände klebt? Oft hat er nicht genug Tesafilm dabei und hängt seine Konzertwerbemittel einfach an einem Eck unterhalb eines anderen Plakates dazu, den Rest des “fremden“ Tesastreifens verwendend. Die Plakate, die er entwirft sind im multiplen Fotokopierverfahren entworfen, mit Zeitungsausschnitten, Fotos von MusikerInnen und dem unverwechselbaren Schriftzug eines Bandnamens versehen: „Embryo“.
Der unscheinbare Mann heißt Christian Burchard und steht seit Jahrzehnten hinter dem Vibraphon und wackelt hippiemässig mit dem Kopf, während er die komplexesten Melodien spielt, die er aus dem afghanischen, pakistanischen, indischen, oder türkischen Musikraum rezitiert und mit seinem eigenen Krautjazzformat mischt. Die Band funktioniert im Grunde wie ein natürliches Biotop. Myriaden von talentierten MusikerInnen kommen und gehen. Die Besetzung verändert sich ständig und ist immer wieder gespickt mit Gästen aus aller Herren Länder, darunter Jazzgrößen wie Mal Waldron und Charlie Mariano, oder junge Pophelden wie Nick Mc Carthy von Franz Ferdinand u.v.m.
Seit 1969 existiert die Band und ist seit je her mit demselben Eifer unterwegs, in Europa, Asien und Afrika, gibt seit Jahren ihr Wissen an musikinteressierte Menschen weiter und hat vor kurzem erst eine Antologie zum 40’sten Bandbestehen auf Trikont herausgebracht, die übrigens erstklassig geworden ist, wie so ziemlich alles, was ich bisher an Produktionen von Embryo bezogen habe (http://www.embryo.de).
Aber wozu erzähle ich das alles denn? Im Grunde, weiß ich doch, was jetzt die Mehrheit von euch denkt: „Embryo? Willst du uns jetzt was über die alten Hippies erzählen?“. Mit Verlaub ja – weil ich diese Phase der deutschen Musikgeschichte besonders interessant finde. Vor allem, wenn man sich mal ansieht, welche Rolle München in ihr spielte. Bands wie Ammon Düül und Embryo sorgten regelmäßig für Bewegung. München galt neben Köln und Berlin als eine Hochburg des sogenannten Krautrock.
So vergingen und vergehen die Jahre und Millionen von Stunden in den Übungsräumen und Studios dieser Stadt. Viele von uns, kennen solche Typen, die seit Jahren tagein tagaus sich nur mit Musik beschäftigen, sich freuen über jeden kleinen Gig, an dem sie ihr Können präsentieren können und zufrieden sind mit ein paar Groschen für ihr Lebenswerk. Diese Menschen will ich an dieser Stelle mal würdigen, denn sie sind die Antriebsmotoren für das, was meiner Meinung nach zu den wichtigsten Gütern einer modernen Kulturmetropole zählt (abgesehen davon, ob man München als eine solche sehen will, oder nicht), nämlich die Livemusikkultur.
Um eine solche angemessen gedeihen zu lassen, bedarf es meiner Meinung nach nicht nur der Bühnen und Übungsräume, sondern auch einer lebendigen Szene. Eine solche braucht Orte, an denen sie sich zuhause fühlt. Eine Umgebung, in der die Akteure nicht nur als Mieter, Darbieter und Dienstleister ihr Dasein fristen, sondern als ein wesentlicher Bestandteil einer ureigenen Stadtkultur, als Teil eines lebendigen Organismus glänzen können – eines Organismus, der ständig wächst, wuchert, neue Triebe entwickelt. Orte, an denen man einfach mal sein kann, wer und was man ist.
Ohne das gibt’s eben keinen Planet Rock!

Erschienen in der 13. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (September 2012)
www.gaudiblatt.de

Nervenkitzel, Mystik, Horror und Emotion pur: staatliche Statistiken

Thilo Sarrazin sucht Liebhaber mit Migrationshintergrund

Thilo Sarrazin sucht nach einem vitalen Lover auf dem Kreuzberger Gemüsemarkt. Wenn der wüßte...!!!


Ja Kruzitürken nochamal!
Hab ich mir’s doch gedacht, dass da was faul ist an den ganzen Statistiken. Jetzt hat man sich jahrzehntelang vor der Übervölkerung durch vitale Einwandererströme und der Beseitigung der deutschen durch die wesentlich widerstandfähigeren Gene der MigrantInnen gefürchtet und nun besagt eine neue Untersuchung, durchgeführt von einem gewissen Rembrandt Scholz (seines Zeichens Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock), dass die ganze Angst nur auf einer Verkettung von Erhebungsfehlern beruhte: http://www.mpg.de/4622829/F003_Fokus_032-038.pdf
Staatlichen Statistiken ist demnach nicht sehr zu trauen. Vor allem, wenn es um bestimmte Thematiken rund um die Migrationsdebatte geht. Ich wusste ja nicht, dass der Staat sich zum Beispiel so sehr für die durchschnittliche Lebenserwartung der MigrantInnen interessiert. Im Falle des „Mythos vom gesunden Migranten“ war die Angst vor der „Durchrassung“ wohl stärker, als das Interesse an wissenschaftlichen Fakten, was der gute Herr Rembrandt schön aufschlüsselt: „Fehler in Daten der amtlichen Statistik summieren sich immer weiter auf. Einmal, wenn Statistische Landesämter die anonymen Daten ihrer Städte und Kreise summieren, und dann noch einmal, wenn das Statistische Bundesamt die Kolonnen der Länder zusammenfasst“.
Mir war dieser Mythos ja völlig unbekannt. Vielleicht kursierte er nur in Wissenschaftskreisen und wurde nicht laut publik gemacht, um eine Massenpanik zu vermeiden? Also wenn die staatlichen Statistiken in einem so simplen Fall schon unwiderbringlich falsch erhoben wurden, dann mag ich nicht wissen, welche wurstigen Statistiken dem Sarrazin als Grundlage für seinen Tankstellenbestseller gedient haben mögen.
Ich hätte allen Interessierten jedenfalls gleich sagen können, dass das nur ein Mythos sein kann mit dem gesunden Migrantenleben. Ja hättens mich halt a mal gefragt, anstatt mich nur zu verstatistiken!

Mei o mei!

Roibosh Latte

Ich hätte da einen Themenvorschlag zum Tag der deutschen Einheit: Ich finde, die Deutschen trinken viel zu viel Kaffee. Wie komme ich darauf? Dazu gibt’s natürlich wie immer ’ne coole Story:

In der Grundschule lernten wir ein Lied, dass wir immer Im Canon singen mussten:

C-A-F-F-E-E,
trink‘ nicht soviel Kaffee.
Nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven, macht dich blass und krank.
Sei doch kein Muselman,
der das nicht lassen kann

Das war der erste Canon, bei dem ich mitsang. Ein umwerfendes Erlebnis. Ich habe nicht Muselmaaaan verstanden sondern „Muselmann“. Ich habe mir darunter damals auf Anhieb nichts vorstellen können. Im türkischen sagt man dazu „Müslüman“ – mit ordentlich viel Ü – und betont das auch völlig anders (nämlich auf der letzten Silbe). Jedenfalls war ich damals nicht in der Lage (im zarten Alter von 7 Jahren!), auch nur einen Hauch rein phonetischen Zusammenhangs zu erkennen. Muselmänner – Das waren halt irgendwelche ungezogenen Menschen und ich wollte keiner von denen sein. Bis ich überhaupt mal realisierte, das damit eigentlich zumindest mein Papa gemeint war (ich empfand mich in dem Alter Gott sei dank ja weder bewußt als Mann, noch als Moslem), vergingen noch ein Paar Jahre. Das mit dem Türkentrank habe ich auch nicht so richtig realisiert. Im Endeffekt habe ich mich mit der Mehrheit so sehr identifiziert, dass die Absurdität der Situation weder mir, noch all den Erwachsenen, Lehrerinnen und Lehrern aufgefallen ist. Aber schliesslich wusste ich damals ja nicht einmal, was Kaffee war, denn den trank man bei uns zuhause nicht. Bei uns gabs immer nur Tee.

Angela Merkel kocht Kaffee in der Wüste

Angela Merkel kocht Kaffee in der yemenitischen Wüste

Zum Kaffeetrinken kam ich dann erst später durch meine deutschen Szenefreunde. Und jetzt nach Jahren des intensiven katholisch-italienisch-bayerischen Kaffeegenusses, habe ich beschlossen diesen auf ein Minimum zu reduzieren. Ich trenne mich sozusagen von jedweiliger Form des kulturell bedingten regelmässigen Kaffeekonsums und trinke ihn nur noch ab und zu mal, wenn’s halt grad passt.

Morgens zum Beispiel trinke ich jetzt nur noch Roibosh-Latte:
Man schäumt Milch auf, giesst ihn – wie bei einem normalen Latte Macchiato – in ein Glas und giesst nunmehr möglichst starken Roiboshtee hinein.

Das schmeckt lecker und nimmt die Nerven und den Blutdruck nicht so in Anspruch! Sehr wohltuend. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich glaube, das braucht Deutschland jetzt…

GEMAfia, oder: „Du singst und wir backen die Brötchen“

Ich nutze heute die Gelegenheit und treffe aus gegebenem Anlass eine Entscheidung: „Ich trete aus der Gema aus“.
Ich weiß, die Gema ist eigentlich eine sinnvolle Einrichtung und könnte mir viele Vorteile bringen, wenn ich fleißig Musik und Texte produzieren würde, viel auftreten würde und ein gutes Management hätte. Viel besser wäre es aber, wenn ich Mobiltelefonklingeltöne oder Telefonwarteschleifenmusik produzieren würde und nachweisen könnte, dass diese Musik (?) am Tag 35590000987 mal gehört wird. Dann könnte ich richtig Asche machen. Oder ich wäre Schlagerkomponist wie Peter Maffay und würde Integrationsbambis an schlechte Möchtegern-Gangsterrapper vergeben. Also wenn mich weniger mein eigenes Musikbedürfnis antreiben würde, als der schlechte Geschmack einer wohlprogrammierten mediengeilen Masse an Dumpfbacken, …wenn ich also reiner Geschäftsmann wäre, dann wäre das ne tolle Sache für mich.
Da ich aber die Musik nur sekundär als Geschäftsbereich empfinde, stattdessen aber als einen sinnlichen Teil dieser wundervollen Schöpfung, die mich in Gestalt eines mehr oder weniger talentierten Menschen auf diesen Planeten verschlagen hat, bringt mir die Gema nicht viel. Auch die Hochglanzbroschüren, die sie mir regelmäßig schicken, sprechen mich nicht an, denn die sind für Geschäftsleute gemacht.
Sie gibt mir auch als Veranstalter von qualitativ hochwertigen Undergroundkonzerten kein gutes Gefühl. Die Musikfolgebögen der Gema strahlen schlechte Energie aus. Bei ihrem Anblick kriegen KünstlerInnen schlechte Laune. Dementsprechend unlesbar sehen sie dann auch ausgefüllt aus. Außerdem muss ich ständig den Leuten hinterherrennen und ihnen die Dinger unter die Nase halten, sonst steigt mir die Gema auf die Füsse. Das ist doch nicht mein Job? Das ist ja, wie wenn ich miese Promotion für eine Weltmarke machen würde, für die es eh keine Alternative gibt? Ist doch langweilig! Das schlimme ist, dass ich dafür sogar zahlen muss. Ab 2013 wollen sie uns eine versteckte exorbitante Tariferhöhung unterjubeln. Ich habe eh faktisch kein Mitspracherecht und muss mich auf das Verhandlungsgeschick des Geschäftsführers des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes verlassen. Was ist daran für mich sinnvoll bitte?
Wo ist hier der freie Markt, in einem der größten Wirtschaftssegmente? Ohne Konkurrenz funktioniert das doch nicht! Deswegen machen sogar Turnschuhhersteller bessere Kundenarbeit als Die Gema.
Meine Empfehlungen an die Gema: Seid mal kreativ! Unterstützt die Musikszene richtig! Lobt mal große Stipendien aus für anspruchsvolle Undergroundacts (meinetwegen im Genre Integrationsrap), richtet Übungsräume ein im großen Stil und verlost sie, verleiht Bandbusse umsonst, unterstützt Vinylproduktionen, fördert mal die Musik- und Clublandschaft, anstatt sie auszunehmen. Macht halt mal irgendwas sinnvolles für das Geld, das wir euch geben – Wenn ein nicht wesentlicher Teil der Lizenzeinnahmen schon in irgendwelchen Großtöpfen versickert, die nur von „ordentlichen Mitgliedern“ angezapft werden können, dann gebt uns wenigstens Inhalte zurück! Bewegt euch mal raus aus eurem Paragraphenmief ihr Monopolistensäcke! Denn ihr wisst ja, wie’s läuft: „Wer seinen wertesten nicht selbst bewegt, dem wird er bewegt“. Davon ist sicher auch Peter Maffay zu überzeugen.

Erschienen in der 13. Ausgabe des „Gaudiblatt“ (September 2012)
www.gaudiblatt.de

Moslems befeuern die internationale Karriere eines amerikanischen Nachwuchs-Internet-Regisseurs

Und schon wieder brennt eine amerikanische Fahne

Schön heiss! Aaah schön mmmhh...

Die Welt hat einen neuen Starregisseur: Nakoula Basseley. Der hat ein höchst dramatisches Low-budget Internetmovie mit Dokucharakter gedreht und das Ding geht gerade ab im Internet: http://www.youtube.com/watch?v=JsIqjg3VkrE.
Die absolute Sensation. Vor allem verbindet er die unterschiedlichste Medienklientel in Ost und West. Die ganze Welt ist völlig aus dem Häusschen. Es kam sogar schon zu Verletzungen und leider auch zu einigen Toten.
Im Grunde ist es ja klar, dass so ein schneller Erfolg auch seine negativen Seiten hat, nicht wahr? Diese ganzen Neider zum Beispiel, die die höchstbeachtliche Leistung des erfolgreichen Jungregisseurs schmälern wollen, indem sie ihm die irrsinnigsten Vorwürfe zur Last legen. Komischerweise häufen sich die negativen Reaktionen in den moslemischen Ländern, obwohl das Thema des Filmes ja den Islam auf Basis einer höchstanspruchsvoll recherchierten Historizität wiederspiegelt. Aber da verstehe einer die Welt! Den Moslems kann man es ja gerade auch überhaupt nicht recht machen. Einfach schwierig, die ganze Situation, nicht wahr?
Ich wünsche Nakoula Basseley auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg. Nach diesem bombastischen Start, dürfte er es wohl jetzt auch in Hollywood nicht mehr schwer haben. Nakoula, wir warten jetzt auf einen aufwendig produzierten Aktionthriller mit Starbesetzung. Mein Tip: Lass ihn dir von der amerikanischen Army finanzieren: die haben ein besonderes Filmförderungsbudget für Waffen- und Munitionslastige Produktionen. Den Umgang mit Waffen musst du dir ja jetzt eh aneignen, bei so vielen neuen Feinden.

Wo soll ich nur zum Essen hin?

Bahnhofsviertel München
Es gibt nur Döner, Grillspieß und Falafel
Und dann gibt’s noch türkische Pizza, Pide, Zaziki und gefüllte Weinblätter
Hmm Lecker…
Das ist immer die erste Reaktion
Aber wenn’s nichts anderes gibt, dann ist das auf Dauer alles andere als lecker
Vor allem ist das Essen nicht gut
Es ist immer mittelmässig

Warum gibt’s eigentlich im Bahnhofsviertel nicht einen richtig guten Türken?
Es gibt ein Paar gute Italiener
Und einen guten Brotzeitladen, der bis 2 Uhr Nachmittags auf hat
Ansonsten gibt’s nix
Kein gutes Sushi
Nicht mal ein richtig gutes Schnitzel oder so
Da musste schon wieder richtung Fussgängerzone laufen, oder ins Augustiner an der Arnulfstrasse, oder ins Westend hoch

Warum gibt’s hier nix, verdammt?

Wird mal Zeit für nen anspruchsvollen Erlebnis-Fastfood-Laden
Immer dieser qualitativ durchschnittliche Mainstream!

Deswegen bin ich schon immer gegen Mainstream gewesen
Mainstream langweilt, weil er auf Standards hinauszielt, die möglichst unaufwändig sein müssen und möglichst viel Einnahmen bringen sollen. Das sind die Priotitäten des Mainstream. Das Mainstreamgeschäftsprinzip sieht nur meine Urtriebe und koppelt sie mit meiner Geldbörse und ab geht das Business.

Aber die Zeiten werden bald vorbei sein – ich sag’s euch! Und wenn ich meinen eigenen Alternativ-Imbiss aufmache und denen allen die Kundschaft abgrase. Denn ich glaube, dass es nicht unbedingt viel schwieriger ist, richtig gutes schnelles Essen zu verkaufen und trotzdem Geld zu verdienen.

Es fehlt nur an Einfallsreichtum, Herz und Willen!

So, und wo ess ich jetzt was?
Immer dieselbe Frage!
Manchmal spiele ich sogar mit dem Geanken, mir einen Burger zu holen

Aber soweit bin ich Gottseidank noch nicht