Über Triptonious Coltrane

Triptonious Coltrane prefers sweet breakfast

Schmachtfetzen #12: Tanju Okan – Öyle sarhoş olsam ki

Jetzt mal ganz sachlich betrachtet: „Dieses Lied animiert zum Trinken“. Dafür wurde es auch geschrieben, und zwar von einem Komponisten namens Bülent Şençalar. Der Text stammt aus der Feder von Güzin Gürman.

Das Bezeichnende an diesem Lied ist, dass es vom Wunsch erzählt, so betrunken zu sein, dass man allen Liebesschmerz vergisst, was sich natürlich im Endeffekt immer als Trugschluss herausstellt. Denn der Suff verstärkt – wie allseits bekannt – lediglich den Schmerz umso mehr. Das Resultat: ein wunderschönes Lied, dass auf seinen Interpreten Tanju Okan wie massgeschneidert wirkt.

Auch er gehört zu den grossen Chansonstimmen, deren Lieder auch immer ein Stückweit die Realität ihres eigenes Lebens widerspiegeln. Er war ein grosser Interpret nostalgischer, herzzereissender Lieder, die die Musik der 60er  und 70er Jahre in er Türkei massgeblich prägten. In diesen beiden Jahrzehnten spielte sich auch im weitesten Sinne die Karriere Okan’s ab. In den 80ern brach jedoch mit dem aufkommenden Arabeskstil, der den tragischen Herzschmerz in eine neue Dimension trieb und den Mainstream Pop den Hörgewohnheiten der landflüchtenden neuen urbanen Bevölkerung aus dem Osten Anatoliens anpasste eine neue Ära an. Es war die Zeit der Depression und Umstrukturierung nach dem Militärputsch im September 1980.

Die Musik Tanju Okans verblich in der Nostalgie der guten alten Zeit, in der sich noch die Strandcafés entlang der Küstenstriche Istanbuls wie Perlen an einer Kette entlangzogen und in sternenklaren Sommernächten des Marmarameeres die Karrieren von grossen Stars wie Cem Karaca, Baris Manco, Kamuran Akkor, Nese Karaböcek und all den anderen beflügelten.

Die gute alte Zeit, in der auch dieses Lied entstand, war nun unwiederbringlich abgelaufen. Wahrscheinlich verfiel Tanju Okan auch deswegen mehr und mehr der Depression und das Schicksal erfüllte auf unheilvolle Weise die Prophezeihung seines 1975 entstandenen Hits: er starb an einer Leberzyrose.

Er gehört jedoch immer noch zu den meistgeliebten Stimmen des Landes und jedesmal, wenn die ersten Takte von „Öyle Sarhos olsam ki“ ansetzt, geht ein Raunen und Seufzen durch jede Meyhane und alle Stimmen an: „Ach wäre ich doch nur sooo betrunken…“

Öyle sarhoş olsam ki
Bir an seni unutsam
Unutsam bugünleri
Yarınları unutsam


Öyle sarhoş olsam ki
Bir daha ayılmasam
Herşey bir rüya olsa
Unutarak uyansam



Seni gördüğüm günü
Sevdiğimi unutsam
Bir başka dünya bulsam
İçinde sen olmasan

Wär ich doch nur so betrunken,
so dass ich dich plötzlich vergässe,
diese Tage einfach vergässe
und auch die zukünftigen.


Wär ich doch nur so betrunken
und würde nicht mehr zu mir kommen.
Wär doch alles nur ein Traum,
aus dem ich vergessend erwachte.


Ach würde ich nur den Tag vergessen,
an dem ich dich sah.
Würde ich nur eine andere Welt finden,
in der du nicht existierst.

Bill Gates hat’s schon lange gewusst!

Ich kenne keinen Markt, der sich jemals selbst reguliert hätte. Das neoliberale Kapital investiert in Forschung und die Ausbldung von qualifiziertem Fachpersonal auf allen systemrelevanten Ebenen. Deren Job ist es unter anderem, alle Risiken durchzuspielen, die dem global dominierenden Wirtschaftssystem zwischen die Beine geraten könnten. Deswegen wundere ich mich über all diejenigen, die sich darüber wundern, dass Bill Gates bereits vor 5 Jahren die Gefahr der Pandemie angesprochen hatte. Die Gefahr der Pandemie ist im Bereich der Katastrophenszenarien gängiger Standard. Alleine in den großen Rückversicherungsgesellschaften sitzen Armadas von Wahrscheinlichkeitsspezialisten, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als solche Szenarien durchzurechnen.

Das weiss ich, weil ich als Student mal einen Job in der Postabteilung einer solchen Firma hatte. Somit kam ich beim täglichen Rundlauf durch alle Abteilungen und tatsächlich auch in alle Arbeitszimmer und ich hörte mir jeden Tag an, worüber sich diese Menschen unterhielten.

Da diese Firmen einen Haufen Geld umsetzen, können sie sich einiges leisten. Ich bin jeden Tag an original Andy Wahrhol Siebdruckserien vorbeigelaufen – in jedem Stockwerk eine andere. Mal Marilyn, mal Neuschwanstein und so. Das Mittagessen ging auf’s Haus und es wurde im „Casino“ gespeist. Das hiess: eine vegetarische und eine fleischhaltige Variante (vegan gab’s damals noch nicht) eines 3-Gänge-Menüs standen zur Auswahl. Der Koch hatte Sterne – wieviele weiss ich nicht.

Die Chefetage lebte eine grossherzig-offene Firmenpolitik vor, was mit sich brachte, dass man sich mit jedem und jeder MitarbeiterIn unterhalten konnte, egal, welchen Rang und Status man selber besass. Somit hatte ich Gelegenheit, mich in jungen Jahren als Zaungast der neoliberalen Gedankenwelt des Rückversicherungs-Establishments zuzuwenden. Risikoberechnung war das täglich Brot dieser Menschen und sie berechneten tagein-tagaus alles, was man sich nur vorstellen kann: Vulkanausbrüche, Erdbeben, Konzern- und Staatsbankrotte, Angriffe aus dem All, Meteoren, whatever…

Dass das aktuelle Pandemie-Szenario schon lange existierte, ist ja durch einschlägige Hollywoodklassiker belegt. Als Mensch neigt man dazu, sie trotzdem zu relativieren. Als Risikomanager einer Rückversicherung hat man diesen Luxus nicht.

Insofern kann ich natürlich all diejenigen gut verstehen, die hinter der ganzen Coronasache nun abertausend Verschwörungen wittern. Ich selber trau den Geheimdiensten und der Pharmaindustrie auch alles zu. Nur eines nicht: das sich alle jetzt zusammengetan haben, um uns einfachen BürgerInnen eine Pandemie vorzugaukeln. Die Arschlöcher dieser Welt mögen gewieft sein, aber sie sind immer noch Arschlöcher und verhalten sich nicht solidarisch, auch (oder erst recht) anderen Arschlöchern gegenüber nicht. Ja, manchmal schon, aber das kann sich dann sehr schnell wieder ändern. Deswegen glaube ich nicht daran, dass die globale Macht- und Wirtschaftselite bei der letzten Bilderberg-Konferenz ein globales Pandemie-Schauspiel einstudiert hat. Wobei ich nicht bezweifeln will, dass einige unter denen das nicht mal albern finden würden.

Ich will jetzt auch gar nicht über die Hintergründe der Covid-19 Pandemie spekulieren und schon gar keine Plattform für eine solche Diskussion öffnen. Was ich jedoch nur allzu gerne kundtun will, ist eine heimliche Schadenfreude, die mich überkommt, wenn ich daran denke, wie es für mich wäre, wenn ich ein Wildtier in einem Urwald, oder ein Baum, oder ein Tiefseebewohner etc. wäre. Natürlich hinkt der Vergleich, weil ich als typischer Vertreter der Spezies Mensch davon ausgehe, dass Tiere und andere Lebewesen so denken und agieren könnten, wie Menschen – und das in dem tiefsten Bewusstsein, dass dem natürlich nicht so ist.

Wir Menschen haben erstaunliche Fähigkeiten: wir können denken, eine Meinung generieren, diese von uns selbst abstrahieren, sie hinterfragen und auch relativieren, oder sogar revidieren, aber trotzdem sehen wir alles ausschliesslich aus unserer „aktuellen“ Perspektive. Das heisst, wir beziehen uns nicht nur extrem auf uns selbst, sondern sind auch noch zeitlich ziemlich eingeschränkt: wir haben meist eine „aktuelle“ Meinung. Morgen kann alles vergessen sein. Kurzum: wir machen uns gerne wichtig.

Dabei sind wir eigentlich überhaupt nicht „so“ wichtig. Ok, wir haben viel vollbracht und erstaunliches geleistet, aber das alles auch nur auf unserer eigenen Werteskala. Also sind wir faktisch gesehen aus Sicht des Universums nicht unbedingt wichtiger und nützlicher, als alles andere was dieses in seinen unendlichen Weiten beinhaltet. Für das Universum sind also unsere Werte in keinster Weise „Systemrelevant“.

Nur für uns Menschen ist das natürlich anders. Wir denken, wir sind mordswichtig für das Universum, weil wir so einzigartig sind. Ja sind wir ja auch, aber ein Baum, oder ein Haifisch ist auch einzigartig und die führen sich nicht so krass auf, wie wir. Ok ein Haifisch kann auch schon mal übertreiben, aber nach einem blutigen Biss ist die Sache im wahrsten Sinne gegessen. Da wird nicht mehr lange rumtheoretisiert und schultergeklopft. Für einen Haifisch ist das, was er da macht keine besondere Leistung. Das ist halt sein Leben. Aus basta!

Das heisst: wir haben eigentlich niemanden, der uns mindestens auf gleicher Ebene Kontra bieten könnte. Deswegen wünschen wir uns ja nichts sehnlicher, als anderen Lebensformen zu begegnen, Orks, E.T., Aliens, Marsianer, Chew Baka, Vulkanier, etc. Denn ohne universelle Herausforderung wird uns schnell langweilig. Eigentlich tritt das, was wir uns herbeisehnen auch oft ein. Aber der Wunsch nach Aliens hat sich noch nicht – zumindest nicht eindeutig genug – erfüllt. Einer anderen Phantasie, die wir ebenfalls seit Urzeiten hegen, sind wir hingegen schon dicht auf den Spuren: der ultimativen Katastrophe. Und warum das ganze? Weil uns einfach langweilig ist! Ja, is so! Wir sind die geilsten Gestalten, die uns bekannt sind, sitzen auf dem geilsten Planeten des Universums und wir sind so sehr mit uns selber beschäftigt, dass uns langweilig ist. Deswegen sind wir ständig motzig drauf und würden am liebsten einen Laserkrieg gegen Feinde aus dem All führen.

Das ist wohl auch der Grund, warum wir so unzufrieden mit der aktuellen Pandemie sind: wir Menschen brauchen es hart! So eine schleichende Pandemie, deren Auswirkungen nur durch Zahlenspekulationen zu erahnen ist, ist wie inexistent für uns. Sie ist weder Fleisch, noch Fisch. Eine Pandemie muss uns sofort ordentlich den Arsch aufreissen, damit wir sie als solche auch akzeptieren.

Und das, was in Italien, Spanien passiert? Reicht das nicht?

Nein! Wir wollen unbedingt, dass im speziellen „uns“ selber der Arsch aufgerissen wird. Wir müssen das spüren, damit wir danach bestürzt sagen können: „Das hätte sich doch nun wirklich niemand denken können“. Natürlich wollen wir das nicht vordergründig und bewusst! Aber wenn wir nicht überrollt werden, nehmen wir den ganzen Mist nicht wirklich ernst. Jetzt mal ehrlich! Also natürlich halten wir uns an die Ausgangsbeschränkungen, aber keiner weiss wirklich was Konkretes. Es herrscht eine grosse Unsicherheit vor und das führt zu Skepsis, Gemaule und Gemotze.

Unsere freiheitlichen Rechte! Unsere zivilen Errungenschaften! Unsere Meinungsfreiheit! Unsere individuellen Bedürfnisse! Das alles ist nun bedroht. Das waren wir bisher gewohnt. Dafür haben wir hart gearbeitet. Natürlich werden wir jetzt ungehalten und machen uns Sorgen!

Und tatsächlich wird die Angst und die Gefahr gerade von diversen Despoten genutzt, um Notstandserlasse durchzusetzen (da ich nicht auf Promodiss stehe, nenne ich deren Namen hier nicht – weiss eh jeder, wer gemeint ist). Klar stellt das auch eine Gefahr dar! Wie gesagt: ich traue dem System Mensch alles zu – also nicht dem Menschen an sich, sondern dem „System Mensch“ – auch, dass es künstlich Notstände schafft, um damit Notregelungen zu legitimieren, in Kauf nehmend, dass es seine eigene „menschliche“ Existenz damit aufs Spiel setzt. Mitleweile liegt der britische Premier selber auf der Intensivstation, als Opfer seiner eigenen Ignoranz. Wir wünschen ihm trotzdem gute Besserung. Er ist schliesslich auch ein Mensch. Aber ihr versteht, worauf ich hinaus will.

Aus gewisser Sicht, finde ich die Pandemie und den Einbruch der Wirtschaft deswegen gut. Jetzt ist mal Schicht im Schacht! Ja wir leiden, wir erkranken tödlich und wir sterben, wir sind hilflos…aber das ist tagtägliche Realität für mehr als die Hälfte der Menschheit. Und das  schon seit Ewigkeiten. Das sind doch auch alles Menschen, also VertreterInnen unserer Spezies? Jetzt kann es alle treffen. Auch die Queen, oder Bill Gates!

Die Massen an Hungertoten jedes Jahr. Tausende Geflüchtete, die im Mittelmeer ersaufen, oder von korrupten Schleusern, Mafiosis, Grenzposten etc. bedroht, genötigt, erpresst und wenn es sein muss abgeschlachtet werden. Es waren doch Menschen, die zu 70igst in einem Kühlwagen an der deutsch-österreichischen Grenze jämmerlich erstickten? Es sind doch auch Menschen, die in einem für 3000 Menschen zugelassenen Flüchtlingscamp auf Lesbos zu 20.000’st voller Entsetzen den unvermeidlichen Corona-Einfall erwarten, ohne ausreichende medizinische, hygienische, nahrungstechnische und sanitäre Versorgung.

Das sind doch auch Menschen? Oder etwa nicht? Also dann müssten wir ja seit Ewigkeiten ständig empört sein? Nein! Wir sind erst dann empört und entsetzt, wenn das Dach von Notredame brennt, um innerhalb von Tagen Spenden in dreistelliger Millionenhöhe zu sammeln und die Sache nach 2 Wochen wieder komplett zu vergessen. Deswegen haben wir es anscheinend auch nicht anders verdient. Vielleicht müssen wir jetzt mal unfrei werden, damit wir endlich begreifen, dass alle Freiheit nichts nützt, wenn sie nur ein Privileg ist. Privilegien sind nicht nur auf besondere Menschengruppen begrenzt, sondern auch zeitlich – wie uns jetzt wieder schmerzhaft klar wird.

Wer das nicht kapiert, der muss halt in Karantäne. So schaut’s aus! Für diejenigen, die in der freien Marktwirtschaft ihre steuerfreien Kapitalgewinne erzielen: Ihr seid Loser! Ihr könnt jetzt, wo ihr die Zeit dazu hättet nicht mal wie Onkel Dagobert in Scheinen und Münzen schwimmen, weil Bargeld auch Viren übertragen kann und deswegen auch bald abgeschafft wird. So existiert euer Vermögen im digitalen Raum. Ihr könnt euch zwar vieles kaufen, aber momentan auch nicht viel damit anfangen. Nix könnt ihr machen, genauso wie wir. Das ist Gerechtigkeit!

Deswegen wünsche ich euch allen aber trotzdem Gesundheit, Durchhaltevermögen, wirtschaftliche Beruhigung, und den Übergang in die nächste humane Bewusstseinsebene. Heult nicht um euer Vermögen. Seid froh, dass es weg ist. Es bringt eh nix. Unterschreibt stattdessen lieber folgende Petition für Grundeinkommen. Die liegt gerade auf dem Tisch des Bundestags:

https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_03/_14/Petition_108191.nc.html

Ich habe keine Angst, ich bin wütend!

Durchgeknallte Killerkommandos mit Verbindungen zu Verfassungsschutz, Polizei, KSK und Bundeswehr machen wieder Jagd auf „Meinesgleichen“! Die rassistischen Amokläufe finden gerade in einer solch dichten Abfolge statt, dass einem schwindlig wird. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident dieses Staates, dessen Angehöriger ich bin, fordert von der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, dass sie “mit ihren Stimmen einen MP der SED/Linke auf jeden Fall verhindern“ möge, was im Gegenschluß bedeutet, sie mögen doch bitte ihre Stimme dem Kandidaten der AFD geben. Flüchtlinge werden an der EU-Außengrenze von griechischen Grenzposten ermordet, nachdem sie von der türkischen Regierung dort als Kanonenfutter hingetrieben wurden. Rechtsradikale deutsche PolitikerInnen fordern schon seit längerem den Einsatz von scharfer Munition bei Grenzübertretungen durch Geflüchtete. Die griechische Grenzpolizei setzt das jetzt um und wird von der EU-Kommisionspräsidentin dafür gelobt mit den Worten: “Wir danken der griechischen Regierung, die den Schutzschild für die EU darstellt. Wovor wollt ihr euch schützen? Und wer schützt bitte den Rest der Welt vor euch und vor euren Waffen?

Dafür kriegen die zuvor als undiszipliniert und verschwenderisch gescholtenen und in den finanziellen Ruin getriebenen Griechen nun doch ein finanzielles Hilfspaket, aber nicht für die Betreuung der Geflüchteten, sondern für ihre Grenzpatroullien. Derweil terrorisieren griechische rechtsradikale Identitäre die hilflosen Menschen, die eh nichts haben und um ihr nacktes Überleben bangen, attackieren JournalistInnen und internationale Helfer und Helferinnen. Deutsche Identitäre bilden Aktionstrupps und machen sich auf die Reise, um ihren griechischen Gesinnungsamöben beizustehen. Die türkische Regierung gibt den Duktus vor, Europa springt hysterisch im Kreis und bläht die Flüchtlingskrise zur Existenzproblematik auf, getrieben von den faschistischen Lagern, die sie politisch in die Enge treiben.

…die tragischerweise auch noch dazu in der Lage sind, einen ganzen Kontinent – der sich wie kein anderer als Epizentrum der demokratischen Gesinnung begreift – in die Enge zu treiben. Warum? Weil die Europäer sich anscheinend heimlich doch ein Sicherheitsrelais für ihre Existenzängste erhalten haben: nämlich den Rassismus. Ja, es ist sehr traurig, aber das großmäulige Europa zerbricht in eitler Selbstbeweihräucherung an seinen eigenen Idealen, die es wohl schon immer zu weit unten im Regal eingeordnet hatte. Gaaaaaaanz weit unten. Ist das etwa das Europa, das zwei Weltkriege mit Millionen Toten hinter sich gebracht hat und seit Jahrzehnten dem Rest der Welt Aufarbeitungs-Lektionen erteilt?

Die Faschisten marschieren wieder. Besonders dreist tun sie das aber in Deutschland. Und an dieser Stelle hole ich ganz ungeniert wieder meine altbewährte Nazikeule raus, auch wenn so mancher meiner deutsch-deutschen StaatsgenossInnen jetzt wieder die Augen verdrehen mag: Wenn sich wer angesprochen fühlt, um so besser! Dabei ist es mir scheißegal, welchem politischen Lager er oder sie angehört. Ich war lange naiv genug, den Deutschen die faschistische Kontinuität in ihrem Staatsgebilde und in der Zivilgesellschaft wieder und wieder klar machen zu wollen. Der Knackpunk liegt dabei vor allem an dem mangelnden Wissen, um die Nazistrukturen in den staatlichen Institutionen. Die Geschichte der Nachkriegszeit ist für den permanenten Rechtsdrang der letzten Jahrzehnte in der Gesellschaft entscheidender, als die des 3. Reiches selber.

Die RassistInnen und FaschistInnen sitzen in der Politik, Jusitz, im Verfassungsschutz, im BND, Polizeiapparat, Bundeswehr, in Sondereinsatztrupps, in Verlagen, Think Tanks etc. etc. etc.. Auch bin ich der Meinung, dass es sie in allen politischen Parteien gibt. Wir müssen uns immer noch und gerade jetzt mit diesem Thema auseinandersetzen und um unsere gemeinsamen menschlichen Werte kämpfen. Es wird nie eine Zeit geben, in der man sich gemütlich nach hinten lehnen kann und sagen kann: “Wir haben unsere faschistische Vergangenheit komplett aufgearbeitet. Diese Gefahr ist überwunden”. Und es gab diese Zeit auch noch nie. Wer das nicht akzeptiert, verpennt das entscheidende Momentum und das führt uns wieder zu der fundierten Weisheit: “Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!”

Nein ich habe keine Angst! Ich bin wütend! Insbesondere ob der anmassenden Haltung mit der rechtsradikale Wahnsinnige in diesem Land meinen, hier die Agenda bestimmen zu können. Noch mehr bin ich jedoch sauer auf diejenigen, die dazu einfach nur schweigen, nichts tun und nichts sagen! Diejenigen, die sich berieseln lassen von der Angst, die die PopulistInnen geschickt erzeugen und sich einmümmeln in das letzte bisschen wohlige Identität, die übriggeblieben ist vom Wirtschaftswunderwohlstand und der Demokratieverheißung der Nachkriegszeit. Sie haben sich über Jahrzehnte so wohl und sicher gefühlt in ihrem Selbstbild des/r selbstgerechten Europäers/in, dass sie tatsächlich meinten, sie wären immun gegen alles Schlechte im Menschen. Besonders in Deutschland hielt der Glaube lange an, mit dem Marschallplan von der Seuche der Nazis “freigekauft” worden zu sein. Aber nun merken auch die hartnäckigsten unter ihnen bewußt oder unbewußt, dass dies nie der Fall war, dass der deutsche Nationalsozialismus immer noch tief verankert ist in dieser Gesellschaft.

Nun ist die Frage: wie reagiert die sogenannte “Mitte der Gesellschaft”? Mit dieser Frage steht und fällt auch das Schicksal der AFD: Wird die Mitte sich beherzt auf die Seite der Verfassung und der Demokratie stellen, so wie Lübcke damals in Kassel, oder wird sie sich wohlfeil und hilflos in ihre Angst zurückziehen, den rechten PopulistInnen Raum geben und sich ihre Argumente schönreden und nachblöken aus reiner Trägheit, Verantwortung zu übernehmen? Verantwortung für sich, die menschlichen Grundwerte und für die eigene Würde!

Genau die, die bisher mit lauter Stimme und besserwisserischer Miene mir von der Aufarbeitung der deutschen Nazivergangenheit und der deutschen Verfassung daherdoziert haben. Genau die, von denen man jetzt auf einmal gar nichts mehr hört. GENAU DIE! Genau dieselben, die jetzt ganz betreten und gesenkten Hauptes meinen: “Das hätte man sich doch nie denken können!” und damit das Thema mit der selben Selbstgefälligkeit vom Tisch fegen.

Wer mir jetzt mit der Leier kommt, ich solle nicht so übertreiben, den oder die will ich nur daran erinnern: Faschos nehmen tagtäglich unschuldigen Menschen ihr Leben! Sie morden ohne Gewissen, ohne Skrupel und sie scheuen sich auch nicht, das Kind beim Namen zu nennen: Sie hassen “die Anderen”. Aber eigentlich hassen sie Menschen. Sie haben einen tiefen Drang danach, zu hassen. Woher dieser Drang kommt, kann ich nur in Anstätzen erahnen. Ich tippe mal darauf, dass er aus einer tiefen Autoaggression entsteht, die Menschenmassen ergreift, die das Vertrauen in ein übergreifendes funktionales Staatssystem verloren haben. Wenn Staatsgerüste zum Steigbügelhalter der neoliberalen globalen Konzerne geworden sind, die ihnen dazu verhelfen, die großen Kapitalströme dieser Welt ungeniert in ihre Kontrolle zu bekommen und dabei die Steuerlast und die wirtschaftlichen Defizite geschickt auf die Bevölkerung abzuwälzen. Genau das ist die beste Grundvoraussetzung für das Erstarken der Rechten, deren Job es ist, geduldig in der Ecke zu warten, um im geeigneten Moment die Existenzängste der Massen mit populistischen Mitteln in leicht beherrschbare völkisch-nationale und rassistische Kanäle zu leiten.

Das Schlimme am Faschismus ist: er ist keine Ideologie. Er kann sich aber in jeder Ideologie einnisten. Also glaubt ja nicht, ihr seid davor gefeit, nur weil ihr Linke, Sozis, aus der Arbeiterklasse seid, von Holocaustopfern abstammt, oder einer verfolgten Religion, oder Gesinnung angehört. Er kann überall auftauchen, auch in dir, in mir! Hass ist der Gegenpol zu Liebe und genauso wie diese kann er überall auftauchen. Er wächst, wenn man ihn pflegt und verkümmert, wenn man sich von ihm abwendet.

Ich habe keine Angst! Vor Niemandem! Ich bin mir nur der Bedrohung bewusst. Genau deswegen werde ich dem deutschen Innenminister die Aussage nie verzeihen, die Migration wäre die Muter allen Übels. Falls er sich als halbwegs gebildeten Menschen begreift, dann müßte er – der sich nicht nur Innen-, sondern auch Heimatminister schimpft – demütigst einsehen, dass die Migration  MITNICHTEN die Mutter allen Übels, sondern die Mutter jeglicher Kultur und Zivilisation ist und auch schon immer war! Da lohnt ein Blick ins Geschichtsbuch! Ohne Migration hätte es die Rainessance nie gegeben und die Grundlage seiner Partei – das Christentum – wäre auch nie in Europa angekommen, wenn die 12 Apostel nicht in alle Windrichtungen geeilt wären um „Gottes Wort zu verbreiten“ – sozusagen als „Illegale und nicht gern gesehene“ wandernde Missionare. Das Wort Ostern kommt von Osten und so manches andere, was in der Grundsubstanz einer “christlich-westlichen Welt” nicht fehlen darf auch. Auf die alte Leier mit dem Weihnachtsbaum und dem Mithraskult verzichte ich jetzt großzügig, um dem/r geneigten Leser/in nicht die Geduld zu rauben.

Ich hatte damals – das war 2018 – bei einer Ansprache darauf erwidert, dass ich diese Aussage nicht nur als ein Zeichen von historischem Unverständnis, abgrundtiefer Hohlköpfigkeit und als eine Beleidigung für mich und Meinesgleichen erachte, sondern auch als eine “Bedrohung”. Jetzt wird mir wieder einmal auf tragische Art bewußt, wie Recht ich hatte!

Wenn ich so rede, werde ich oft von verwunderten FreundInnen angesprochen, ob die Angst schon so sehr in meinen Alltag einzug gehalten hätte? Ich antworte darauf aber: “Nein, ich habe keine Angst! Schon gar nicht vor Leuten, die sich in der direkten Nachfolge einer Verlierergesinnung sehen, die in der Geschichte schon für so viel Elend verantwortlich war, 2 Weltkriege provoziert und beide auch noch armselig verloren hat! Faschismus ist die Gesinnung von Verlierern!

FaschistInnen und NationalistInnen sind willfähriges Verfügungsmaterial für den neoliberalen Haifischkapitalismus und mehr nicht. Sie sind weder besonders gewieft, noch argumentieren sie geschickt. Wenn es nun so weit kommen konnte, dann deswegen, weil man sie gewähren lässt. Das war damals so und so ist es auch heute noch. Dessen müssen wir uns immer gewahr sein!

Die Politik und die denkende Elite hat nun endlich erkannt, woher die Gefahr kommt. NÄMLCH VON RECHTS! Auch Herr Jürgen Habermas hat sich nun klar und eindeutig dazu geäußert. Dafür gebührt ihm unser aller Dank. Aber die Tatsache, dass sogar er die migrantischstämmigen Opfer der letzten Anschläge nicht mit einem Wort nennt, zeigt die Visions- und Empathielosigkeit, in der die deutsche Gesellschaft steckt.

Meine lieben deutsch-deutschen MitbürgerInnen: Ihr werdet es nie vermögen, diese Angelegenheit mit „euren Nazis“ im Alleingang zu regeln. Auch so gewaltige Hirne wie Habermas werden mit großen Worten nicht weiter kommen! Es wird überhaupt nichts helfen. Eure weiß-weißen Antirassismusaktionen und großen Benefizkonzerte werden nichts aber gar nichts bringen.

Das einzige, was hilft ist folgendes: Ihr müsst erkennen, dass wir nur dann mehr sind, als die, wenn ihr uns migrantische Mitmenschen als ein gesellschaftliches Potential erkennt und auch zu Worte kommen lasst, wenn wir eingeladen werden, sichtbar und hörbar werden bei all diesen Veranstaltungen! Auch, wenn euch das Deutsch von einigen von uns nicht gefallen mag. Wir sind nicht auf euren guten Willen und eure Toleranz angewiesen, sondern wir alle sind zusammen auf unser aller uneingeschränkte Kraft angewiesen. Auch ihr! Ihr seid nicht alleine mit eurer historischen Verantwortung und alleine schafft ihr das auch nicht. Wir sind genau so Deutsche, wie Ihr auch und wir haben kraftvolle Stimmen! Lasst uns gemeinsam aufstehen, organisieren, sprechen, singen und uns äußern. Hört uns zu! Es lohnt sich. Ich sage das jetzt schon zum zigtausendsten mal! Bisher habe ich nur zustimmendes Nicken und Schulterklopfen dafür erhalten. Diesmal erwarten wir mehr. Die Zeit drängt! Gedenkt der Opfer der Anschläge. Nennt sie beim Namen! Macht sie sichtbar! Das sind auch eure Opfer. Das sind keine Fremden. Laßt sie uns nicht vergessen!!!!

Hier kann man für ihre Angehörigen spenden: Die Amadeo-Antonio-Stiftung sammelt Spenden für die Opfer von Hanau.

In diesem Sinne: bitte geht wählen und wählt was Gescheites! Das ist durchaus möglich. Wir leben immer noch in einem demokratischen Land, das einem als StaatsbürgerIn genug Möglichkeiten bietet, seinen politischen Willen zu manifestieren. Man muß es nur wollen.

Wer war nochmal Mohammed Mossadegh?

Der Präsi von den Amis hat’s echt nicht leicht. Jetzt hat wieder der Iran aufgemuckt. Gerüchten zufolge soll sich ja der General Suleimani in Absprache mit den Amerikanern auf dem Weg zu einer Friedenskonferenz im Irak befunden haben, als er eliminiert wurde. Das ist auch immer so eigenartig: sonst wird immer von Anschlägen geredet. Wenn die Amis sowas machen, dann spricht man von Eliminierung. Das zeigt mal wieder, dass es nie eine gute Idee war, sich auf Absprachen mit Amerikanern zu verlassen. Die lokale Urbevölkerung der USA kann da mehrere Liedchen von singen. Angeblich gibt es ja tatsächlich einen einzigen Vertrag zwischen Siedlern und Indianern, der sogar immer noch Gültigkeit hat. Diese Siedler kamen aber aus dem Westerwald in Deutschland.
Zurück zum Thema: In letzter Zeit wird über diese akute bilaterale Krise viel klug geschissen und ich wurde auch wieder hineingezogen. Und  schon wieder kursieren Posts mit „sensationellen“ Bildern, auf denen zu sehen ist, wie sexy iranische Frauen vor den Mullahs im Land gekleidet waren. Aber da ich diese Bilder und auch ähnliche aus Afghanistan und der Türkei schon kenne, wurde mein Augenmerk schnell auf eine andere Angelegenheit gelenkt: Der CIA hat nämlich mal wieder gebeichtet.

Und zwar haben Vertreter dieser unehrenhaften Einrichtung jetzt eingeräumt, dass all die Mutmassungen über den mit den Briten gemeinsam eingefädelten Putsch 1953 gegen den ehemaligen Staatschef Mossadegh tatsächlich auf wahren Tatsachen fußen. Das ist aber im Prinzip nichts ungewöhnliches. Das machen die öfter mal, wenn Gras über den ganzen Dreck gewachsen ist, den die alltäglich anstellen. 64 Jahre sind ja auch schon mal ne anständige Zeitspanne. Interessiert ja auch keine Sau mehr, außer euch vielleicht? Denn, wenn man sich das mal so durchdenkt, dann hätte es ohne diesen Putsch wahrscheinlich weder den Schah, noch die Mullahs gegeben.

Schmachtfetzen #11: Gülden Karaböcek – Küstüm Sana Dünya

Auch wenn der Text und die Musik dieses Stückes aus den 70’ern in ein tragisch-kitschiges Tüllgewand gehüllt sind, entbehren sie nicht einen gewissen Grad an Authentizität, denn Gülden Karaböcek (geborene Göktürk), gehört zusammen mit ihrer Schwester, mit der sie eine tragische Geschichte verbindet, zu den größten Stars des türkischen Pop der 70’er. Ihre Karriere begann auch schon im Schatten ihrer großen Schwester Neşe Karaböcek, die ihrem Ehemann und Produzenten und seiner Plattenfirma „Elenor'“ mit ihrer großartigen Stimme, ihrem Charisma und den dadurch generierten Superhits große Erfolge bescherte.

Als sich die Wege des Paares trennten und sie sich im Jahr 1974 scheiden ließen, verlor die Plattenfirma auch ihren größten Star. Zu diesem Zeitpunkt eiferte die gerade mal 17 Jahre alte kleine Schwester Gülden ehrgeizig ihrer großen Schwester hinterher und wollte ebenfalls ein Gesangsstar und eine Diva werden. Ihre Stimme und auch ihre Erscheinung boten sich dafür an, aber sowohl ihre Schwester, als auch ihre Familie waren strikt dagegen. Dies erwies sich für den Ex-Ehemann als Gelegenheit, die Plattenfirma vor der Krise zu bewahren und mit einem neuen unverbrauchten Star zu krönen, der auch noch den selben Künstlernamen „Karaböcek“ trug, wie die Vorgängerin.

Somit übernahm auch Gülden nach den ersten Veröffentlichungen (1969), bei denen sie Orhan Gencebay begleitete, ab 1971 den Künstler(nach)namen ihrer Schwester Neşe.

Ihr Ex-Schwager nahm die von ihrer Familie isolierte Gülden mit all ihren Sehnsüchten und Hoffnungen auf eine glorreiche Karriere als Sängerin bei sich auf und es entwickelte sich eine verhängnisvolle Beziehung, die auch noch in einer skandalösen Hochzeit endete. Gülden Karaböcek bereute zeitlebens das Verhältnis mit ihrem Schwager und litt sehr unter dieser unheilvollen Fügung.

Ihre Schwester und ihre ganze Familie verstießen sie auf Lebenszeit, kamen jedoch nach einigen Jahren nicht umhin, ihr zu verzeihen. So kam es im weiteren Verlauf zu einigen medienwirksamen Versöhnungs- und Streitszenen.

Gülden Karaböcek lebte in den achtziger Jahren eine Zeit lang in der Bundesrepublik Deutschland. Dies inspirierte sie zu dem Stück „Yalan Almanya“ (Verlogenes Deutschland), in welchem sie die enttäuschten Hoffnungen der 1. Gastarbeitergeneration zur Sprache brachte. Mit „Bir Mucize Allah’ım“ brachte sie übrigens 1987 die erste in der Türkei produzierte CD heraus.

Bahtıma doğacak günü bekledim
Sabrıma her gün bir sabır ekledim
Hayatın elinden neler çekmedim
Küstüm sana dünya barışmam artık.Üstüme yüklenen dertler yokolsun
Hayat sen karanlık çıkmaz bir yolsun
Diyorlar ki bana çileli kulsun
Kimsenin işine karışmam artık
Küstüm sana dünya barışmam artık.

Öyle dert çektirdi bana şu yıllar
Düştüm düşeceğim yerlere kadar
Bu dünyada benden dertli kimler var
Kederden kedere yarışmam artık

Üstüme yüklenen dertler yokolsun
Hayat sen karanlık çıkmaz bir yolsun
Diyorlar ki bana çileli kulsun
Kimsenin işine karışmam artık
Küstüm sana dünya barışmam artık

Ich warte auf den Morgen,
der mein Schicksal erhellt. jeden Tag füg‘ ich Geduld an Geduld.
Was hat mir das Leben doch für Leid bereitet?
Ich bin der Welt verdrossen, versöhne mich auch nicht mehr!Ich wünschte, diese schweren Sorgen würden bald vergehen.
Ach Leben, du bist eine dunkle Einbahnstraße.
Alle sagen, ich sei ein unheilvolles Geschöpf.
Aber ich halte mich jetzt aus allem raus.
Ich bin der Welt verdrossen, versöhne mich auch nicht mehr!

Die Jahre haben mir so viel Trauer gebracht.
Soweit ich konnte, bin ich schon gefallen.
Gibt es jemand sorgenvolleren als mich auf dieser Welt?
Ich ziehe nicht mehr von Leid zu Leid.

Ich wünschte, diese schweren Sorgen würden bald vergehen.
Ach Leben, du bist eine dunkle Einbahnstraße.
Sie sagen, ich bin ein unheilvolles Geschöpf.
Aber ich halte mich jetzt aus allem raus.
Ich bin der Welt verdrossen, versöhne mich auch nicht mehr!

Zeitgenossenschaft

Auch wenn wir so tun, als wären wir Zeugen der gesamten Geschichte des Universums und würden es kennen, wie unsere Westentasche, so sind wir im Grunde nur die Zeugen des Hier und des Jetzt. Das Unglaubliche an der Zeit ist, dass sie die einzige Sache ist, die wir Mistgurken miteinander teilen „müssen“, ob wir wollen oder nicht.

Die Drogenvergangenheit der Briten in a Nutshell

Ist das nicht erstaunlich? Seit Jahren gilt die Globalisierung als das Modell der Zukunft und was kommt nun zum Vorschein? Nationalistischer Protektionismus und Populismus. Zumindest in der weißen Hemisphäre der Menschenwelt.

Sogar die Briten, die über Jahrhunderte einen großen Teil der Welt beherrschten, ziehen sich zurück in ihre Nußschale. Sie suchen Schutz im Engen, Vertrauten, Gewohnten.

Dabei müßten sie am besten wissen, dass das nichts hilft. Den Chinesen hat es damals im 19. Jhd. auch nicht geholfen, sich in ihre Wirtschaftsblase zurück zu ziehen. Damals kontrollierten sie ihren eigenen Handel und waren seit je her wirtschaftlich autochton. Ihr Untergang begann mit Tee, denn der war und ist in England schon immer sehr beliebt gewesen. Und da die Chinesen den Teemarkt kontrollierten, mußten die Briten diesen von ihnen kaufen, und zwar in rauen Mengen. Das ging richtig ins Geld.

Vor allem mißfiel es den Engländern, sich permanent mit der Käuferrolle begnügen zu müssen. Wenn Handel, dann mußte das schon in beide Richtungen gehen. Aber die Chinesen hatten kein Interesse an den Produkten der degenerierten Weißen.

Also bedrängten diese die chinesischen Kaiser lange Zeit mit der Forderung nach bilateralen Handelsbeziehungen. Diese lehnten aber konsequent ab. Eigentlich mit Recht. Warum sollten sie ihre Märkte dem Ausland öffnen, wenn sie doch ganz gut klar kamen mit dem eigenen Binnenangebot in ihrem riesigen Reich?

Diese introvertierte Sturheit trieb vor allem das britsche Großkapital schier in den Wahnsinn. Es floßen nämlich Unsummen des britischen Goldes nach China, aber es gab keinen Gegenfluß. So konnte es auf Dauer nicht lange weitergehen. Es mußte etwas geschehen! Sie mußten irgendeinen Weg finden, den Chinesen ihr kolonialistisches Handelsportfolio unterzujubeln.

Irgendwann Anfang des 19. Jhds war endlich die Lösung gefunden: auch Chinesen konnte man in Abhängigkeit bringen. Sie standen nämlich unwahrscheinlich auf Opium und darauf hatten die Briten fast unbegrenzt Zugriff durch ihre imperial-kolonialen Positionen, vor allem in Indien.

Also ging es los mit dem illegalen Opiumschmuggel nach China, in großem Format organisiert durch Drogenbarone, die mit der britischen Handelsflotte kooperierten und gesichert durch britisches Militär. Hauptstützpunkt war der Schmugglerhafen Hongkong.

So sehr sich die chinesischen Kaiser und die kaiserliche Administration durch Sanktionen, Verbote und schwere Strafen dagegen zu wehren versuchten, es half alles nichts: ihre Untertanen wollten den Stoff und die Engländer überschwemmten den Markt.

So kam, was kommen mußte: die Chinesen griffen im Spätsommer 1839 britische Handelsschiffe an, konfiszierten das Opium und zerstörten es. Drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe trafen Konsumenten, kleine und große Händler, auch Europäer waren darunter. Daraufhin lief es damals fast genau so, wie es heute auch noch üblich ist: ausgerechnet die miesesten Ganoven spielten sich als die Verfechter des freien Handels auf und riefen ihr britisches Königreich um Hilfe an, welches Ihnen diese narürlich willfährig gewährte: Der daraufhin entbrannte sogenannte 1. Opiumkrieg ging bis zum 29. August 1842 und endete in der Okupation der wichtigsten Handelsniederlassungen an der chinesischen Küste, der Auflösung der chinesischen Außenhandelsmonopols und der Öffnung des chinesischen Marktes für die Güter der Briten und anderer europäischer Staaten. Noch dazu mussten die Chinesen den englischen Drogendealern das gesamte zerstörte Opiumgut ersetzen.

Der Konflikt gärte noch etwas nach und es kam zum 2. Opiumkrieg von 1856 bis 1860, im Zuge dessen die verbündeten Truppen der Franzosen und Engländer – durch Beihilfe von geförderten Rebellentruppen – die chinesische Souveränität völlig untergruben und auch in Peking einzogen.

Als Nebeneffekt wurde die Wirtschaftsmetropole Hongkong geboren. Dort etablierte das britische Großkapital eine der dreckigsten Bankunternehmen der Welt, um ihre Drogengewinne abzusichern: nämlich die HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation), die seit dem bis in die Moderne als „die“ Schwarzgeldwaschanlage für Drogenkartelle aus der ganzen Welt fungierte.

1911 brach dann das chinesische Kaiserreich zusammen und die imperialistischen Gauner tobten sich aus bis dann der große Mao Tse Tung anrückte. Der Rest ist bekannt.

Dies ist eine sehr interessante Episode der britischen Imperialgeschichte, finde ich. Angesichts dieser gewinnt der feige Rückzug aus der EU und die große Unterstützung, die diese Politik durch das Wahlergebnis vom 12.12.2019 durch die britische Bevölkerung erfahren hat, noch mehr an Gewicht.

Ich wünsche diesen Schweinepriestern die chinesischen Heuschrecken an den Hals, auf das sich die Geschichte rächen möge! Und dann bin ich auch noch so frech und wage ein dystopisches Science Fiction Szenario: die chinesischen neoliberalen Kommunisten werden dann von europäischen postkapitalistischen Rebellen in die Flucht geschlagen. Die Tories gehen in der Revolution unter. Das britische Großkapital flüchtet nach Russland, das ihnen eine steuerbegünstigte Freihandelszone am Don bietet.

Material zum anlesen und Überblick verschaffen:
https://www.welt.de/geschichte/article172647940/Erster-Opiumkrieg-Als-England-weltgroesster-Drogendealer-wurde.html
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/geschichte/geschichte-opium-fuers-volk/4171512.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Opiumkrieg
Ausführliche Dokumentationen zu HSBC:
https://www.youtube.com/watch?v=a-uHKWu2nDw
https://www.youtube.com/watch?v=sTVPicgC5yU

Schmachtfetzen #10: Esengül – Taht kurmuşsun kalbime

Als glamouröser und mythenumwobener Star hat sich Esengül in den 70ern ihren Platz in der türkischen Arabeskmusikszene gesichert. Esengül gilt als eine der wichtigsten Stimmen des Genres und hat es mit ihrer Bühnenpräsenz und ihrem Charisma über Generationen geprägt.
Esengül war eine selbstbewußte Frau, die sich in einer patriarchalen Gesellschaft mühsam ihren Weg bahnte. Sie hatte eine Vielzahl an Liebhabern, die entweder türkische Celebrities waren, oder aus der Unterwelt stammten. Ihr Name war verwickelt in mehrere Skandale. Die Bosse der Unterwelt Istanbuls lieferten sich Schießereien wegen ihr. So war ihr Name oft in den Schlagzeilen der Boulevardpresse vertreten. Leider war ihre Karriere nur kurz und endete dramatisch: mit nur 25 Jahren erlag Sie im Jahr 1979 den Folgen eines Verkehrsunfalls in Istanbul. Die Umstände des Unfalls wurden nie richtig geklärt. Die Stadtlegende besagt, dass es sich dabei um eine Mafia-Abrechnnung gehandelt haben soll.
Geblieben sind die wunderschönen Lieder, die sie interpretiert hat. Hier eines meiner Favoriten:

Bırakmam seni ben
yanımdan gidemezsin
seviyorsan benimle
oturup içeceksinuzaklarda aramam
çünkü sen içimdesin
taht kurmuşsun kalbime
en güzel yerimdesinher an seni canımda
ruhumda duyuyorum
aşkımla sarhoşum ben
çılgınca seviyorum

——————-

artık anmak istemem
ayrılığın adını
seninle alabildim
mutluluğun tadını

uzaklarda aramam
çünkü sen içimdesin
taht kurmuşsun kalbime
en güzel yerimdesin

ayrılığın yükünü
kaldırıp taşıyamam
dünyaları verseler
ben sensiz yaşayamam

Ich kann nicht von dir lassen
du kannst nicht von mir gehen
wenn du mich liebst, dann bleibst du
und trinkst mit mir!Ich suche nicht in der Ferne,
denn du bist tief in mir
Du thronst in meinem Herzen,
bist an meinem schönsten OrtIch spüre dich jeden Moment
in meinem Leben, in meiner Seele,
bin trunken vor Liebe
bin verrückt vor Liebe

——————-

Von Trennung will ich nicht mehr reden
Mit dir habe ich das süße Glück geschmeckt

Ich suche nicht in der Ferne,
denn du bist tief in mir
Du thronst in meinem Herzen,
bist an meinem schönsten Ort

Die Last der Trennung
kann ich nicht tragen
Auch wenn sie mir Welten versprechen,
kann ich nicht mehr ohne dich leben.

Lyrics: Şemsettin Polat
Musik: Orhan Akdeniz

Zum Gepöbel in Zwickau

Einige von euch werden den Rummel um die Gedenkstätte an die NSU-Opfer in Zwickau mitgekriegt haben. Im Grunde eine gute Sache, hat diese Angelegenheit jedoch erstaunlicherweise sowohl die Rechten, als auch die Linken, aber vor allem die Angehörigen der NSU-Opfer empört. Viele haben es nur am Rande mitgekriegt und wissen über den Ablauf der Ereignisse nicht genau bescheid!

Ich will dieses Vorkommnis hier auf meine Art analysieren, weil es meiner Meinung nach eine sehr klare Momentaufnahme der gesellschaftlichen Brüche in Deutschland wiedergibt.

Was ist passiert?

In Zwickau, wo das Kerntrio des NSU zuletzt im Untergrund lebte, wurde von einer Bürgerinitiative am 8. September 2019 zum Gedenken an Enver Şimşek – dem ersten Opfer der NSU-Mordserie – auf der Ziegelwiese im nördlichen Teil des Schwanenteichparks eine Deutsche Eiche gepflanzt. Nur wenige Wochen später wurde der Baum von Unbekannten abgesägt. Eine Woche später wurde auch eine Bank mit einer Inschrift zerstört, die zum Gedenken an Şimşek aufgestellt worden war.

Dies sorgte berechtigterweise für allgemeine Empörung. Nun hat sich – wohl ausgelöst durch den schlimmen Anschlag von Halle am 10. Oktober – eine Schüler*inneninitiative der geschändeten Gedenkstätte in Zwickau angenommen. Ein paar Tage nach besagtem Anschlag wird eine große Gedenkveranstaltung abgehalten und die Wiedereinrichtung des Gedenkstätte – diesmal bestehend aus 10 Bäumen (für alle NSU Opfer) – beschlossen. Sogar die Bundeskanzlerin ist zur Einweihungsfeier eingeladen! Ein großartiges Zeichen von Bewußtsein, Haltung und Zivilcourage – noch dazu dargebracht von Schüler*innen in Zwickau! Wundervoll.

Das Problem ist nur, dass weder die Schüler*innen, noch die Lehrer, noch irgendjemand in der Stadtverwaltung und der Politik sich anscheinend auch nur Ansatzweise vorstellen konnte, dass eine Gruppe bei diesem wichtigen Ereignis im Grunde nie und nimmer fehlen darf: Die Angehörigen der Opfer und all die migrantischen Bürgerinitiativen, die seit Jahren sich um die Aufklärung und Aufarbeitung des NSU Komplexes bemühen. Vor lauter schnell schnell, hat man diese Menschen vergessen. Unglaublich!

Nun kam es doch tatsächlich am 4. November zur Einweihung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel in Begleitung von Schülervertreter*innen, dem Sächsischen Ministerpräsidenten und der Oberbürgermeisterin von Zwickau. Eine Handvoll repräsentativer Menschen, die dort ein Zeichen setzen wollten.

Die Gedenkstätte war wohl weiträumig abgeriegelt worden, denn es hatte sich schon eine Gegendemonstration von „wütenden Bürger*innen“ formiert, die mit „Merkel muß weg“ Rufen die Veranstaltung stören wollten. Sie werfen der Bundesregierung eine Wahrnehmungsverschiebung vor, denn für sie ist diese Gedenkstätte völlig unwichtig. Sie bedauern, dass die Regierenden in diesem Lande ihre Steuergelder sinnvoller ausgeben sollten, indem sie sich gefälligst um die wahren „Deutschen“ im Lande kümmern.

Deutschlandfunk Kultur reagiert am Tag darauf mit einer Sendug, die das Gepöbel der Rechten und die Verrohung der Gesellschaft  verurteilt!

Wir haben hier eine übliche Situation: Deutsch-deutsche Demokrat*innen zeigen Zivilcourage und Gedenken der Opfer von rechter Gewalt, die wiederum ebenfalls von Vertreter*innen der Mehrheitsgesellschaft verübt wurde. Die Polizei besteht vorwiegend aus deutsch-deutschen Beamt*innen und es protestieren deutsche Reche, die dieses Gedenken als Affront gegen sich sehen. Die Demokrat*innen und die seriösen Medien im Lande verurteilen das Gepöbel gegen die Kanzlerin.

Fazit: die Kartoffeln sind wieder mal mit sich selbst beschäftigt und auch fest davon überzeugt, dass sie alles richtig begreifen und das schon lösen werden. Zu Gunsten wessen auch immer: Entweder setzen sich die einen durch und lassen sich als Helden der Demokratie feiern, oder eben die anderen und machen dann im Auftrag des Staates ungeniert Jagd auf alle „Anderen“ – so wie das schon einmal auf unmenschliche Weise in diesem Land passiert ist. In beiden Fällen interessiert die Meinung der „Restgesellschaft“ nicht. Die müssen sich zurücklehnen und seufzend warten bis die Herrenrasse die Sache geklärt hat.

Eine Gedenkstätte für die Opfer des NSU in Zwickau! Wie wichtig und wertvoll dieses Zeichen jedoch tatsächlich wäre!

Ich sage „wäre“, denn sowohl die Tatsache, dass die Angehörigen der Opfer weder eingeladen, noch benachrichtigt wurden, als auch der Fakt, dass mehrere Namen der Opfer falsch geschrieben wurden, zeugt leider von einer halbherzigen Intention des Ganzen.

Da ich zunächst dachte, dass diese Veranstaltung von der Bundesregierung initiiert war, wurde ich sofort mißtrauisch: Ich dachte der Grund für den Faux Pas wird die Sorge davor gewesen sein, das Rechte Spektrum (mit Sicherheit auch unter den eigenen Wählern) verärgern zu können. vor allem aber war ich überzeugt, dass diese Entscheidung in der Sorge begründet lag, dass man bei einer Zusammenkunft mit den Angehörigen mit Konfrontationen und Forderungen um Tansparenz und Aufklärung im und um den NSU-Komplex zu rechnen hätte. Mitlerweile glaube ich aber, dass man die Angehörigen einfach vergessen hat, genauso, wie Frank Walter Steinmeier in Halle vergessen hat, dem Dönerimbiss, in dem ja bekanntlich 2 Menschen vom Attentäter hingerichtet wurden, seine Aufwartung zu machen. Ich befürchte tatsächlich, dass diese Menschen vergessen wurden und ständig vergessen werden. Ich vermute darüber hinaus, das das deswegen so ist, weil die Opfer mit Migrationshintergrund nur als symbolische Aufsteller fungieren, sozusagen als Markierungen, an denen man in ständiger Wiederkäuer-Manier sein vom Holocaust geplagtes Gewissen abarbeitet.

Heftige Reaktionen von Rechts hat man so oder so zu erwarten. Damit muss man rechnen! Sich darüber zu wundern, ist Heuchelei! Das ist die Realität in Deutschland! Und der muss man sich endlich entgegenstellen. Nichts hätte sich dazu besser geeignet, als ein Schulterschluss mit den Angehörigen, aber denkt man nicht mal.

Jetzt ist wieder einmal das Schlimmste eingetreten: keine klare Haltung gegen Rechts, keine klare Benennung der Täter und ihrer organisierten Netzwerkstrukturen, keine klare Positionierung an der Seite der Opfer und ihrer Angehörigen, kein klares Statement „gegen den Faschismus“!

Genau deswegen denke ich leider, dass man sich jetzt mal auf die Hinterbeine stellen sollte, statt hier über „Pöbeleien“ abzujammern, die nichts anderes sind, als Auswüchse von organisierten faschistischen Strukturen, die man seit Jahrzehnten auf Staatsebene bewusst und subtil protegiert, deren Akzeptanz man aber mit unbeholfenen Statements und solchen schwammigen Aktionen auch offen fördert.

Keine der genannten Parteien sieht die sogenannte „Opferpartei“ überhaupt als eine relevante Größe in diesem Game! Der Faschismus in Deutschland ist jedoch nicht nur eine innere Angelegenheit der (Deutsch-) Deutschen! Er kann nur besiegt werden, wenn die gesamte Gesellschaft sich organisiert gegen ihn stellt. Und das ist nur möglich, wenn auch alle Bestandteile der Gesellschaft immer angesprochen werden.

Abgesehen davon: stellt euch mal vor, Euer Vater wird ermordet und es findet eine Gedenkveranstaltung statt, auf der Ihr nicht eingeladen seid? Und noch dazu wird sein Name falsch geschrieben?

Wie würdet Ihr reagieren?

Be Kunst my friend!

Das Problem ist nämlich: in dem Moment, in dem du meinst, politisch zu sein, bist du schon raus aus dem Kunstschissel! Die nächste Station ist dann immer gleich Ai Wei Wei. Wenn du nur “kreativ” bist hingegen, dann erübrigt sich die Frage eh. Was willste da noch groß labern? Das Geld ist dein Chef. Face it! Aber wenn du Kunst machst, dann ist das Geld dein Feind. Ob du’s willst oder nicht. Gibt’s nichts zu machen.

Du wolltest Kunst machen und sie ist aus Versehen zu Pop geworden? Ach so – dieses Versehen gab’s zuletzt in den 60’ern. Das gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt ist es…Pop..und Kunst. Das nennt sich dann gleich Pop Art, klingt mitlerweile eher nach unkorrektem Milchprodukt und ist in jedem Supermarkt zu haben. Das bringt zwar Geld, macht aber viel Plastikmüll.

Also was machen mit der Kohle? Verbrennen, so wie damals KLF? Das war ein Kunstprojekt, das darauf angelegt war, Pop zu werden. Und es hat tatsächlich auch geklappt! KLF hat aber die Uhr noch weiter gedreht, indem sie die Einnahmen aus dem Projekt öffentlich verbrannt haben. Das war grandiose, die Materie schamlos verachtende Kunst. Kunst in ihrer vollkommenen Radikalität! Kunst, die den Kapitalismus vorführt, statt sich hörig unterzuordnen! Somit erhielt KLF seine Würde zurück und wurde dafür von konservativen Kleinbauern auf den Kanalinseln verständlicherweise bitterst gehatet. Das war geil!

Batsch sind seitdem 3 Jahrzehnte vergangen und was ist passiert? Der Begriff “Wirtschaft” regiert krasser denn je. Die Kreativen sind als erstes gefallen. Sie wurden stufenweise “gesundtherapiert”. Zunächst mussten sie einsehen, in welcher Misere sie sich befinden, ohne die Wirtschaftlichkeit. Dann mussten sie Dankbarkeit üben und sich Marketingkonzepte aneignen. Sie schnappten nach jedem happen, den man Ihnen entgegenwarf und wurden zu “Marken”! Jetzt sind sie existenzberechtigt!

„Kreativ“ ist jetzt tot. Das Zauberwort heißt: “Kreativwirtschaft”. Du benötigst dazu lediglich einen kreativen Impuls und eine/n Wirt/in, der/die was schafft. Dann hast du eine Kreativwirtschaft. Musikwirtschaft gibt’s natürlich auch, oder Kulturwirtschaft. Den Begriff Kunst gibt’s glaub’ ich auch mit diesem Anhängsel? Wart ich gugel mal!

….Scheisse, offline!

Also, das ist echt lächerlich hier in Deutschland! Alle machen wichtig rum mit ihrer Web-Affinität, aber wenn du in ‘ner Bahn ins Münchner Umland fährst, dann bist du halt gerne mal für mindestens 20 Minuten Offline. So ein Mist! Kein Wunder: Herrenrasse hat halt keine Ahnung von Dienstleistung!

Na ja, dann gugelt halt selber! Ihr könnt mir ja bescheid sagen, ob die Begriffskombi (ich weigere mich, sie zu erwähnen) gängig ist, oder nicht. Ich befürchte das Schlimmste. Meiner Meinung nach könnte man die Kunst ja gerne als “Bordell” bezeichnen, als „Müllhalde“, oder als „Wiege der menschlichen Kultur“, whatever! Aber als Teil einer Wirtschaft? Warum gibt’s denn noch keine Wirtschaftskunst? Das wär doch mal was?

Ja, drehen wir den spieß doch mal um: Politkunst! Kreativkunst, Musikkunst, Sozialkunst, Onlinekunst, Konsumkunst, Sexkunst. Unterrichtskunst, statt Kunstunterricht! Es könnte noch viel mehr Begriffe wie diese geben, die der Kunst zu einer Art Gegendominanz verhelfen würden.

Aber im reellen Sprachgebrauch gibt es nur viel zu wenige von ihnen. Mir fallen spontan nur Begriffe wie Volkskunst, Raubkunst und Scheißkunst ein.

Dabei ist ja in der Hinsicht Sachsen offen: Automobilkunst, Reisekunst, Sportkunst. Und gegen das Totschlagargument “Hey jetzt komm mal runter! Davon wird man doch nicht satt. Kunst kann man doch nicht essen?” hab ich dann noch die hier: Essenskunst. Foodkunst. Brezenkunst. Kochkunst. Trinkkunst, und, und, und…

Nehmt erstmal das ihr pseudokreativen Gameprogrammierer!